Der Kummer von Belgien - Hugo Claus

Der Kummer von Belgien

Roman

(Autor)

Buch | Softcover
824 Seiten
2012 | 2. Auflage
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-93970-5 (ISBN)
24,95 inkl. MwSt
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Neuübersetzung von "Der Kummer von Flandern"

Arne hat alles, was man sich wünschen kann: eine attraktive Freundin, einen durchtrainierten Körper und eine Goldmedaille.
Und doch zerstört er planmäßig sein Leben. Noch Jahre später lässt die Menschen, die ihm nahe standen, eine Frage nicht los: Warum haben wir nichts bemerkt?
Familiensaga, Schelmenroman, satirisches Zeitgemälde und große Parabel auf die Alltäglichkeit des Faschismus. Es ist das Hauptwerk des "wohl bedeutendsten Schriftstellers der niederländischen Gegenwartsliteratur" (Die Welt).
Erzählt wird die Geschichte des kleinen, rotzfrechen Louis Seynaves aus dem flämischen Walle, der zu Beginn am Straßenrand hingerissen den Einmarsch deutscher SS-Verbände in sein Heimatstädtchen verfolgt. Und schnell ist der Leser vertraut mit diesem Kleinstadt-Kosmos - und mit dem Internats-Geheimbund "Die vier Apostel", dem Louis angehört, bis er nach Hause entlassen wird. Zuhause: das sind die Gassen um den Grote Markt, die schummrigen Winkel in der Druckerei des Vaters, und das ist vor allem der Familientratsch am Küchentisch. Jede kleine Denunziation, jede opportunistische Versuchung, sich mit den "Germanen" gegen die Wallonen zu verbünden, jede Episode dieser spannenden Jahre erlebt Louis mit - wie einen Weltalltag.
Claus fügt seine Hunderte von Episoden zu einem epochalen Roman zusammen, spielerisch, humorvoll, mitreißend. Mitzulesen in neuer, meisterhafter Übertragung von Waltraut Hüsmert. Erzählt wird die Geschichte des kleinen, rotzfrechen Louis Seynaves aus dem flämischen Walle, der zu Beginn am Straßenrand hingerissen den Einmarsch deutscher SS-Verbände in sein Heimatstädtchen verfolgt. Und schnell ist der Leser vertraut mit diesem Kleinstadt-Kosmos - und mit dem Internats-Geheimbund "Die vier Apostel", dem Louis angehört, bis er nach Hause entlassen wird. Zuhause: das sind die Gassen um den Grote Markt, die schummrigen Winkel in der Druckerei des Vaters, und das ist vor allem der Familientratsch am Küchentisch. Jede kleine Denunziation, jede opportunistische Versuchung, sich mit den "Germanen" gegen die Wallonen zu verbünden, jede Episode dieser spannenden Jahre erlebt Louis mit - wie einen Weltalltag.
Claus fügt seine Hunderte von Episoden zu einem epochalen Roman zusammen, spielerisch, humorvoll, mitreißend. Mitzulesen in neuer, meisterhafter Übertragung von Waltraut Hüsmert.

Hugo Claus (1929–2008) gilt als der bedeutendste belgische Nachkriegsautor niederländischer Sprache. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in einem katholischen Internat; danach lebte er mehrere Jahre u.a. in Rom, Amsterdam und in den USA. In Paris schloss er sich der Künstlergruppe »Cobra« an, bevor er 1947 mit seinem Gedichtband debütierte. Claus trat auch als Drehbuchautor, Übersetzer (etwa von Georg Büchner und Dylan Thomas), Dramatiker, Maler, Film- und Fernsehregisseur in Erscheinung. Sein Werk umfasst über 150 Buchveröffentlichungen, wurde vielfach ausgezeichnet (u.a. mit dem Preis der Niederländischen Literatur und dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung) und in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

