Historische Friedens- und Konfliktforschung (eBook)

Die Quadratur des Kreises?
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2023 | 1. Auflage
351 Seiten
Campus Verlag
978-3-593-45145-9 (ISBN)

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Historische Friedens- und Konfliktforschung -
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Das Wechselspiel von Frieden, Konflikten, Gewalt und Krieg prägt unsere Gegenwart ebenso wie die Vergangenheit. Dieser Band bietet einen aktuellen Überblick über die programmatischen und methodischen Einsichten der Historischen Friedens- und Konfliktforschung und gibt Impulse zu ihrer konzeptionellen und thematischen Weiterentwicklung. Dabei werben die Beiträge für einen Ansatz, der Gewalt und Krieg nicht als Ausgangspunkt setzt, sondern problematisiert und erklärt. Dies macht Alternativen zu Gewalt und Krieg, Bemühungen zu deren Einhegung und Überwindung und das Streben nach Frieden zu einem wichtigen Fluchtpunkt der Erzählung.

Daniel Gerster, Dr., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Jan Hansen, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für die Geschichte Westeuropas und der transatlantischen Beziehungen der Humboldt-Universität zu Berlin. Susanne Schregel, Dr. phil., ist Research Fellow am IFK. Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften. Kunstuniversität Linz in Wien.

Daniel Gerster, Dr., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg. Jan Hansen, Dr. phil., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für die Geschichte Westeuropas und der transatlantischen Beziehungen der Humboldt-Universität zu Berlin. Susanne Schregel, Dr. phil., ist Research Fellow am IFK. Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften. Kunstuniversität Linz in Wien.

Historische Friedens- und Konfliktforschung. Die Quadratur des Kreises?


Susanne Schregel, Jan Hansen, Daniel Gerster

Historische Friedens- und Konfliktforschung fordert heraus. Seit der Formierung der Forschungsperspektive im Umfeld des Ost-West-Konflikts streiten sich Historiker:innen darüber, was ihren eigentlichen Gegenstandsbereich ausmachen und mit welchen Ansätzen und Methoden er am besten erforscht werden sollte. Auch die Frage, welche Rolle Studien etwa zu historischen Ansätzen zur Vermeidung von Krieg und Gewalt oder zu vergangenen Gewaltkonflikten in politischen Konstellationen der Gegenwart einnehmen sollten, sorgte immer wieder für Debatten. Dieses Kapitel führt daher in die Historische Friedens- und Konfliktforschung ein, indem es sie entlang des Bildes von der »Quadratur des Kreises« charakterisiert.

Die »Quadratur des Kreises« beschreibt das mathematische Problem, wie sich eine Kreisfläche in ein flächengleiches Quadrat übertragen lässt. Mit Zirkel und Lineal ist dies nicht möglich; lediglich Näherungswerte sind erreichbar. Im übertragenen Sinne meint die Rede von der »Quadratur des Kreises« eine Aufgabe, die kaum gelöst werden kann. In unserem Fall zielt die Metapher darauf ab, eine Darstellungsform für die Historische Friedens- und Konfliktforschung zu finden, die positiv und integrierend ist und zugleich deutlich macht, dass Suchbewegungen und divergierende Positionen zu ihren Herangehensweisen, Themen und Zielen produktiv und notwendig sind.

Konkret strukturiert ein Schaubild aus Quadraten und Kreisen die Darstellung innerhalb dieses Kapitels (Abbildung 1). Die Grundelemente des Schaubilds liegen in zwei konzentrischen Kreisen, die von einem Quadrat eingefasst werden. Diese Elemente referieren auf Grundfragen der Historischen Friedens- und Konfliktforschung, welche die Gegenstände der folgenden Teilkapitel bilden werden.

Die beiden konzentrischen Kreise führen Gegenstandsgebiete an, die die Historische Friedens- und Konfliktforschung prinzipiell adressieren kann. Ob ein Thema tatsächlich zur Historischen Friedens- und Konfliktforschung gezählt wird, hängt in erster Linie davon ab, wie die zentralen Begriffe »Gewalt«, »Frieden«, »Krieg« und »Konflikt« definiert werden. Diesen Umstand bringt der innere gestrichelte Kreis zum Ausdruck, den man sich daher als ein variables Element vorstellen muss: Er kann enger, aber auch weiter sein. Das Quadrat umreißt schließlich den konstitutiven Rahmen der Historischen Friedens- und Konfliktforschung. Dieser ergibt sich aus den Erzählweisen und der Geschichte der (Historischen) Friedens- und Konfliktforschung, sowie aus ihren Außenbeziehungen zu anderen Disziplinen und in eine breitere Öffentlichkeit.

Abb. 1: Historische Friedens- und Konfliktforschung. Die Quadratur des Kreises?

Diese Darstellungsweise soll die Historische Friedens- und Konfliktforschung nicht reifizieren; sie greift eher die Vielzahl an Grafiken und visuellen Darstellungen auf, welche in der Friedens- und Konfliktforschung der 1970er und 1980er Jahre gängig waren.26 Zugleich stellt sie ihnen spielerisch einen weiteren Entwurf zur Seite, der sich seiner eigenen Gemachtheit bewusst ist.

Der Logik der Quadratur des Kreises folgend setzt die Darstellung mit begrifflichen Grundlegungen ein. Anschließend werden die Themengebiete vertieft, die mit Fragen der Historischen Friedens- und Konfliktforschung bearbeitet werden. Hierzu gehören die Geschichte des Militärischen, die Entstehung und Ausprägung von Gewaltkonflikten, die Prävention, Einhegung und Transformation von Gewaltkonflikten, die Geschichte von Rüstung und Abrüstung sowie die Geschichte friedensbezogener Praktiken. Hinzukommen kann die Historisierung individuellen und gesellschaftlichen Konfliktverhaltens, der Umgang mit Differenz, das Streben nach Gerechtigkeiten und gesellschaftlichem Ausgleich sowie Visionen und Utopien der Gewaltfreiheit. Das abschließende Teilkapitel erörtert, wie die Historische Friedens- und Konfliktforschung in ihren erzählerischen, kommunikativen und disziplinären Fundierungen ihren konstitutiven Rahmen findet.

