Fahrenheit 451 (eBook)

(Autor)

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2015 | 2. Auflage
240 Seiten
Diogenes (Verlag)
978-3-257-60749-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Fahrenheit 451 -  Ray Bradbury
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Fahrenheit 451 ist die Temperatur, bei der »Bücherpapier Feuer fängt und verbrennt«. In Ray Bradburys Zukunftsvision ist die Feuerwehr nicht mehr mit Wasserspritzen ausgerüstet, sondern mit Flammenwerfern, die genau diesen Hitzegrad erzeugen, um die letzten Zeugnisse individualistischen Denkens die Bücher zu vernichten. Da beginnt der Feuerwehrmann Guy Montag, sich Fragen zu stellen Die beängstigende Geschichte von einer Welt, in der das Bücherlesen mit Gefängnis und Tod bestraft wird, ist ein zeitloses Plädoyer für das freie Denken.

Ray Bradbury, geboren 1920 in Waukegan (Illinois), wurde gleich mit seinem ersten Roman ?Fahrenheit 451?, den François Truffaut verfilmte, berühmt. Bekannt für seine Science-Fiction schrieb Bradbury auch Kinderbücher, Gedichte und Drehbücher wie jenes zu ?Moby Dick? von John Huston. Ray Bradbury starb 2012 in Los Angeles.

Ray Bradbury, geboren 1920 in Waukegan (Illinois), wurde gleich mit seinem ersten Roman ›Fahrenheit 451‹, den François Truffaut verfilmte, berühmt. Bekannt für seine Science-Fiction schrieb Bradbury auch Kinderbücher, Gedichte und Drehbücher wie jenes zu ›Moby Dick‹ von John Huston. Ray Bradbury starb 2012 in Los Angeles.

[99] Sie lasen den langen Nachmittag hindurch, während ein kalter Novemberregen auf das stille Haus herabrauschte. Sie saßen im Flur, weil das Wohnzimmer leer und grau wirkte, nachdem die Wand ringsum nicht mehr in allen Farben schillerte, mit Frauen in goldenem Flitter und Männern in schwarzem Samt, die aus Zylinderhüten überlebensgroße Kaninchen hervorzauberten. Das Wohnzimmer war tot, und Mildred guckte immer wieder mit stumpfen Augen hinein, während Montag auf und ab ging und sich wieder hinkauerte und eine Seite bis zu zehn Mal laut vorlas.

»›Es lässt sich nicht genau sagen, in welchem Augenblick eine Freundschaft entsteht. Wenn ein Gefäß tropfenweise gefüllt wird, kommt zuletzt ein Tropfen, der es zum Überfließen bringt, und ähnlich verhält es sich bei einer Reihe von Freundlichkeiten, wo zuletzt eine kommt, die das Herz zum Überfließen bringt.‹«

Montag saß da und lauschte auf den Regen.

»Verhielt es sich so mit dem Mädchen von nebenan? Ich wurde einfach nicht klug daraus.«

»Sie ist tot. Sprechen wir doch um Himmels willen von jemandem, der am Leben ist.«

Ohne seine Frau anzusehen, schritt Montag erregt durch den Flur in die Küche, wo er lange am Fenster stand und [100] dem Regengeriesel an der Scheibe zuschaute; erst als sich sein Zittern gelegt hatte, kehrte er wieder in den dämmrigen Flur zurück.

Er schlug ein anderes Buch auf.

»›Lieblingsthema: Ich.‹«

Er schielte zur Wand hinüber. »›Lieblingsthema: Ich.‹«

»Das kann ich zumindest verstehen«, meinte Mildred.

»Aber bei Clarisse war es nicht das Lieblingsthema. Sie befasste sich am liebsten mit allen andern und mit mir. Sie war seit vielen Jahren der erste Mensch, den ich wirklich gern hatte. Sie war der erste Mensch, der sich ernsthaft mit mir abgab.« Er hob die beiden Bücher empor. »Die Verfasser hier sind schon lange tot, aber für mich führen ihre Worte von dieser oder der anderen Seite zu Clarisse.«

Draußen vor der Haustür, im Regen, ein leises Kratzen.

Montag erstarrte. Er sah, wie Mildred sich gegen die Wand warf und nach Luft rang.

»Jemand – die Tür – warum meldet es die Türstimme nicht.«

»Ich habe sie abgestellt.«

Unter der Türschwelle ein behutsames Schnüffeln, ein elektrischer Hauch.

