Eine Handvoll Heldinnen (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
400 Seiten
Diana Verlag
978-3-641-15037-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Eine Handvoll Heldinnen -  Hera Lind
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Augen zu und dem Herzen folgen
Katja lebt nur für Mann, Tochter, Hund und Haushalt, und einen Job wuppt sie auch noch nebenbei. Alle halten das für selbstverständlich, und keiner dankt es ihr. Erst die originelle Nachtklubbesitzerin Erna zeigt ihr, dass man für Dienstleistungen jeder Art auch Anerkennung erwarten kann. Und so ist Erna eine von fünf Heldinnen, durch die sich Katjas Leben plötzlich ändert ...

Hera Lind studierte Germanistik, Musik und Theologie und war Sängerin, bevor sie mit zahlreichen Romanen sensationellen Erfolg hatte. Seit einigen Jahren schreibt sie ausschließlich Tatsachenromane, ein Genre, das zu ihrem Markenzeichen geworden ist. Mit diesen Romanen erobert sie immer wieder die SPIEGEL-Bestsellerliste. Hera Lind lebt mit ihrem Mann in Salzburg, wo sie auch gemeinsam Schreibseminare geben.

1

»Nebenan, is det besetzt oder wat?« Die Sonne verfinsterte sich. Ich schreckte hoch.

»Ähm … Also, im Moment nicht.«

»Denn kann ick mir also den Liegestuhl nehmen?« Ein Flusspferd im grün gemusterten Badeanzug nahm mir die Sicht. Die massige Gestalt mit der rauchigen Stimme flößte mir Angst ein.

»Ja, bitte. Weggegangen, Platz vergangen.« Hastig räumte ich Alberts Klamotten von der Liege und ließ sie unter meinem Liegestuhl verschwinden. War ja nicht so appetitlich, was mein Göttergatte da hinterlassen hatte: seine ausgebeulte Dreiviertelhose, ein grelles Hawaiihemd, Socken, Sandalen, Schnorchel, Flossen … und eine nasse Badehose.

Das Flusspferd schnaufte. Es schien von den Fluten des Ozeans direkt neben mir angespült worden zu sein. Und es sprach berlinerisch. Ich beobachtete das Einparkmanöver: Es ließ sich rückwärts in den Liegestuhl plumpsen, der daraufhin gefährlich ächzte und bis zum Fußboden durchhing.

Doch die dicke Frau hatte es geschafft. Ihr Bauch wölbte sich wie ein Medizinball, ihre vergleichsweise dünnen Beine waren braun gebrannt, und ihre fleischigen Zehen steckten in rosa Strandlatschen. Sie entledigte sich ihrer quietschbunten Strandtasche, steckte sich eine Zigarette an und gab mir die Hand:

»Tach. Anjenehm. Ick bin die Frau Doktor.«

Wie jetzt? Frau Doktor? So sah die aber echt nicht aus.

»Wat kieken Se so? Det is mein Name! Erna Doktor! Musst ich noch nicht mal ’ne Doktorarbeit für schreiben!« Ihr raues Lachen ging in Husten über.

Ich musste grinsen. Humor hatte sie. Und was blieb mir auch anderes übrig, als beherzt ihre fette Pranke zu schütteln? Obwohl ich eigentlich nur meine Ruhe haben wollte.

Denn immer, wenn Albert im Fitnessstudio seine Muskeln stählte, genoss ich die freie Stunde wie eine Mutter, die ihr schwer erziehbares Kind für eine Stunde im Hort unterbringen kann. Ich fühlte mich herrlich frei. Zumal ich gerade in einen Roman vertieft war, mit dem ich lieber allein sein wollte. Er handelte von einer jungen, gut aussehenden, ledigen Amerikanerin, die sich gern von einem jungen, gut aussehenden, ledigen Multimillionär verhauen lässt. Warum ich dabei rote Ohren bekam, war mir schleierhaft. Ich verdeckte schnell den Einband und tat so, als läse ich das Alte Testament in griechischer, hebräischer oder lateinischer Sprache.

»Angenehm«, behauptete ich und schob die Geschichte von der ausgepeitschten Amerikanerin unter mein Handtuch. »Und ich bin Katja Richter.«

»Denn sind wa ja beede zwee kluge Weibsbilder«, stellte das Flusspferd fest.

