Das Rosenholzzimmer (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
576 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-14273-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Rosenholzzimmer -  Anna Romer
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Als die Fotografin Audrey Kepler das verlassene Thornwood House im ländlichen Queensland erbt, ergreift sie sofort die Chance, ihrem hektischen Leben in Melbourne zu entkommen und einen Neustart zu wagen. In einem entlegenen Zimmer des alten, aber noch immer prächtigen Hauses entdeckt sie die verblasste Fotografie eines gutaussehenden Mannes. Wie sie bald herausfindet, handelt es sich um Samuel Riordan, den vormaligen Besitzer von Thornwood House, und Audreys Interesse ist geweckt. Schließlich erfährt sie, dass Samuel beschuldigt wurde, kurz nach dem Krieg eine junge Frau ermordet zu haben, was Audrey nicht glauben will. Doch als sie immer tiefer in Samuels Geschichte eintaucht, hat Audrey die böse Ahnung, dass der Mörder von damals noch lebt. Und dann droht sich ihr Verdacht auf gefährliche Weise zu bestätigen ...

Anna Romer wuchs in New South Wales in einer Familie von Büchernarren und Geschichtenerzählern auf, weshalb sie sich schon früh für Literatur zu interessieren begann. Sie arbeitet als Grafikerin und hat lange Reisen ins australische Outback, nach Asien, Neuseeland, Europa und Amerika unternommen, wo sie viel Stoff sammelte, den sie in ihren Bildern und Texten verarbeitet. Bereits ihr erster Roman »Das Rosenholzzimmer« lebte von ihrer Faszination für vergessene Tagebücher und Briefe, dunkle Familiengeheimnisse und alte Häuser und ihrer Liebe zur einzigartig schönen australischen Landschaft. Die Autorin lebt in einem abgelegenen Landsitz im nördlichen New South Wales, wo sie an ihrem nächsten Roman schreibt.

1

Audrey, September 2005

Der Himmel über dem Friedhof hing voller Gewitterwolken. Es war erst Nachmittag, doch es wurde bereits dunkel. Eine große Schar von Trauergästen stand im Schutz einer alten Ulme auf dem grasbewachsenen Abhang. In den oberen Ästen wuselte ein unruhiger Schwarm schwarzer Vögel, deren Schreie die Stille durchbrachen.

Krähen. Dunkelheit. Tod.

Das hätte Tony gefallen.

Ich schluckte und wünschte, ich wäre woanders, nur nicht hier, im Regen, in einem geliehenen schwarzen Kleid, und nähme schweigend Abschied von dem Mann, den ich einmal zu lieben glaubte.

Bronwyn stand neben mir. Vor dem dunkelblauen Kleid hoben sich ihr blondes Haar und die helle Gesichtshaut umso stärker ab. Sie war elf, groß für ihr Alter, und auffallend hübsch. Sie hielt einen Regenschirm über unsere Köpfe, mit schmalen blassen Fingern umklammerte sie den Griff.

Trotz des Regens, der Blicke und der gedämpften Stimmen hinter uns war ich froh, dass wir gekommen waren. Egal, was sie sagten, Tony hätte es gewollt.

Der Sarg schwebte an unsichtbaren Drahtseilen über dem Grab. Seitlich davon lag ein Teppich aus Kunstrasen über einem Haufen Erde, mit der man anschließend das Loch wieder zuschütten würde. Riesige Kränze aus weißen Lilien und scharlachroten Flamingoblumen bedeckten den Boden. Sie sahen teuer aus; daneben wirkten meine selbst gepflückten Rosen irgendwie unpassend.

Alles glänzte im Regen: die Messinggriffe des Sargs, die Lilienkränze, die zusammengedrängten Schirme, ja sogar die Glatze des Priesters, der jetzt die Bibel zitierte: »Tief drunten vom Boden her sollst du reden und gebeugt aus dem Staub hervor sprechen, deine Stimme soll der eines Gespenstes aus der Erde gleichen und deine Rede aus dem Staub hervorflüstern.«

Diese uralten Worte wurden durch den Regen gedämpft und mit einer derartigen Feierlichkeit ausgesprochen, dass sie aus einer anderen Zeit zu kommen schienen. Wäre es doch nur wahr! Könnte Tony jetzt zu mir sprechen und erzählen, was ihn in diesen letzten verzweifelten Tagen gequält hatte.

Ein Blitz zuckte quer über den Himmel, dann folgte ein grollender Donner. Die Krähen flogen von den Zweigen auf und flatterten davon.

Bronwyn drückte sich an mich. »Mum?« In ihrer Stimme erkannte ich Panik.