Mildred lachte erlöst. »Es ist ja nur ein Hund. Soll ich ihn verscheuchen?«

»Rühr dich nicht vom Fleck!«

Stille. Das Rauschen des kalten Regens. Und unter der Türschwelle der Geruch von blauem Strom.

»Machen wir uns wieder an die Arbeit«, sagte Montag ruhig.

Mildred stieß ein Buch mit dem Fuß weg. »Bücher sind [101] keine Menschen. Du liest vor, aber wenn ich mich umschaue, ist niemand da!«

Er blickte zum Wohnzimmer, das tot und grau war wie die Gewässer eines Meeres, in dem es sofort von Lebewesen wimmeln würde, sobald man die elektronische Sonne einschaltete.

»Meine ›Familie‹ dagegen«, sagte Mildred, »besteht aus Leuten. Sie erzählen mir was, ich lache, sie lachen mit. Und dann die Farben!«

»Ja, ich weiß.«

»Und außerdem, wenn Hauptmann Beatty Wind bekäme von diesen Büchern –« Sie malte sich die Folgen aus. Erstaunen stand ihr auf die Stirn geschrieben und dann Entsetzen. »Er könnte kommen und das Haus niederbrennen und die ›Familie‹. Das wäre ja furchtbar. Denk doch, wie viel Geld wir da hineingesteckt haben. Warum soll ich Bücher lesen? Wozu?«

»Wozu! Warum!«, rief Montag. »Ich habe kürzlich die schlimmste Schlange der Welt gesehen. Sie war tot und doch lebendig. Sie konnte sehen und konnte doch nicht sehen. Willst du die Schlange sehen? Du findest sie im Krankenhaus in der Unfallabteilung, wo sie Bericht führen über all den Müll, den die Schlange aus dir herausgeholt hat! Möchtest du nicht gehen und Einblick nehmen? Du müsstest wohl unter Guy Montag nachschlagen oder vielleicht unter Lebensangst oder unter Krieg. Möchtest du nicht das Haus besichtigen, das vorige Nacht in Flammen aufging? Die Asche durchkämmen nach den Knochen der Frau, die ihr eigenes Haus in Brand steckte? Und Clarisse McClellan, wo finden wir sie? Im Leichenhaus! Horch!«

[102] Die Bomber durchkreuzten den Luftraum über dem Haus, immer wieder, röchelnd, raunend, pfeifend, wie ein riesiger unsichtbarer Ventilator, in der Leere kreisend.

»Herrgott«, rief Montag. »Stunde um Stunde immer diese Dinger am Himmel. Wie zum Henker sind denn diese Bomber eigentlich dort hinaufgekommen, ohne dass jemand ein Wort darüber verliert? Nicht einen Augenblick ist Ruhe. Zwei Atomkriege haben wir entfesselt und gewonnen. Ist es, weil wir so viel Spaß haben in unserem Lande, dass wir nicht mehr an die Welt denken? Weil die übrige Welt so arm ist wie wir reich, und kein Mensch sich drum schert. Es gibt Gerüchte, die Welt sei am Verhungern, aber wir sind wohlgenährt. Ist es wahr, dass sich in der Welt draußen die Menschen abschuften, während wir für das Vergnügen leben? Ist das der Grund, warum wir so verhasst sind? Ich habe von Zeit zu Zeit von diesem Hass gehört, im Laufe der Jahre. Weißt du etwa warum? Ich weiß es jedenfalls nicht. Vielleicht helfen die Bücher uns halbwegs aus dem Dunkel. Sie könnten verhindern, dass wir immer wieder dieselben unsinnigen Fehler machen. Die idiotischen Brüder auf deiner Wohnzimmerwand habe ich allerdings noch nie davon reden hören. Eine Stunde, zwei Stunden mit diesen Büchern, wer weiß…«

Das Telefon klingelte. Mildred stürzte an den Apparat.

»Anna!« Sie lachte. »Ja, heute Abend läuft der Weiße Clown!«

Montag ging in die Küche und warf das Buch hin. »Montag«, sagte er, »du bist wirklich dumm. Was fangen wir jetzt an? Liefern wir die Bücher ab, vergessen wir das Ganze?« Er schlug das Buch auf, um zu lesen, während Mildreds Gelächter an sein Ohr drang.

[103] Arme Millie, dachte er. Armer Montag, du kannst damit auch nichts anfangen. Aber wo findest du Hilfe, wo findet sich jetzt noch ein Lehrer?