»Wie?«

»Na, Doktor und Richter. Da müssen andere lange für studieren.«

»Stimmt.« Mir entfuhr ein verdutztes Lachen. »Das klingt allemal vornehmer als die vielen Handwerkernamen: Schneider, Müller, Meier …«

»… Bäcker, Bauer, Koch, Schmied und wie sie alle heißen«, fuhr Frau Doktor fort.

»Schulz, Breuer, Fischer …«

»… Köhler, Metzger, Fleischhauer!«

»Gärtner, Schuster, Kaufmann!«

Wir hauten uns die Namen nur so um die Ohren wie bei einem Tischtennismatch. Die Unterhaltung begann mir richtig Spaß zu machen.

»Aber keen Mensch heißt ›Financial Analyst‹ oder ›Assistant Manager‹«, berlinerte das pfiffige Flusspferd neben mir.

»Oder ›Beauty Stylist‹«, fing ich den Ball auf.

»Nee, wa? ›Nagel-Else‹ schon eher. Oder Hure«, sagte Erna unverblümt. »Juten Tach, ick heeße Hans Heinrich Hure.«

Ich musste lachen. »Kommt ein Mann zum Standesamt und sagt: ›Ich möchte meinen Namen ändern.‹ Kennen Sie den?«

»Nee. Erzählnse ma.«

»Ich heiße Klaus Penner.«

»Na?«

»Ich möchte lieber Peter Penner heißen.«

»Der is jut!« Frau Doktor lachte, dass der Liegestuhl nur so wackelte. »Aber ick schwöre, ick kannte eine, die war sojar Ärztin, wirklich jetzt, die hieß Dr. Ficker. Und dann hat se einen Dr. Penner jeheiratet, und weil Ordnung sein muss, hat se den Doppelnamen Penner-Ficker in ihren Pass eintragen lassen.«

Ich starrte sie an. »Im Ernst?!«

»Dr. Penner-Ficker. War meine Hausärztin in Ballin. – Und wo kommse her, Sie Ulknudel?«

Ulknudel, dachte ich. Der is jut. Det biste selba, wa.

»Das Gegenteil von Berlin. Eine winzige Kleinstadt in Bayern.«

»Wie heeßt det Kaff?«

»Freilassing.«

»Na, det hört sich ja nach Ende eines langen Strafvollzugs an«, bemerkte die dicke Frau Doktor amüsiert. »Wie ’ne freijelassene Ehefrau sehen Sie aber nicht aus!«

War sie nun eine wortgewandte Humorzone oder eine spaßbefreite Kampfemanze?

Der Liegestuhl ächzte, als sie versuchte sich aufzurichten und mir ins Gesicht zu sehen. Frau Doktor spielte mit ihren pink lackierten Zehen. »Schöne Seen, schneebedeckte Berge und glückliche Kühe hamse da, wa? Det is ’ne Bildabuchidylle, wie se am Wannsee nich schöner sein kann.«

»Ja. Nur stiller.«

»Denn versteh ick überhaupt nicht, warum Sie jetzt im Mai hier in Ägypten Urlaub machen!« Sie stieß sich mit den Füßen ab, um ein bisschen Bewegung in ihre Hängematte zu bringen.

Ich überlegte, wohin ich fliehen konnte, ohne die redselige Frau Doktor allzu sehr zu brüskieren. Ich wollte wirklich nur hier sitzen. Na gut … und mit roten Ohren meine Geschichte von der ausgepeitschten Amerikanerin weiterlesen.

»Mein Mann wollte mal mit mir alleine Urlaub machen«, hob ich zu einer Erklärung an. »Wir hatten gerade zwanzigsten Hochzeitstag.«

»Na, denn gratulier ick aber!« Sie stützte sich auf den dicken Ellbogen und musterte mich von der Seite. »Oder soll ick lieber sagen: ›Herzliches Beileid‹?«

Eigentlich traf die Berliner Schnauze den Nagel auf den Kopf.

