Adenauers Watergate (eBook)

Die Geheimoperation des BND gegen die SPD-Spitze
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
288 Seiten
Aufbau digital (Verlag)
978-3-8412-3285-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Adenauers Watergate - Klaus-Dietmar Henke
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Wie demokratisch war Konrad Adenauer? 

Konrad Adenauer prägte als Gründungskanzler und hochverehrter Staatsmann eine ganze Epoche. Zur eigenen Machtsicherung hebelte der CDU-Chef dabei allerdings die von ihm selbst mitgestalteten demokratischen Spielregeln des Grundgesetzes aus: Über Jahre hinweg profitierte er heimlich von der gesetzwidrigen Ausforschung der SPD-Führung durch den Auslandsnachrichtendienst, die sein Kanzleramtschef Hans Globke und der BND-Präsidenten Reinhard Gehlen eingefädelt hatten.
Der angesehene Historiker Klaus-Dietmar Henke beschreibt dieses größte Demokratieverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage erstmals ausgewerteter Unterlagen des BND sowie Hunderter Geheimberichte in den Archiven der CDU - ein zeithistorischer Politkrimi ersten Ranges. 

»Vor allem wird sich das schöne Bild, das sich die Nachwelt vom Gründungskanzler Konrad Adenauer macht, heftig verfärben.« Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung



Klaus-Dietmar Henke, Jahrgang 1947, Zeithistoriker; 1979-1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte München, ab 1986 stv. Chefredakteur der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; 1992-1996 Abteilungsleiter Bildung und Forschung der Gauck-Behörde in Berlin; 1997-2012 Univ.-Prof. für Zeitgeschichte in Dresden, bis 2002 zugleich Direktor des Hannah-Arendt-Institus für Totalitarismusforschung; 2007-2021 Beiratsvorsitzender der Stiftung Berliner Mauer; 2011-2022 Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND 1945-1968; zahlreiche Publikationen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.

I

Ein deutsches Demokratieverbrechen


Ein Abgrund von Machtmissbrauch


Konrad Adenauer gehört unzweifelhaft zu den großen Gestalten des vergangenen Jahrhunderts. Ebenso gewiss ist, dass der Gründungskanzler der Bundesrepublik Deutschland, wie Politiker historischen Ranges nicht selten, manche »Nachtseite«1 aufweist. Die eine oder andere Nachtseite kannten schon seine Zeitgenossen, weitere wurden nach und nach deutlich. Doch die jahrelange systematische Ausforschung der SPD-Spitze, ein konspiratives Komplott zwischen Bundeskanzleramt und Bundesnachrichtendienst, nahmen die Beteiligten mit ins Grab. Erst mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Tod des ikonischen Gründungskanzlers konnte die Zeitgeschichtswissenschaft die monströse Attacke auf die junge Demokratie ans Licht bringen.

Hans-Peter Schwarz verschweigt in seiner großen Adenauer-Biografie die Nachtseiten seines Titelhelden und die dunklen Seiten seiner Ära nicht, besteht jedoch darauf, der Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende habe sich trotz »beträchtlicher institutioneller Nonchalance« durchweg im Rahmen der Verfassung bewegt und die Scheidelinie zwischen einer eben noch zustimmungsfähigen Amtsführung und politischem Handeln jenseits von Recht und Gesetz immer respektiert; gelegentliche Dehnungen des Grundgesetzes und häufiges Operieren »hart am Rande des Zulässigen« änderten daran nichts.2

Nach Auswertung der erstmals zugänglich gemachten BND-Unterlagen weiß man es besser: Mit seinen beiden hauptsächlichen Helfern, Hans Globke, Chef des Bundeskanzleramts sowie »heimlicher Generalsekretär der CDU«,3 und Reinhard Gehlen, Präsident des Auslandsnachrichtendienstes BND, hat Konrad Adenauer über Jahre hinweg die Verfassung gebrochen und die Grundregeln des demokratischen Wettbewerbs mit Füßen getreten. Das Grundgesetz, an dem er maßgeblich mitgewirkt hatte, war keine fünf Jahre alt, als Gehlen und Globke ihren heimlichen Pakt zur Sicherung der Kanzlermacht schmiedeten.

Bundeskanzler Adenauer bediente sich in den darauffolgenden Jahren intensiv des steten Stroms sensibelster Informationen aus der SPD-Parteizentrale in seinen Amtssitz, dem Palais Schaumburg, und missbrauchte so seine auf Zeit verliehene Macht ohne Skrupel und Bedenken. Man stelle sich für einen Moment vor, Opposition und Medien hätten sich damals dieses Manuskript in der vorliegenden Form irgendwie zu verschaffen gewusst, so kann man sich ausmalen, wie anders die Ära Adenauer in die Geschichte eingegangen wäre. Schon der vergleichsweise moderate Machtmissbrauch in der Spiegel-Affäre hatte zu Proteststürmen und einer Regierungskrise geführt. Unter dem »Abgrund von Landesverrat«, den der Bundeskanzler auf dem Höhepunkt des Skandals im Parlament beschwor, hätte sich ein noch tieferer aufgetan: ein Abgrund von Machtmissbrauch.

