Wer Wind sät (eBook)

(Autor)

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2011 | 1. Auflage
560 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-0046-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wer Wind sät -  Nele Neuhaus
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Wer Wind sät ... wird Mord ernten Kriminalkommissarin Pia Kirchhoff wird zu einem ungewöhnlichen Tatort gerufen: Ein toter Nachtwächter lag mehrere Tage unentdeckt in einem Firmengebäude. Schnell wird klar, es war Mord. Gemeinsam mit Oliver von Bodenstein ermittelt Pia im Umkreis einer Bürgerinitiative, die gegen einen geplanten Windpark kämpft. Dabei stoßen sie auf ein Grundstück im Taunus, das plötzlich zwei Millionen wert ist - und einen Mann das Leben kostet ...  

Nele Neuhaus, geboren in Münster / Westfalen, lebt seit ihrer Kindheit im Taunus und schreibt bereits ebenso lange. Ihr 2010 erschienener Kriminalroman Schneewittchen muss sterben brachte ihr den großen Durchbruch, heute ist sie die erfolgreichste Krimiautorin Deutschlands. Außerdem schreibt die Pferdeliebhaberin Jugendbücher und Unterhaltungsliteratur. Ihre Bücher erscheinen in über 30 Ländern. Vom Polizeipräsidenten Westhessens wurde Nele Neuhaus zur Kriminalhauptkommissarin ehrenhalber ernannt.

Nele Neuhaus, geboren in Münster / Westfalen, lebt seit ihrer Kindheit im Taunus und schreibt bereits ebenso lange. Ihr 2010 erschienener Kriminalroman Schneewittchen muss sterben brachte ihr den großen Durchbruch, heute ist sie die erfolgreichste Krimiautorin Deutschlands. Außerdem schreibt die passionierte Reiterin Pferde-Jugendbücher und Unterhaltungsliteratur. Ihre Bücher erscheinen in über 30 Ländern. Vom Polizeipräsidenten Westhessens wurde Nele Neuhaus zur Kriminalhauptkommissarin ehrenhalber ernannt.

Montag, 11. Mai 2009


Die Sonne war gerade aufgegangen, als er das Gartentor hinter sich schloss und mit geschultertem Gewehr wie jeden Morgen den leicht ansteigenden Weg zum Wald einschlug. Tell, der drahthaarige braune Pudelpointerrüde, trabte ein paar Meter vor ihm her, schnupperte hier und da und nahm mit seiner feinen Nase die tausend Gerüche auf, die die Nacht zurückgelassen hatte. Ludwig Hirtreiter atmete tief die frische, kühle Luft ein und lauschte dem Frühkonzert der Vögel. Auf der Wiese am Waldrand ästen zwei Rehe. Tell blickte zu ihnen hinüber, machte aber keine Anstalten, sie aufzuscheuchen. Er war ein kluger, gehorsamer Hund, der wusste, dass ihn das Wild nur zu interessieren hatte, wenn sein Herr es ihm gestattete.

»Brav so, Junge«, brummte Ludwig Hirtreiter. Von seinem Hof war es nicht weit bis zum Wald. Er passierte die rotweiße Schranke, deren Errichtung vor ein paar Jahren notwendig geworden war, weil die lauffaulen Wochenendspaziergänger aus Frankfurt immer häufiger bis tief in den Wald hineinfuhren. Den Menschen von heute, vor allem den Städtern, fehlte jede Demut vor der Natur. Sie konnten einen Baum nicht vom anderen unterscheiden, plärrten lautstark herum und ließen ihre unerzogenen Hunde selbst in der Schonzeit frei herumlaufen. Manche ergötzten sich sogar daran, wenn diese dann Wild aufstöberten und hetzten. Ludwig Hirtreiter hatte für ein solches Verhalten kein Verständnis. Der Wald war ihm heilig. Er kannte ihn so gut wie seinen Garten, kannte die einsamen Lichtungen, wusste, wo das Wild stand und welche Wege die Wildschweine nahmen. Vor ein paar Jahren hatte er selbst die Hinweistafeln des Waldlehrpfades Lindenkopf entworfen und aufgestellt, um den Unwissenden die Geheimnisse des Waldes näherzubringen.

