Der heulende Müller (eBook)

Roman
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2016 | 1. Auflage
240 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7325-3153-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der heulende Müller -  Arto Paasilinna
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In einem Dorf im Norden Finnlands taucht ein Mann namens Huttunen auf. Er setzt die alte Mühle wieder instand, und die Dörfler staunen.

Huttunen ist nicht nur bärenstark, er hat zudem eine befremdliche Angewohnheit: Er verfällt bisweilen in tiefe Traurigkeit - und heult wie ein Wolf. Um ihren Schlaf gebracht, wollen die Dorfbewohner den Sonderling schließlich ins Irrenhaus einweisen.

Doch Huttunen kann fliehen und versteckt sich in der Wildnis der Wälder. Die Jagd auf den heulenden Müller beginnt ...



Arto Paasilinna (*1942-?2018) wurde in Kittilä geboren. Er war Journalist und einer der populärsten Schriftsteller Finnlands. Insgesamt hat er 35 Romane veröffentlicht, von denen einige verfilmt wurden. Seine Schilderungen finnischer Männer und deren unverwüstliche Einstellung zum Leben haben einen festen Platz im Kanon der finnischen Literatur. Seine Werke wurden in über 40 Sprachen übersetzt und mit renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet.

Arto Paasilinna (*1942-†2018) wurde in Kittilä geboren. Er war Journalist und einer der populärsten Schriftsteller Finnlands. Insgesamt hat er 35 Romane veröffentlicht, von denen einige verfilmt wurden. Seine Schilderungen finnischer Männer und deren unverwüstliche Einstellung zum Leben haben einen festen Platz im Kanon der finnischen Literatur. Seine Werke wurden in über 40 Sprachen übersetzt und mit renommierten Literaturpreisen ausgezeichnet.

3


Kaum war das Hochwasser gesunken, reparierte Gunnar Huttunen die Schäden, die an seiner Mühle entstanden waren. Er bestellte beim Sägewerk drei Fuhren Holzwaren: Sparren, Bohlen und Bretter. Beim Kaufmann Tervola kaufte er zwei Kisten mit Nägeln, in der einen Kammnägel, in der anderen Vierzöller. Dann stellte er drei unbeschäftigte Knechte aus dem Dorf dazu an, Pfähle in das gebrochene Wehr zu rammen. Nach ein paar Tagen ließ sich die Kraft des Mühlenflusses mittels der ins reparierte Wehr eingelassenen Klappe wieder regulieren. Huttunen zahlte die Knechte aus und setzte als Nächstes den Wasserkasten instand. Den Teil zwischen dem Wehr und dem Wasserrad der Schindelmaschine erneuerte er ganz und gar. Dabei verbrauchte er anderthalb Fuhren fünfzölliger Bohlen.

Es waren schöne, sommerliche Tage. Das Wetter war windig und mild, die Stimmung des Müllers die allerbeste. Huttunen war ein geschickter Mann, er genoss die Zimmermannsarbeit. Die Reparaturen nahmen ihn so sehr in Anspruch, dass er sich kaum Zeit zum Schlafen ließ. Morgens erschien er bereits gegen vier, fünf Uhr am Wasserkasten, schnitt bis Tagesanbruch Sparren und Bohlen zurecht, ging kurz in die Mühlenstube, um sich einen Kaffee zu kochen, und kehrte bald wieder an seine Arbeit zurück. In der heißesten Mittagszeit zog er sich für ein, zwei Stunden in die Stube zurück. Er legte sich hin und schlief auch oft ein, um am Nachmittag munter und voller Arbeitseifer wieder aufzuwachen. Sobald er gegessen hatte, eilte er zum Wasserkasten. Noch bis Einbruch der Nacht dröhnten an der Suukoski-Mühle die Schläge von Axt und Hammer.

Im Dorf hieß es, Kunnari sei auf zweierlei Art verrückt, einmal, was seinen Verstand, und zum anderen, was sein Verhältnis zur Arbeit betreffe.

Nach anderthalb Wochen war der Wasserkasten fertig und dicht. Er ließ das Wasser des Mühlenflusses vom oberen Wehr dorthin fließen, wohin es sollte und wo es die Mühle und die Schindelmaschine antrieb. Huttunen machte sich nun daran, das Wasserrad der Schindelmaschine zu reparieren. Die Schaufeln mussten vollständig erneuert werden, sie waren ohnehin morsch gewesen. Aber immerhin war die Achse noch brauchbar, wie Huttunen feststellte. Wenn er die Lager auswechselte, wäre alles in Ordnung. Huttunen zog sich bis auf die Unterhose aus und stieg in den Fluss, um das reparierte Wasserrad einzusetzen. Da traf ein reizender Gast bei der Mühle ein.