Der Flaschenzug, der den Sarg hielt, setzte sich in Bewegung. Die lange schwarze Kiste senkte sich. Ich ergriff Bronwyns Hand, und wir rückten enger zusammen.

»Alles wird wieder gut, Bron«, versuchte ich, sie zu beruhigen, doch meine Worte klangen schrill und falsch. Wie sollte je wieder alles gut werden?

Ich brauchte etwas, woran ich mich klammern konnte. Tonys Gesicht, wie ich es am liebsten in Erinnerung behalten würde – seine erhitzten Wangen, sein dunkles Haar, das nach allen Seiten abstand, seine leuchtenden saphirblauen Augen, als er das winzige Bündel seiner neugeborenen Tochter auf dem Arm anstarrte.

»Sie ist so schön«, hatte er gemurmelt. »So schön, dass ich mich nicht traue, den Blick von ihr abzuwenden.«

Bronwyn zog mich näher an den Rand des Grabes, und zusammen sahen wir auf den Sarg herab. Es war unfassbar, dass ein Mann, der das Leben so sehr liebte, nun im Regen auf dem morastigen Grund lag. Undenkbar, dass ausgerechnet er so leicht aufgegeben hatte.

Bronwyn küsste das Päckchen, das sie für ihren Vater gemacht hatte, und ließ es auf den Sargdeckel fallen. Darin befanden sich ein Brief an ihn, eine Schachtel mit seinen Lieblingslakritzen und der Schal, den sie ihm zum Geburtstag gestrickt hatte. Ich hörte, wie sie etwas flüsterte, doch ihre Worte gingen im Regen unter. Als ihre Schultern bebten, wusste ich, dass sie weinte.

»Komm.« Wir wandten uns ab und gingen den Hang hinunter zu der Stelle, an der ich meinen alten Celica geparkt hatte. Einige Köpfe wandten sich nach uns um, als wir vorbeigingen, blasse Gesichter vor der grauen Kulisse des Friedhofs.

Ich ignorierte sie, legte den Arm um Bronwyn und ging weiter. Ihr Ärmel war feucht, und durch den Stoff fühlte ich die Kälte ihres Körpers. Sie musste nach Hause, in die vertraute Geborgenheit eines warmen Nests. Sie brauchte Suppe und Toast, einen Schlafanzug und flauschige Pantoffeln …

»Audrey?«

Ich blickte auf und ließ vor lauter Schreck Bronwyn wieder los. Meine Nerven spielten verrückt, mein Mund war wie ausgetrocknet. Diese Angst war albern. Ich holte tief Luft und sagte: »Hallo, Carol.«

Ihr Gesicht war versteinert, man sah ihr die Anspannung an den Augen an. Sie hatte das Haar im Nacken zu einem Knoten geschlungen, und wie üblich war ich überwältigt von ihrer Schönheit.

»Ich freue mich, dass ihr gekommen seid«, sagte sie leise. »Tony hätte es sich gewünscht. Hallo, Bronwyn, Kleines … wie wirst du damit fertig?«

»Gut, danke«, antwortete Bronwyn abweisend und mit gesenktem Blick.

Ich kramte meine klimpernden Wagenschlüssel hervor. »Würdest du bitte im Auto auf mich warten, Bron?«

Sie nahm die Schlüssel und stapfte mit dem auf und ab tanzenden Schirm den nassen Abhang hinunter. Am Fuß des Hügels schlängelte sie sich durch die parkenden Wagen bis zu unserem Celica. Kurz darauf war sie darin verschwunden.

»Wie geht es ihr wirklich?«, wollte Carol wissen.

»Sie kommt schon klar«, erklärte ich, ohne zu wissen, ob es wirklich stimmte.

Wir standen am Abhang, allein. Die Trauergäste eilten durch den Regen zu ihren Autos zurück. Der Friedhof war fast menschenleer. Carol blickte zum Hügel hinauf, sodass ich sie verstohlen betrachten konnte – ihr vollkommenes Gesicht, die teure Garderobe, die aufrechte Haltung. Sie trug ein schwarzes Kleid, eng und elegant, und einen funkelnden Stein am Hals, wahrscheinlich ein Diamant. Feine Krähenfüße umgaben ihre Augen, doch sie schienen ihre strahlende Schönheit nur zu verstärken. Kein Wunder, dass Tony alles für sie aufgegeben hatte.