Halt. Er schloss die Augen. Ach ja, natürlich. Wieder fiel ihm unwillkürlich der grüne Park ein. In letzter Zeit war ihm oft der Gedanke daran gekommen, aber jetzt sah er deutlich vor sich, wie es zugegangen war damals vor einem Jahr im Stadtpark, als er den alten Mann im schwarzen Anzug dabei ertappt hatte, wie er rasch etwas wegsteckte.

…Der Alte sprang auf, als wollte er davonlaufen. Montag sagte: »Warten Sie!«

»Ich habe nichts getan!«, rief der Greis zitternd.

»Hat auch niemand behauptet.«

Ohne ein Wort zu sprechen, hatten sie eine Weile in dem sanften grünen Licht gesessen, und dann machte Montag eine Bemerkung über das Wetter, und der Alte gab leise Antwort. Es war eine seltsam stille Begegnung. Der Greis machte kein Hehl daraus, früher Professor für englische Literatur gewesen zu sein, ehe er vor vierzig Jahren auf die Straße gesetzt wurde, als die letzte philosophische Fakultät mangels Zuspruch ihre Pforten schloss. Er hieß Faber, und als er schließlich seine Furcht vor Montag verlor, sprach er mit einer melodischen Stimme, den Blick auf den Himmel, die Bäume, den grünen Park gerichtet, und als eine Stunde verstrichen war, sagte er etwas zu Montag, und Montag ahnte, dass es ein reimloses Gedicht war. Dann wurde der alte Mann noch mutiger, und er sagte noch etwas, und wiederum war es ein Gedicht. Faber hielt die Hand über seine linke Jackentasche, als er behutsam die paar Worte sprach, und Montag wusste, wenn er die Hand ausstreckte, könnte er [104] dem Mann einen Band Gedichte aus der Tasche ziehen. Allein, er streckte die Hand nicht aus, er behielt sie auf den Knien, ganz klamm geworden und nutzlos. »Ich spreche nicht über Dinge«, erklärte Faber. »Ich spreche über den Sinn der Dinge. Ich sitze hier und weiß, dass ich am Leben bin.«

Das war alles, was es damit auf sich hatte. Eine Stunde einseitigen Gesprächs, ein Gedicht, eine Erklärung, und dann, ohne darauf anzuspielen, dass Montag bei der Feuerwehr war, schrieb ihm der Greis mit zittriger Hand seine Adresse auf. »Für Ihre Kartei«, bemerkte er, »falls Sie davon Gebrauch machen wollen.«

»Ich habe nichts gegen Sie«, sagte Montag verblüfft.

Mildred kam am Telefon aus dem Lachen nicht heraus.

Montag ging zum Schlafzimmerschrank und suchte in seiner Kartei nach der Überschrift: KÜNFTIGE UNTERSUCHUNGEN. Fabers Name stand hier. Er hatte ihn nicht angezeigt und auch nicht gestrichen.

An einem Nebenanschluss wählte er Fabers Nummer. Der Apparat am andern Ende rief ein Dutzend Mal Fabers Namen, ehe der Professor sich mit dünner Stimme meldete. Montag nannte seinen Namen, und ein längeres Schweigen trat ein. »Ja, Mr. Montag?«

»Professor, ich habe eine etwas ausgefallene Frage an Sie. Wie viele Exemplare der Bibel gibt es noch im ganzen Lande?«

»Wovon reden Sie eigentlich?«

»Ich möchte wissen, ob überhaupt noch irgendwelche Exemplare vorhanden sind.«

[105] »Sie wollen mir eine Falle stellen! Ich kann doch nicht irgendjemandem am Telefon Auskunft geben!«

»Wie viele Exemplare von Shakespeares Werken, von Plato?«

»Kein einziges! Sie wissen es so gut wie ich. Kein einziges!«

Faber hängte auf.

Montag legte den Hörer hin. Nicht ein einziges. Die Tatsache war ihm natürlich bekannt, es...

Erscheint lt. Verlag 28.10.2015
Übersetzer Fritz Güttinger
Verlagsort Zürich
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Abscheu • Belletristik • Bücher • Bücherlesen • Einfluss • Flugzeuge • Fotomodell • gebrochener Knöchel • Gefängnis • Gesellschaft • Hotelkritikerin • Ingeborg Bachmann • Klassiker • Literatur • Orwell • prima • Science-fiction • Tod • verschollen • Zukunft
ISBN-10 3-257-60749-0 / 3257607490
ISBN-13 978-3-257-60749-9 / 9783257607499
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