Die Sonne schickte ihre Strahlen durch das dichte Laub und verwandelte den Wald in eine stille, grüngoldene Kathedrale. An der ersten Weggabelung bog Tell in den rechten Weg ein, als ob er die Gedanken seines Herrchens gelesen hätte. Sie wanderten an der mächtigen Köhlereiche vorbei und erreichten den Kahlschlag, wo ein Sturm im vergangenen Herbst eine Schneise in den Wald gerissen hatte. Plötzlich hielt Ludwig Hirtreiter inne. Auch Tell stand still und spitzte die Ohren. Motorengeräusche! Kurz darauf zerriss das grelle Knattern einer Motorsäge die Stille. Das konnten keine Forstarbeiter sein, denn die hatten um diese Jahreszeit im Wald nichts zu tun. Ludwig Hirtreiter spürte heißen Zorn in sich aufsteigen. Er machte kehrt und marschierte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Sein Herz klopfte heftig. Er hatte geahnt, dass sie sich nicht an die Vereinbarung halten, sondern einfach mit der Rodung beginnen würden, um schon vor der Bürgerversammlung für vollendete Tatsachen zu sorgen.

Minuten später sah er seine Befürchtungen bestätigt. Er bückte sich unter dem rotweißen Flatterband hindurch, das rings um die kleine Lichtung unterhalb des Bergkammes gespannt war, und schaute fassungslos auf die geparkten orangefarbenen Lastwagen und ein halbes Dutzend Männer, die geschäftig hin und her liefen. Erneut kreischte die Motorsäge, Späne flogen. Eine große Fichte schwankte und krachte mit einem Ächzen auf die Lichtung. Diese hinterhältigen Mistkerle! Bebend vor Zorn nahm Ludwig Hirtreiter sein Gewehr von der Schulter und entsicherte es.

»Stopp!«, brüllte er, als die Motorsäge im Leerlauf blubberte. Die Männer wandten sich zu ihm um, schoben die Visiere ihrer Helme hoch. Hirtreiter trat auf die Lichtung, Tell dicht an seiner Seite.

»Verschwinden Sie!«, rief ihm einer der Männer zu. »Sie haben hier nichts zu suchen!«

»Ihr verschwindet!«, entgegnete Ludwig Hirtreiter grimmig. »Und zwar auf der Stelle! Wie kommt ihr dazu, hier Bäume zu fällen?«

Der Vorarbeiter bemerkte das Gewehr und die Entschlossenheit in Hirtreiters Gesicht.

»He, beruhigen Sie sich.« Er hob besänftigend die Hände. »Wir machen nur unseren Job.«

»Aber nicht hier. Raus aus dem Wald, und zwar sofort.«

Die anderen Männer kamen näher. Die Motorsäge war verstummt. Tell knurrte aus tiefer Kehle, und Hirtreiter legte den Zeigefinger an den Abzug. Ihm war todernst. Der Baubeginn war für Anfang Juni angesetzt, diese vorgezogene Rodungsaktion war illegal, selbst wenn sie mit stillschweigendem Einverständnis des Bürgermeisters oder des Landrats geschah.

»Ihr habt genau fünf Minuten, um eure Sachen zu packen und zu verschwinden!«, rief er dem Trupp zu. Keiner rührte sich. Da legte er an, zielte auf die Motorsäge in der Hand des einen Arbeiters und zog den Abzug durch. Ein Schuss krachte. Erst im letzten Moment hatte Ludwig Hirtreiter das Gewehr ein Stück nach oben gezogen, so dass die Kugel etwa einen Meter am Kopf des Mannes vorbeiflog. Ein paar Sekunden standen die Männer wie gelähmt da und starrten ihn fassungslos an. Dann ergriffen sie Hals über Kopf die Flucht.

»Das wird Konsequenzen für Sie haben!«, schrie der Vorarbeiter ihm noch zu. »Ich rufe die Polizei an.«

»Von mir aus.« Ludwig Hirtreiter nickte nur und schulterte sein Gewehr. Niemand würde die Polizei rufen, denn damit würden sie sich nur ins eigene Fleisch schneiden, diese verlogenen Verbrecher.

Beinahe hätte er den scheinheiligen Versprechungen geglaubt. Kein Baum sollte gefällt werden, bevor nicht alles entschieden sei, das hatten sie noch am Freitag hoch und heilig versichert. Dabei mussten sie zu dem Zeitpunkt der Rodungsfirma bereits den Auftrag gegeben haben, gleich am Montagmorgen loszulegen. Er wartete, bis die Lastwagen die Lichtung verlassen hatten und das Motorengeräusch in der Ferne verklungen war, dann lehnte er das Gewehr an einen Baumstamm und machte sich daran, das Absperrband aufzuwickeln. Hier würde kein Baum mehr fallen, solange er das verhindern konnte. Er war bereit für den Kampf.