Die konzertierte Geheimoperation von Bundeskanzleramt, Bundesnachrichtendienst und CDU gegen die SPD-Spitze war für Adenauer so hilfreich und wichtig, dass er sich in Vorstandssitzungen seiner Partei den Hinweis auf geheime Quellen seiner innen- und parteipolitischen Erkenntnis manchmal nicht verkneifen konnte. Im Mai 1957 etwa trug er seinen Parteifreunden wieder einmal aus einer der geheimen BND-Mitteilungen vor: »Ich muss vorsichtig vorlesen, damit nicht die Quelle verraten wird«, schickte er voraus. »Das werden Sie verstehen.« Bald darauf konnte der CDU-Chef noch weniger an sich halten: »Darf ich zunächst feststellen, ob wir wirklich ganz unter uns sind und keine Fotografen und niemand uns hören kann«, eröffnete er die Aussprache: »Denn nur dann kann man ruhig und offen miteinander sprechen. Aus den Sitzungen des Parteivorstands der SPD bekommen wir ja die entsprechenden Mitteilungen (Heiterkeit). Ich sähe es wirklich nicht gern, wenn das vice versa ebenso geschähe.«4 Konrad Adenauers Ermahnungen fruchteten. Parteifreunde, die solche augenzwinkernden Hinweise auf sein Betriebsgeheimnis erhaschten, bewahrten sie zuverlässig in ihren Herzen.

Zu Beginn der neunziger Jahre näherte sich der Kanzlerbiograf Schwarz der verborgenen Wahrheit immerhin so weit, dass er über den Bundeskanzler schreiben konnte, der in Pullach bei München residierende BND-Präsident Gehlen sei eine »langjährige, wenn auch unsichtbare Säule seiner Herrschaft«5 gewesen. Das war richtig gesehen und treffend gesagt, doch an keiner Stelle seines umfangreichen Werks zur Ära Adenauer vertiefte er diese Erkenntnis. Offenbar wusste oder ahnte Schwarz mehr, als er hätte belegen können, wollte seine Erkenntnis aber wenigstens an einer Stelle ausgesprochen wissen. Hätte es denn auch denkbar sein sollen, dass der Auslandsnachrichtendienst die wohl erfolgreichste Operation seiner frühen Jahre im Inland vollführte? Konnte man wirklich annehmen, dass die geheimen Dienste des Gehlen-BND dem Bundeskanzler dabei halfen, seine innen- und parteipolitische Machtgrundlage in demokratiefeindlicher Weise zu befestigen?

Der Begriff »Watergate«, ähnlich wie »Waterloo« oder »Canossa« ein vom Ursprungsereignis abgelöster Topos, bezeichnet historisch bekanntlich den Machtmissbrauch des amerikanischen Präsidenten Richard M. Nixon, der im Wahlkampf 1972 einen Trupp Helfer in Marsch gesetzt hatte, um im Hauptquartier der Demokratischen Partei im Washingtoner Hotel Watergate Abhörtechnik zu installieren. Das misslang. Nixons »Klempner« wurden gefasst. Die sukzessive Aufklärung dieses Verbrechens gegen die demokratisch-parlamentarischen Funktionsgrundlagen ließ ihm keine andere Wahl, als das Weiße Haus zu räumen. Ebenso wie Richard Nixon missbrauchte auch Konrad Adenauer seine Macht zu parteipolitischen Zwecken, doch bewerkstelligte er dies, vom Lichte der Öffentlichkeit unbehelligt, ungleich geschickter und nachhaltiger als »Tricky Dick«: Nicht Einbruch, Einschleusung war das Mittel der Wahl. Der CDU-Vorsitzende und seine Partei profitierten während der formativen Phase der westdeutschen Demokratie beinahe ein Jahrzehnt lang von der Ausforschung der Parteiführung ihres politischen Hauptrivalen. Im Herbst 1963 schied Konrad Adenauer aus dem Amt und lebte nach seinem Tod vier Jahre später als hochverehrter Staatsmann historischen Zuschnitts fort.

Jenseits von Legalität und Legitimität: Politische Inlandsspionage


Die politische Inlandsspionage gehörte von Anfang an zum Repertoire des Auslandsnachrichtendienstes. Bereits die seit 1946 unter amerikanischer Ägide tätige Organisation Gehlen betrieb innen- und parteipolitische Ausforschung wie selbstverständlich. Ihre Übernahme als BND in den Bundesdienst im Frühjahr 1956 änderte daran nichts, im Gegenteil, Inlandsspionage und innenpolitische Präsenz (einschließlich einer verdeckten Imagepolitik) blieben eng miteinander verquickt und dienten zum einen der Wahrung der eigenen Interessen, zum anderen der Machtstabilisierung der Adenauer-Regierung. Entsprechend konsequent betrieb der Gehlen-Apparat die Ausspähung der beiden wichtigsten demokratischen Parteien neben der Union, vor allem der SPD, zeitweise auch der FDP.6 Seine auftrags- und gesetzwidrigen innenpolitischen Geheimoperationen richteten sich keineswegs allein gegen »Links«, sondern nach dem politischen Bedarf des christdemokratischen Partei- und Regierungschefs. (Liaisons des Nachrichtendienstes mit führenden Politikern und Parlamentariern der Union reichten bis in die neunziger Jahre.7)

Konstitutive Bedeutung für Adenauers Watergate gewann die früh geschmiedete, nachgerade symbiotisch zu nennende Allianz von Reinhard Gehlen und Kanzleramtschef Hans Globke. Bereits wenige Monate nach Amtsantritt der bürgerlich-konservativen Bundesregierung im Herbst 1949 begann sich der Gehlen-Dienst als innen-, partei- und personalpolitische Auskunftei bei Globke unentbehrlich zu machen.

Die Spitzenbeamten Gehlen und Globke hatten zur Funktionselite des Dritten Reichs gehört, der General als Chef der Wehrmachtsabteilung Fremde Heere Ost,...

Erscheint lt. Verlag 15.8.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Geschichte Allgemeine Geschichte Zeitgeschichte
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte BND • Bonner Republik • Bundesrepublik • CDU • Geheimberichte • Geheimdienst • Korruption • Machtmissbrauch • Skandal • SPD
ISBN-10 3-8412-3285-X / 384123285X
ISBN-13 978-3-8412-3285-4 / 9783841232854
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