I. DER BESUCH
Dondeyne hatte eines der sieben Verbotenen Bücher unter seinem Kittelhemd versteckt und Louis mit sich gelockt. Die beiden Jungen hockten unter den Schlingpfl anzen in der Grotte der Bernadette Soubirous .
Dondeynes Verbotenes Buch war eine Ausgabe des illustrierten Wochenblatts ABC , einer Zeitschrift der Sozialisten, die zweifellos auf dem Index des Vatikans stand. Sein Bruder hatte sie ihm mitgebracht, als er im Krankenhaus lag. Von dort war er mit einem scharlachroten Ohr zurückgekommen, an dem er oft herumzupfte . Tagsüber lag die Zeitschrift unter seinem Spind, hinter den Schnürstiefeln.
Die vier Seiten, die nun darin fehlten, lagen glänzend und glatt, nur an den Rändern etwas eingerissen, unter dem blauen Packpapier, mit dem die Schublade von Dondeynes Schulbank ausgelegt war. Zur Sicherheit hatte Dondeyne das Papier mit punaises , Reißzwecken, festgeheftet . ("Sag nicht immer punaises , wir haben doch ein fl ämisches Wort dafür", pfl egte Louis' Pate zu sagen, doch das fl ämische Wort benutzte Louis nie, er wurde schon wegen seiner Aussprache oft genug ausgelacht.)
Die aufgeschlagenen Seiten schimmerten in der Sonne; in der Mitte war wegen der ausgezackten Rißkante und des Schattens ein häßlicher Spalt. Louis hätte seine Verbotenen Bücher niemals auseinandergerissen, mochte die Gefahr, entdeckt zu werden, noch so groß sein. Aber Dondeyne war ja auch ein Hottentotte .
Die vier Apostel besaßen zusammen sieben Verbotene Bücher. Vlieghe gehörten drei davon, Liebe im Nebel , ein Programm der Operette Rose Marie und, das riskanteste, eine Biographie des Ketzers und Freimaurers G. B. Shaw . Byttebier besaß Erzählungen aus der Südsee und ein Foto von Deanna Durbin im Unterrock, unan ständig genug, um als Buch durchzugehen. Louis hätte mit seinem Buch wahrscheinlich keinen Ärger bekommen, wenn die Nonnen es gefunden hätten, er hätte es auch offen zwischen die abgegriffenen, angenehm duftenden Davidsfonds -Bücher stellen können, die er sich nach den Osterferien mitgebracht hatte, aber reichte es nicht schon aus, ein Buch heimlich, ins Nachthemd gewickelt, hinter die hohen Mauern der Klosterschule zu schmuggeln ? Der Titel lautete: Die Flämische Flagge. Papa hatte es selbst in den rotbraunen Pappumschlag eingebunden, das war sofort zu erkennen, denn wenn er Bücher band, hackte er die Ränder unter der Schneidemaschine wie unter einer Guillotine schonungslos dicht beim Text ab. In Die Flämische Flagge ging es um rebellische Seminaristen gegen Ende des letzten Jahrhunderts, die, aufgestachelt von langhaarigen Priestern mit Pincenez, einen Geheimbund namens Der stille Schwur gegründet und bei Nacht und Nebel ein Komplott gegen die belgischen, also antifl ämischen Minister und Bischöfe geschmiedet hatten. Louis hatte das Werk zu Hause aus dem Bücherschrank gestohlen, weil Papa einmal behauptet hatte, Pfarrer, die solche Bücher bei ihren Gemeindemitgliedern fänden, würden sogleich mit Exkommunikation drohen. Der Anblick des schäbigen Buchs mit den dünnen, grau gedruckten Buchstaben, das keine einzige Illustration enthielt, hatte die anderen drei Apostel nicht gerade beeindruckt. Nur weil Louis mit übertriebenem Eifer Ursprung und Inhalt geschildert und die Gefahr ausgemalt hatte, hatten sie das mißgestaltete Ding an jenem Abend als Verbotenes Buch akzeptiert und es auf Byttebiers Kopfkissen zu den anderen gelegt, sich dreimal bekreuzigt und gefl üstert : "Im schwarzen Buche - gehn wir auf die Suche - geheim und im stillen - Maria zu Willen." Keiner von ihnen durfte die Verbotenen Bücher lesen, wenn nicht mindestens einer der anderen Apostel mitlas .
Dondeyne und Louis betrachteten die verschwommenen Fotos vom Prozeß gegen einen Bordfunker vor dem Brügger Schwurgericht. Der Vater des Opfers, ein eingefallener Mann mit weißem Spitzbart, trug eine Uniformmütze und sah aus wie der russische Zar, als dieser Rasputin anflehte, seinen an der Bluterkrankheit leidenden Sohn z

Übersetzer Waltraut Hüsmert
Sprache deutsch
Original-Titel Het verdriet van Belgie
Maße 126 x 207 mm
Gewicht 765 g
Einbandart Paperback
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. Jahrhundert • 2. Weltkrieg • belgischer Schriftsteller • Bildungsroman • Else-Otten Preis • Familienroman • flämische Literatur • Flandern • Flandern, Geschichte; Romane/Erzählungen • Kollaboration • Kummer von Flandern • Leipziger Buchpreis • Niederländische Literatur • Weltkrieg 1939-1945 • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-608-93970-9 / 3608939709
ISBN-13 978-3-608-93970-5 / 9783608939705
Zustand Neuware
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