FLITTERLEBEN (eBook)
328 Seiten
Morawa Lesezirkel (Verlag)
978-3-99057-198-9 (ISBN)
Susanna Schweitzer ist gebürtige Wienerin. Die Fähigkeit sich in andere Personen einzufühlen begleitet sie bereits ihr ganzes Leben. Beruflich brachte sie diese Fähigkeit zunächst zur Einstellungs- und Verhaltensforschung. Seit 2005 ist Susanna Inhaberin der Beratungsfirma Unternehmens-Coach und unterstützt Personen, Teams und Unternehmen beim Erreichen ihrer Ziele, sie hält selbst Wunder für möglich. Als Unternehmensberaterin, Mentaltrainerin und Coach mit Systemischem Beratungshintergrund begleitet sie Menschen in Veränderungs- und Entwicklungsphasen. Die jahrelange Vertiefung in Systemische Methoden (insbesondere auch Systemische Aufstellungen), verbunden mit dem eigenen stetigen Streben nach persönlicher Weiterentwicklung, führte zu ihrer individuellen, nachhaltig wirksamen Coaching-Methode. Die daraus resultierenden Leitgedanken lässt sie in ihr Buch in Form von 'Wunder-Worten' einfließen.
Abschied
Wir kommen nach Mahdia zurück, als es schon dunkel ist. Starker Wind kommt auf, der sich in Folge zu einem richtigen Sturm ausweitet. Palmwedel werden abgerissen und liegen auf der Straße, Sandwolken werden uns ins Gesicht gewirbelt. Ich stelle mir vor, wie solch ein Sturm für die Wüstenbewohner der Sahara sein muss. Vielleicht sind Ramzis Urgroßväter aus diesem kargen unwirtlichen Landstrich gekommen und haben sich gefreut, hier eine fruchtbare Gegend zu finden. Sie haben schwer gearbeitet, haben Olivenbaum um Olivenbaum selbst mit der Hand in die rote Erde gepflanzt und jahrelang die Bäume betreut und geschnitten, auf Regen gehofft und nach langen Mühen die ersten Oliven geerntet, die eine neue Lebensgrundlage für die Familie geboten haben.
Ich gehe zunächst ins Hotel um zu packen und mit Iris zu Abend zu essen. Wir machen uns hübsch zur Feier des Tagens und schießen noch einige Fotos an unserem letzten Urlaubsabend. Iris bemerkt eine gewisse Wehmut bei mir und spricht mich darauf an. Ich erzähle ihr, dass auch Lena, meine Tochter, mit der ich zuvor telefoniert hatte, das bemerkt hat. Selbstverständlich hatte ich sie laufend telefonisch über die Ereignisse informiert und als sie meine Traurigkeit bemerkte, meinte sie lakonisch: „Na, dann heirate ihn halt.“ Iris findet diese pragmatische Sichtweise lustig und erfrischend. „Ja, warum soll man nicht alles andenken, was theoretisch möglich wäre?“
Nein, also das ist nicht einmal theoretisch für mich möglich, doch vielleicht muss es mit meiner Abreise nicht ganz vorbei sein zwischen uns. Vielleicht schreiben wir uns noch ab und zu. Oder ich könnte noch einmal wiederkommen.
‚Vergiss es‘, sagt eine innere Stimme, ‚in ein paar Wochen spricht er die nächste Frau an, und auch dein Leben geht weiter. Für eine Fernbeziehung bist du nicht geeignet, vor allem nicht in dieser Konstellation. Zu vieles steht dazwischen, 2000 Flugkilometer, unterschiedliche Kulturen und letztlich natürlich auch unterschiedliche Lebensabschnitte.‘
Grundsätzlich ist mir klar, diese innere Stimme ist die Stimme meines Verstandes. Er ist immer vernünftig. Er analysiert und stellt Informationen zur Verfügung. Das ist so angelegt zu unserem Schutz und unserem Fortbestehen. Doch findet genau dadurch auch immer Bewertung und Beurteilung statt, welche in Vorurteil und Verurteilung gipfeln kann.