*

Pia Kirchhoff stand am Gepäckband und streckte gerade die Hand nach ihrem Koffer aus, als es in ihrer Jackentasche leise zirpte. Es dauerte einen Moment, bis sie den Ton mit ihrem Handy assoziierte, das sie kurz nach der Landung wieder angeschaltet hatte. Drei herrliche Wochen lang hatte das Handy geschwiegen und war von einem der wichtigsten Utensilien ihres täglichen Lebens zur völligen Nebensache geworden. Ihr Gepäck war momentan allerdings ungleich wichtiger als der Anruf. Christophs Koffer war einer der ersten gewesen, er war schon hinausgegangen in der Annahme, Pia werde sofort folgen, aber sie hatte geschlagene fünfzehn Minuten warten müssen, denn die Gepäckstücke von Flug Nr. LH729 aus Shanghai erreichten das Förderband in nervtötender Unregelmäßigkeit und mit meterweiten Abständen.

Erst als sie ihren grauen Hartschalenkoffer auf den Gepäckwagen gewuchtet hatte, kramte sie in ihrer Tasche nach ihrem Telefon. Lautsprecheransagen schallten durch die Halle, jemand rammte ihr unsanft seinen Gepäckwagen in die Waden und brachte nicht einmal eine Entschuldigung über die Lippen. Ein weiteres Flugzeug hatte seine Passagiere ausgespuckt, vor der Zollabfertigung gab es einen Stau. Endlich fand Pia das unermüdlich zirpende Handy und ging dran.

»Ich bin grad beim Zoll!«, rief sie. »Rufen Sie später noch mal an!«

»Oh, entschuldige bitte«, erwiderte Hauptkommissar Oliver von Bodenstein am anderen Ende der Leitung. Ihr Chef klang belustigt. »Ich dachte, ihr wärt gestern Abend zurückgekommen.«

»Oliver!« Pia stieß einen Seufzer aus. »Tut mir leid. Unser Flug hatte neun Stunden Verspätung, wir sind eben erst gelandet. Was gibt’s?«

»Ich hab ein kleines Problem«, antwortete Bodenstein. »Wir haben eine Leiche, aber heute um elf ist die standesamtliche Trauung von Lorenz und Thordis. Wenn ich da nicht auftauche, bin ich bei meiner Familie völlig unten durch.«

»Eine Leiche? Wo?« Pia wollte an der Zollabfertigung vorbeigehen, aber eine kleine, dicke Zollbeamtin, die mit ausdrucksloser Miene die vorbeigehenden Passagiere beobachtete, hob die Hand. Offensichtlich hatte Pias letzte Bemerkung ihr Interesse geweckt. Äußerst unklug, wenn man es eilig hatte.

»In einem Firmengebäude in Kelkheim«, sagte Bodenstein. »Die Meldung kam eben rein. Ich schicke unseren Neuen hin, aber es wäre mir lieb, wenn du auch hinfahren könntest.«

»Haben Sie etwas zu verzollen?«, schnarrte die Beamtin.

»Nein.« Pia schüttelte den Kopf.

»Wie – nein?«, fragte Bodenstein erstaunt.

»Nein, ich meine – ja«, entgegnete Pia genervt. »Nein, ich habe nichts zu verzollen. Ja, ich fahre hin.«

»Was denn jetzt?« Die Zöllnerin hob die Augenbrauen. »Öffnen Sie bitte Ihren Koffer.«

Pia klemmte das Handy zwischen Wange und Schulter, fummelte an den Verschlüssen des Koffers und brach sich beim Öffnen einen Fingernagel ab. Das relaxte Urlaubsfeeling löste sich in nichts auf. Der Stress hatte sie wieder.

»Ja, okay, ich fahre hin. Gib mir die Adresse.«

Sie klappte den Koffer auf. Die Zollbeamtin durchwühlte bedächtig Pias nachlässig gepackten Koffer, in der Hoffnung, zwischen der schmutzigen Wäsche womöglich eine illegal eingeführte Ming-Vase, eine geschmuggelte Flasche Schnaps oder mehrere Stangen Zigaretten zu entdecken. Hinter ihr stauten sich andere Reisende. Wütend funkelte Pia die Frau an, die sie nach ergebnisloser Suche mit einem blasierten Kopfnicken entließ. Pia knallte den Kofferdeckel zu, warf den Koffer auf den Gepäckwagen und marschierte zum Ausgang. Die Milchglastüren glitten zur Seite. Hinter der Absperrung wartete Christoph mit einem leicht angestrengten Lächeln im Gesicht, neben ihm stand, deutlich missvergnügt, Pias...

Erscheint lt. Verlag 13.5.2011
Reihe/Serie Ein Bodenstein-Kirchhoff-Krimi
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Bodenstein • Deutschland • Horror • Kirchhoff • Krimi • Leiche • Mord • Spannung • Taunus • Thriller • Umwelt
ISBN-10 3-8437-0046-X / 384370046X
ISBN-13 978-3-8437-0046-7 / 9783843700467
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