Begriffliche Grundlegungen: Gewalt – Frieden – Krieg – Konflikt


Die vier zentralen Begriffe der Historischen Friedens- und Konfliktforschung sind »Gewalt«, »Frieden«, »Krieg« und »Konflikt«. Auf den ersten Blick scheinen diese Begriffe eindeutig zu sein. Sie sind es aber nicht.27 Frieden zum Beispiel kann die Abwesenheit von Krieg bzw. körperlich ausgeübter oder erlittener Gewalt bedeuten. Frieden kann aber auch einen Zustand meinen, in dem es keine strukturellen Benachteiligungen gibt. In der ersten Variante haben wir es mit einem engen Friedensbegriff zu tun, in der zweiten mit einem weiten.

Im Folgenden wird deutlich werden, dass der Untersuchungsgegenstand der Historischen Friedens- und Konfliktforschung von Vorentscheidungen darüber abhängt, ob engere oder weitere Begriffe die Analyse bestimmen sollen.28 Beide Optionen sind legitim und können die Forschung produktiv anleiten. Der folgende Abschnitt rekapituliert daher wichtige Positionen um enge und weite Begriffe anhand der zentralen Begriffe »Gewalt«, »Frieden«, »Krieg« und »Konflikt«.

Gewalt

Der Unterschied zwischen engeren und weiteren Begriffsbestimmungen lässt sich am Beispiel möglicher Perspektivierungen von Gewalt verdeutlichen. Schon das alltagsweltliche Verständnis offenbart vielfältige Deutungsmöglichkeiten. So erklärt der Duden »Gewalt« unter anderem als eine »elementare Kraft von zwingender Wirkung« bzw. eine »physische oder psychische Kraft, mit der etwas erreicht werden soll«.29 Was genau ist darunter zu verstehen? Soll der Terminus auf direkte körperliche Gewalt beschränkt bleiben? Oder sind mit der »elementare[n] Kraft« auch gesellschaftliche und politische Strukturen gemeint, die Zwang ausüben, wie etwa soziale Ungleichheit oder Rassismus? Und: In welchem Verhältnis stehen die unterschiedlichen Begriffsverständnisse zueinander?

Dass dem Gewalt-Begriff unterschiedliche Bedeutungen eingeschrieben sind, ergibt sich auch daraus, dass das Wort in einer doppelten Weise besetzt ist: Im Deutschen kann man Gewalt ausüben (violentia), man kann sie aber auch innehaben (potestas).30 Wie die lateinische hat die englische Sprache unterschiedliche Bezeichnungen für diese Dimensionen von Gewalt (violence und power). Ein engeres Verständnis von Gewalt geht unter anderem auf Heinrich Popitz zurück. Popitz schlug vor, Gewalt zu verstehen als »schiere Aktionsmacht, anderen in einer gegen sie gerichteten Aktion Schaden zuzufügen, anderen ›etwas anzutun‹«.31 Im Mittelpunkt dieses Verständnisses von Gewalt steht die »Verletzbarkeit des Menschen durch den Menschen«, die Popitz als »nicht aufhebbar« begriff.32 Gewalt sei insofern »[d]ie direkteste Form von Macht«.33 Im Anschluss an Popitz haben sich Teile der Historischen Gewaltforschung um eine dichte Beschreibung von Gewalthandlungen bemüht. Gewalt begreifen sie dabei als Handlungsoption, die in Interaktionen stets aktiviert werden kann.34

Dieser Zugriff auf Gewalt wirft Fragen auf. Zunächst stellt sich das Problem, wie eng der enge Gewaltbegriff sein darf: Inwieweit müssen auch psychische Schädigungen, verbale Gewalt oder Gewalt gegen Sachen einbezogen werden?35 Ferner ist an ihm kritisiert worden, dass er die Abhängigkeit der Gewaltbereitschaft von gesellschaftlichen Dispositionen und damit die tatsächlichen Gewaltursachen nicht hinreichend reflektiere.36 Die Gewalttätigkeit von Menschen sei nicht (einfach) eine anthropologische Grundkonstante, sondern hänge mit der...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2023
Reihe/Serie Frieden und Krieg. Beiträge zur Historischen Friedens- und Konfliktforschung
Co-Autor Maximilian Drephal, Thomas Fischer, Philipp Gassert, Daniel Gerster, Dorothée Goetze, Jan Hansen, Claudia Kemper, Roswitha Kersten-Pejanić, Till Kössler, Reinhild Kreis, Christoph Laucht, Tobias Nanz, Lena Oetzel, Arvid Schors, Susanne Schregel, Bettina Severin-Barboutie
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Zeitgeschichte
Schlagworte Erziehungsgeschichte • Frieden • Friedensbewegung • Geschlechtergeschichte • Gewalt • Historische Friedens- und Konfliktforschung • Historische Semiotik • Konflikt • Krieg • Krise • Kulturwissenschaft • Mediengeschichte • Migrationsgeschichte • Militärgeschichte • Pädagogik • peace history • postcolonial studies • Rechtsgeschichte • Stadtgeschichte • Ukrainekrieg • Umweltgeschichte
ISBN-10 3-593-45145-X / 359345145X
ISBN-13 978-3-593-45145-9 / 9783593451459
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