‚Ja lieber Verstand, du hast vollkommen recht. Es ist schön, das hier erlebt zu haben … erleben zu dürfen, denn noch bin ich da und eine gemeinsame Nacht wird uns noch geschenkt.‘
Ramzi wartet ein letztes Mal vor dem Hotel auf mich, wir gehen wieder in ein Café, bevor wir in seiner Wohnung landen. Wir werden unsere letzte gemeinsame Nacht bei ihm verbringen. Um 6 Uhr 30 muss ich im Hotel sein, dann werden Iris und ich vom Shuttlebus abgeholt, der uns zum Flughafen bringt.
Wir reden sehr viel in dieser Nacht, lieben uns und reden wieder. Das traurige Gefühl des Abschiedes und der Endlichkeit steht im Raum. Ramzi spricht von Zukunft und seine größte Angst ist, dass ich jetzt fortfliege und er mich nie mehr wieder sieht. Mein Verstand und mein Gefühl sind sich nicht einig. Der Verstand meint: ‚Ja, so wird es sein, es war eine schöne Woche, aber eine längere Beziehung kann daraus nicht werden.‘ Vom Gefühl her, zieht es mich sehr zu ihm hin und auf einer anderen Ebene, als der des Verstandes, fühle ich, dass seine Worte, mich zu lieben, wahr sind.
Es ist schon sehr spät geworden, wir sind müde und reden noch immer über unsere Zukunft. Da holt mein Verstand sein schlagkräftigstes Argument hervor: Ich werde keine Kinder mehr bekommen. Ich erzähle Ramzi von meinen schwierigen Schwangerschaften, und dass ich mich einem solchen Risiko nicht mehr aussetzen möchte. Er ist bemüht, seine Augen offen zu halten und meinem Gespräch zu folgen. Als ich ende, sagt er: „Ich muss mit dir Kinder haben Susi …“, schließt seine Augen und schläft.
Okay, das warʻs, damit ist alles geklärt. Er möchte Kinder haben, ich nicht mehr. Es war eine wunderschöne Urlaubsromanze, morgen fahre ich nach Hause, werde noch einige Zeit traurig sein und dann geht das Leben weiter. Natürlich wird er immer einen Platz in meinem Herzen behalten. Ich betrachte ihn noch, während er schläft. Seine langen dunklen Wimpern liegen wie ein Kranz unter seinen geschlossenen Augen, sein Mund ist leicht geöffnet, seine entspannten Züge strahlen Frieden aus.
Frieden finde ich in dieser Nacht nicht mehr, ich schlafe noch kurz, habe wilde Träume, von ihm, von mir, alles ist verworren. Ich bin froh, als das Handy uns weckt. Beide sind wir übermüdet. Er spricht nichts, ich ziehe mich wortlos an. Was soll auch gesprochen werden in so einer Situation. Nicht, dass ich so eine Situation schon je erlebt hätte. Doch man muss einfach tun, was zu tun ist, man muss gehen, besser gesagt, frau muss gehen. Es ist traurig, schrecklich traurig …
Als wir beide fertig angezogen sind, selbstverständlich bringt er mich noch zum Hotel, halte ich es nicht mehr aus und sehe ihn an: „Sag’ etwas“, bringe ich hervor. Er sieht mir lange tief in die Augen und meint: „Ich werde dich nie vergessen.“ Natürlich, klassischer Schluss, wie im Film, wunderschön, wunderschöne Abschiedsworte, ich werde ihn und die Erlebnisse dieser Woche auch nie vergessen.