Auf der Fuhrbrücke erschien eine Frau, sie war um die Dreißig, wirkte frisch und blühend. Sie trug ein geblümtes Sommerkleid und um den Kopf ein helles Tuch. Sie war hübsch und wohlgerundet, aber ihre Stimme war zart wie die eines Mädchens, und so hörte der Müller durch das Brausen des Wasserfalls nicht, als sie zu ihm hinunterrief: »Herr Huttunen! Herr Huttunen!«

Sie betrachtete den fast nackten Mann, der sich da im Fluss abmühte. Der schlanke und sehnige Müller kämpfte gegen das kalte Wasser und versuchte verbissen, das Rad an seinen Standort zu bringen, doch die Achse wollte einfach nicht auf den Zapfen, der Druck des Wassers war zu stark. Unter Aufbietung aller Kraft gelang es ihm schließlich doch, das große Rad einzusetzen. Er ließ es los, und sofort füllten sich die Schaufeln mit Wasser, es drehte sich, zuerst langsam, dann immer schneller. Huttunen trat einen Schritt zurück, betrachtete das Rad und konstatierte: »Hast es ja doch kapiert, verdammt.«

Nachdem er das Wasser gebändigt hatte, hörte er eine helle Frauenstimme rufen:

»Herr Huttunen!«

Der Müller wandte sich in die Richtung, aus der die Stimme kam. Eine schöne Frau stand auf der Brücke. Sie hatte ihr Kopftuch abgenommen und winkte lockend damit. Sie hatte naturkrauses blondes Haar und sah wirklich reizend aus, wie sie da in Sonne und Wind auf der Brücke stand. Huttunen betrachtete sie von unten aus dem Fluss und registrierte, dass sie sehnige Waden und feste Schenkel hatte. Sogar ihren Schlüpfer konnte er unter dem wehenden Kleid sehen, einschließlich der Nahtstrümpfe und Strumpfbänder. Sie merkte nicht, wie viel sie von sich preisgab, oder sie schämte sich nicht, ihre Schenkelpartie zu zeigen. Huttunen kämpfte sich aus dem Wasser, griff sich seine Sachen von der Brücke und zog sich schnell an. Die Frau kam näher, drehte sich zu ihm um und reichte ihm die Hand.

»Ich bin die Klubberaterin Sanelma Käyrämö.«

»Sehr angenehm«, brachte Huttunen heraus.

»Ich bin hier die neue Klubberaterin. Ich suche jedes Haus auf, auch wenn keine Kinder in der Familie sind. Bis jetzt bin ich schon in sechzig Häusern gewesen, aber das sind noch längst nicht alle.«

Klubberaterin? Was hatte eine Beraterin der Landwirtschaftsklubs in der Mühle zu tun?

Sanelma Käyrämö erklärte:

»Die Bäuerin Viittavaara vom Nachbarhof sagte mir, dass Sie hier allein wohnen, und so habe ich beschlossen, auch zu Ihnen zu kommen. Denn auch ein Alleinstehender kann Gemüse anbauen.«

Eifrig begann die Klubberaterin, ihre Idee darzulegen. Sie erklärte, der Anbau von Gemüse sei auf dem Land das Beste, was man sich denken könne: Man habe dadurch eine vortreffliche Zusatznahrung, bekomme Vitamine und Spurenelemente. Schon eine Kräuter- und Gemüseparzelle von einem halben Ar bringe – natürlich wenn man sie gut pflege – so viel Ernte, dass eine kleine Familie mit allerlei Gesundem und Erfrischendem für den Winter versorgt sei. Man müsse sich nur entschlossen ans Werk machen und die Sache richtig anpacken. Es lohne sich wirklich!

»Ja, Herr Huttunen, sollten wir da nicht auch für Sie einen netten kleinen Gemüsegarten anlegen? Gemüse ist heutzutage so sehr in Mode, dass es überhaupt keine Schande ist, wenn auch ein Mann es anbaut und isst.« Huttunen wehrte ab. Er sagte, er sei ein alleinstehender Mann, ihm genüge es, wenn er hin und wieder beim Nachbarn einen Sack Rüben kaufe, falls er mal besonderen Bedarf habe.

»Kommt gar nicht in Frage! Wir nehmen die Sache jetzt sofort in Angriff. Ich gebe Ihnen ein paar Samen für den Anfang. Lassen Sie uns gleich eine passende Stelle für das Gartenland aussuchen. Keiner, der sich zum Gemüseanbau entschlossen hat, hat die Sache bisher bereut.«

Huttunen versuchte einen letzten Appell:

»Aber ich bin doch … ein bisschen verrückt. Hat man Ihnen das nicht im Kirchdorf erzählt, Fräulein?«

Die Klubberaterin winkte mit ihrem Tuch geringschätzig ab, so als hätte sie bereits ihr Leben lang mit Geistesgestörten zu tun. Sie fasste den Müller energisch bei der Hand und führte ihn zum Mühlenhang. Dort zeichnete sie die Grenzen des künftigen Gemüsegartens in die Luft. Die Augen des Müllers folgten ihrer Hand. Das Gelände schien allzu reichlich bemessen; er schüttelte den Kopf. Die Klubberaterin verkleinerte die Fläche ein wenig, und damit schien die Sache unabänderlich. Die Beraterin brach vier Birkenzweige ab, mit denen sie die Ecken der Parzelle absteckte.