Als Carol meinen Blick sah, runzelte sie die Stirn. »Ich weiß, was du denkst. Dasselbe wie alle anderen auch … Aber du täuschst dich. Tony und ich waren glücklich, unsere Ehe …« Sie holte zittrig Luft. »Unsere Ehe war genauso stark wie am Anfang. Es ging uns gut, so wie immer.«

»Du solltest nichts merken, Carol.«

Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen waren feucht. »Aber das ist es ja gerade, nicht wahr, Audrey? … Gerade ich hätte es spüren müssen.«

»Niemand trägt Schuld für das, was Tony getan hat. Du kannst dich dafür unmöglich verantwortlich machen.«

»Ich sage mir nur ständig, dass ich mehr hätte tun müssen … besser aufpassen. Aufmerksamer sein. In der Nacht, als er fortging, wusste ich, dass etwas nicht in Ordnung war, verstehst du?«

Ich zog die Augenbrauen hoch. »Wie meinst du das?«

»Na ja … wir waren zu Hause im Wohnzimmer. Ich sah fern, Tony blätterte in der Zeitung. Einmal warf ich einen Blick hinüber zu ihm, und er starrte vor sich hin … Sein Gesicht war ganz blass. Dann stand er auf, faltete die Zeitung zusammen, ging auf die Tür zu und sagte: ›Sie haben ihn gefunden. Sie haben ihn gefunden.‹ Anschließend verließ er das Haus. Ich hörte, wie der Motor ansprang und die Reifen auf den Kieselsteinen in der Auffahrt knirschten. Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah.«

»Was meinte er damit? Wen hatten sie gefunden?«

Carol schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Später blätterte ich durch die Zeitung, die er gelesen hatte, und suchte nach einem Hinweis, fand aber nichts. Nichts, was einen Sinn ergeben hätte. Du kannst dir vorstellen, wie verzweifelt ich war.«

»Hat er nicht angerufen?«

»Nein, das tat die Polizei, zehn Tage später.« Carol kam näher, ihr Blick suchte den meinen. »Es war der schlimmste Schock meines Lebens. Tony war tot, von einem auf den anderen Tag. Als sie mir sagten, man hätte seine Leiche in Queensland gefunden, außerhalb einer kleinen Stadt namens Magpie Creek, glaubte ich, sie meinten jemanden anders. Aber er … er – Herrgott, es kam so unerwartet, so plötzlich. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass er eine Waffe besaß.«

Ich zuckte zusammen, und Carols Augen weiteten sich. Eine einsame Träne hing zitternd an ihrer Wimper.

»Tut mir leid, ich hätte es nicht sagen sollen, aber es ist das, was mich am meisten verwirrt. Tony hatte schreckliche Angst vor Waffen. Er hasste jegliche Art von Gewalt, nicht wahr?«

Seit ich über einen gemeinsamen Freund von Tonys Tod erfahren hatte, stellte ich mir dieselbe Frage. Ich fragte mich, warum Tony, ein glühender Verfechter von Gewaltlosigkeit und Liebe, seinem Leben auf so grausame Art ein Ende gesetzt und uns, die ihn liebten, dies angetan hatte.

Zu meiner Überraschung ergriff Carol mein Handgelenk. »Warum hat er das getan, Audrey? Wie konnte er so egoistisch sein?«

Ihre plötzliche Heftigkeit erschreckte mich. Ich suchte nach Worten des Trosts – für mich ebenso wie für Carol –, doch sie bohrte mir die Finger in den Arm und sagte: »Du warst ihm immer so nah, früher jedenfalls. Hat er dir jemals etwas erzählt – von einem Trauma in der Kindheit, von irgendetwas, das ihn bedrückte? War er jemals krank, während ihr zusammen wart? Er hat nichts genommen, jedenfalls weiß ich nichts davon … Aber vielleicht wollte er mich nicht beunruhigen. Könnte eine andere Frau dahinterstecken? Ach Audrey, egal, wie ich es drehe und wende, ich kann einfach nicht verstehen, warum er das getan hat.«

Ihre gequälten Augen waren von blassrosa Ringen umgeben,...

Erscheint lt. Verlag 25.8.2014
Übersetzer Pociao, Roberto Hollanda
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Thornwood House
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Australien • Charlotte Link • eBooks • Familiensaga • Frauenroman • Frauenromane • Kate Morton • Liebesromane • Lucinda Riley • Queensland • Romane für Frauen • Schatten der Vergangenheit • Schatten der Vergangenheit, Spannungsroman, Frauenroman, Australien, Kate Morton, Lucinda Riley, Charlotte Link, Queensland • Spannungsroman
ISBN-10 3-641-14273-3 / 3641142733
ISBN-13 978-3-641-14273-5 / 9783641142735
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