Dann umarmen wir uns, küssen uns und dieser Kuss nimmt die ganze Schwere aus der Situation. Sobald sich unsere Lippen voneinander gelöst haben, sieht er mich an, offensichtlich ist er jetzt ganz erwacht, und sagt: „Wir müssen jeden Tag telefonieren, und wir treffen uns im Internet und bitte komme ganz schnell wieder.“
Na gut, das klingt gar nicht nach Abschied und komischerweise wird mir warm ums Herz, es wird leicht und plötzlich freue ich mich sehr. Ich freue mich auf alles, was mit ihm kommen wird und ich bin mir auf einmal ganz gewiss, dass wir noch viel Schönes gemeinsam erleben werden. Ich kann nicht erklären woher diese Gewissheit plötzlich kommt, aber sie ist da, genauso wie die Freude in meiner Herzgegend. Hand in Hand gehen wir um 6 Uhr früh in ein Café frühstücken. Die Sonne geht gerade auf und malt unsere Gesichter orange. Was ich später von diesem Frühstück in Erinnerung behalte, ist sein orangefarbenes Gesicht in der Morgensonne, sein tiefer warmer Blick in meine Augen, unsere Abschiedstraurigkeit und unsere Zukunftszuversicht … und ein Foto von unserem Abschiedskuss. Als ich es später zu Hause betrachte, sehe ich, wie viel Zärtlichkeit dieser Kuss in sich trägt, und dass hier noch einmal etwas Magisches geschehen ist …
Wunder-Worte:
Wunder erkennt man selten, wenn sie passieren, man erkennt erst später, dass sie geschehen sind.
Ramzi
Heute ist der letzte Abend bevor Susi nach Hause fliegt. Wir gehen wieder in die Wohnung und verbringen die letzte Nacht bei mir. Wir reden sehr viel in dieser Nacht, ich kann nicht alles verstehen, was Susi erzählt. Mein Deutsch ist noch nicht so gut. Am nächsten Morgen gehen wir in ein Café und das sind unsere letzten gemeinsamen Minuten. Ich bin sehr traurig.
Ich gehe mit meiner Liebsten zum Hotel und ich küsse sie die ganze Zeit, auch auf der Straße. Es ist noch sehr früh und es gibt keine Menschen. Wir stehen vor dem Tor und halten uns, bis sie sagt: „Ich muss gehen.“ Ich möchte sie nicht loslassen, sie küsst mich einmal, zweimal, dreimal, wir halten uns an der Hand und langsam, langsam löst sie einen Finger nach dem anderen, bis uns nur noch ein Finger verbindet. Doch auch dieser löst sich … und dann geht sie. Ich schaue ihr nach und mache ein Foto mit meinem Handy. In diesem Augenblick dreht sie sich um und sieht zu mir zurück, ich mache noch ein Foto, bevor Susi in der Hotelhalle verschwindet. Dann stehe ich da und bin ganz alleine. Ich gehe zurück ins Café und bleibe noch eine Weile.
Ich weiß nicht was ich machen soll. Ich sehe die Fotos mit ihrem lieben Gesicht an, ich sehe die Fotos von uns beiden, als wir zusammen waren. Wer weiß, ob sie jemals wieder kommt. Vielleicht sehe ich sie nie wieder, ich weiß es nicht ... und ich bin unendlich traurig …
Ich warte den ganzen Tag auf ihren Anruf, doch sie ruft nicht an. Auch am nächsten Tag warte ich, da kommt eine Sms. Sie ist gut zu Hause angekommen, Hamdulilleh (Dank sei Gott), doch mehr schreibt sie nicht.
Am nächsten Tag warte ich immer noch. Endlich ruft sie an und ich möchte ihr so viel sagen. Leider merke ich, dass es am Telefon schwieriger ist, miteinander zu sprechen. Manches versteht sie und manches nicht. Als wir zusammen waren, war das einfacher, da haben wir uns immer verstanden. Ich beschließe, ich muss besser Deutsch lernen. Ich will sehr gut Deutsch sprechen, damit wir uns gut verstehen können.
Fernbeziehung
Ich bin wieder daheim und der Alltag holt mich sehr schnell ein. Gott sei Dank habe ich viele...
Erscheint lt. Verlag | 2.8.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-99057-198-2 / 3990571982 |
ISBN-13 | 978-3-99057-198-9 / 9783990571989 |
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Größe: 1,8 MB
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