»Für einen Mann Ihrer Größe ist das Stück durchaus nicht zu viel«, sagte sie und holte eine Aktentasche vom Gepäckträger ihres Fahrrades. Sie setzte sich ins Gras und entnahm der Tasche eine Anzahl Papiere, die sie vor sich ausbreitete. Der Wind wehte die Blätter auseinander, und Huttunen sammelte sie wieder ein. Er fand es wunderbar und beglückend: Wenn er der Beraterin die Papiere reichte, lächelte sie reizend und bedankte sich. Der Müller wurde so froh, dass er am liebsten vor lauter Glück ein Geheul angestimmt hätte; viel fehlte nicht, aber er beherrschte sich. Es war angebracht, sich vor einer solchen Frau normal aufzuführen, wenigstens am Anfang.

Die Beraterin schrieb den Müller Gunnar Huttunen als Mitglied im Landwirtschaftsklub ein. Sie zeichnete einen Grundriss des Gartens und notierte darin die Namen der anzubauenden Pflanzen – rote Rüben, Mohrrüben, Steckrüben, Erbsen, Zwiebeln und Gewürzpflanzen. Auch Frühweißkohl wollte sie ihm empfehlen, strich ihn aber wieder aus, da es im Kirchdorf keine Setzlinge gab.

»Vielleicht sollten wir uns für die erste Ernte mit den gewöhnlichen Sorten begnügen. Mit zunehmender Erfahrung können wir dann die Auswahl erweitern«, entschied sie. Sie übergab Huttunen einige Samentüten, die sie erst bei ihrem nächsten Besuch abkassieren wollte.

»Wir müssen ja erst sehen, ob sie aufgehen … Aber ich bin sicher, dass Sie, Herr Huttunen, bald das Wunder neuen Werdens und Wachsens erleben werden.«

Huttunen äußerte Zweifel, ob er beim Gartenbau Erfolg haben werde. Er erklärte, er habe sich nie zuvor mit diesen Dingen befasst.

Die Beraterin hielt das Problem für völlig unerheblich und hielt ihm stattdessen einen Vortrag über den richtigen Anbau von Pflanzen. Sie gab ihm genaue Anweisungen, wie der Boden bearbeitet und gedüngt werden müsse, welcher Reihenabstand für die einzelnen Sorten der geeignetste sei und wie dicht und wie tief der Samen zu legen sei, damit alles wohl gelinge. Bald gewann Huttunen den Eindruck, dass Gartenbau die angenehmste Beschäftigung und speziell für ihn besonders geeignet sei, da er in der Mühle durchaus nicht den ganzen Sommer über zu tun haben würde. Er versprach, sich sofort ans Werk zu machen, und holte auch gleich Hacke und Spaten aus dem Schuppen. Die Beraterin schaute zu, wie der große Mann den Spaten in den Boden stieß und einen großen Klumpen Erde herausriss, den er umgedreht in die entstandene Vertiefung zurückwarf. Sie bückte sich, um die Erde zu befühlen, rieb sie zwischen den Fingern, schnupperte daran und meinte lobend, einen besseren Gemüseacker gebe es nirgendwo. Da sie sich die Hand schmutzig gemacht hatte, rannte Huttunen in die Mühle, holte einen Zinkeimer, stieg damit in den Fluss und schöpfte Wasser, um es der Beraterin zu bringen.

»Ach, das wäre doch nicht nötig gewesen«, meinte sie...

Erscheint lt. Verlag 14.6.2016
Übersetzer Regine Pirschel
Sprache deutsch
Original-Titel Ulvova Mylläri
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 20. - 21. Jahrhundert • Buch Arto Paasilinna • Buch mit Schauplatz Finnland • Buch skurril • Comedy • Comedy / Satire • Finnland • Humor • Humor Bestseller • Humor Geschenkbuch • humorvolle Romane • Ironie • Komik • Komödie • Lachen • Litcom • lustig • lustige Romane • lustiges Buch • Sarkasmus • Sonstige Belletristik • Witz • witzig • witzige Bücher
ISBN-10 3-7325-3153-8 / 3732531538
ISBN-13 978-3-7325-3153-0 / 9783732531530
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