Ich ließ mich demonstrativ in meinen Liegestuhl zurücksinken und schob mir meinen Sonnenhut übers Gesicht. Die ausgepeitschte Amerikanerin löste sich gerade in Luft auf. Mist! Dabei kniete sie doch gerade nur mit einem Höschen bekleidet vor dem Multimillionär und wartete auf weitere Anweisungen, während beide von vierzigstimmiger (unter uns: o-ber-gei-ler) Chormusik von Thomas Tallis beschallt wurden: »Spem in alium« – Lateinisch für »Hoffnung auf einen anderen.«

»Ick willse ja nicht stören«, behauptete das Flusspferd und rauchte.

Was eigentlich sehr in meinem Sinne war. So, Ende der Sprechstunde.

»Wo ist denn der werte Jatte immer so!?« Die dicke Berlinerin wollte mich leider doch stören.

Der Jatte, den sie hatte, fiel vom Blatte, zitierte ich stumm aus Heinz Erhardts Gedicht »Die Made«. Das traf aber leider nicht zu. Schade für die Made.

»Im Fitnessstudio.« Seufzend richtete ich mich wieder auf. »Er trainiert zweimal täglich. Die Zeit nutze ich gern, um zu LESEN.« Letzteres betonte ich ausdrücklich. Lesen. Buch. Mund halten. Das Alte Testament ist gerade sehr spannend.

Doch sie wollte sich nicht an die Spielregeln halten.

»Ick amüsier mir ja prächtig, wenn ick sehe, wie Ihr Mann immer den Bauch einzieht, sobald wat Frisches daherkommt«, demütigte sie mich weiter und stieß ein glucksendes Lachen aus. »Det hilft dem ollen Jatten aber ooch nicht mehr. Det Testosteron is schon wat ranzig.«

Sie hatte wirklich Humor, wenn auch sehr schwarzen.

Während sie weitere Zigaretten auspackte, damit die auch mal an die frische Luft kamen, fächerte sie sich Sauerstoff zu. Stirnrunzelnd sah ich zu ihr hinüber.

»Sie sind ja eine scharfe Beobachterin!« Alles, was recht war. Ich durfte über meinen Albert ablästern, so viel ich wollte. Unsere gemeinsame Tochter Juli und ich, wir durften uns über seinen albernen Fitnesswahn und seinen übermäßigen Eiweißkonsum amüsieren, die meinen kurzbeinigen, stämmigen Albert auch nicht attraktiver machten, aber seine Muskeln anschwellen ließen wie überstrapazierte Autoreifen. Aber von fremden Dickhäutern mit ausgeblichener Nassfrisur im Nachbarliegestuhl konnte ich mir das nicht unwidersprochen gefallen lassen. Ich hatte den Mann schließlich geheiratet, nicht sie. Keiner hatte mich dazu gezwungen – im Gegenteil! Meine Eltern hatten mir sehr von ihm abgeraten. Was noch stark untertrieben ist: Sie hatten mich seinetwegen enterbt und jeglichen Kontakt zu mir abgebrochen! Die gnadenlose Frau Doktor drehte gerade ihr Skalpell in einer offenen Wunde. Dabei lächelte sie süffisant und beugte sich verschwörerisch zu mir herüber, wodurch ihr mächtiger Busen aus dem Doppel-D-Körbchen rutschte wie ein in sich zusammenfallendes Salzburger Nockerl vom Dessertteller.

»Der kiekt zwar dauernd nach Frischfleisch, hat aber trotzdem kurze Beene und ’ne Glatze. Und diese Janzkörperbehaarung! Mit dem hat der liebe Jott ooch keen Mitleid mehr.«

Na, mit Frau Doktor schien er noch nie welches gehabt zu haben! Albert würde über sie sagen: »Schon lang jenseits der Knuspergrenze.« Aber dass schon Wildfremden auffiel, wie Albert jedem Bikini nachstarrte?

Ich schämte mich bereits seit zwei Wochen für ihn und floh Tag für Tag in mein schattiges Eck am Rande der Hotelanlage, um nicht weiter aufzufallen. Unsere...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2015
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte eBooks • Frauenfreundschaft • Frauenromane • frühe Oma • Göttergatte • Hochzeitstag • Hochzeitstag, Jakobsweg, Frauenfreundschaft, Göttergatte, neues Leben, frühe Oma • Jakobsweg • Liebesromane • Neues Leben • Österreich • Romane für Frauen
ISBN-10 3-641-15037-X / 364115037X
ISBN-13 978-3-641-15037-2 / 9783641150372
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