Das Buch der Spiegel (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
eBook Download: EPUB
2017 | 1. Auflage
384 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-19496-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Buch der Spiegel -  E.O. Chirovici
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Die Wahrheit des einen ist die Lüge des anderen.
Als der Literaturagent Peter Katz ein Manuskript des Autors Richard Flynn erhält, ist er sofort fasziniert. Flynn schreibt über die Ermordung des Professors Joseph Wieder in Princeton. Der Fall wurde nie aufgeklärt, und Katz vermutet, dass der unheilbar kranke Flynn den Mord gestehen oder den Täter enthüllen wird. Doch Flynns Text endet abrupt. Als Katz den Autor kontaktieren will, ist dieser bereits verstorben. Besessen davon, das Ende der Geschichte zu erfahren, versucht Katz, Laura Baines ausfindig zu machen, die als Studentin auf undurchsichtige Weise mit Wieder verbunden war. Doch je tiefer Katz in den Fall eindringt, desto mehr scheint er sich von der Lösung zu entfernen ...

Eugene Chirovici stammt aus einer rumänisch-ungarisch-deutschen Familie aus Transsilvanien und wohnt heute mit seiner Frau in Florenz. In Rumänien hat er sehr erfolgreiche Romane veröffentlicht. Sein erster Roman in englischer Sprache, »Das Buch der Spiegel«, das unter dem Namen E.O. Chirovici erschienen ist, hat für eine internationale Sensation gesorgt, wurde in über 40 Länder verkauft und unter dem Titel »Slleping Dogs« mit Russell Crowe in der Hauptrolle erfolgreich verfilmt.

EINS

Für die meisten Amerikaner war 1987 das Jahr, in dem die Börsenkurse erst durch die Decke gingen und dann in den Keller stürzten, die Iran-Contra-Affäre an Ronald Reagans Stuhl im Weißen Haus rüttelte und Reich und Schön in unsere Häuser Einzug hielt. Für mich war es das Jahr, in dem ich mich verliebte und erkennen musste, dass es den Teufel wirklich gibt.

Ich studierte seit etwas über drei Jahren in Princeton und wohnte in einem hässlichen alten Haus an der Bayard Lane, zwischen Kunstmuseum und theologischer Hochschule. Im Erdgeschoss gab es ein Wohnzimmer und eine offene Küche, oben zwei Zweibettzimmer mit angeschlossenem Bad. Zur McCosh Hall, wo ich die meisten meiner Anglistikvorlesungen besuchte, waren es zu Fuß zehn Minuten.

Eines Oktobernachmittags kam ich nach Hause und staunte nicht schlecht, als ich in der Küche eine große, schlanke junge Frau erblickte; sie hatte lange blonde Haare und trug einen Mittelscheitel. Durch eine dick umrandete Brille, die sie ebenso streng wie sexy wirken ließ, warf sie mir einen freundlichen Blick zu. Sie versuchte gerade, Senf aus einer Tube zu drücken, ohne zu bemerken, dass man zuerst die Alufolie von der Öffnung abziehen musste. Ich entfernte die Folie und gab ihr die Tube zurück. Sie bedankte sich und quetschte den dicken gelben Brei auf den riesigen Hotdog, den sie sich zubereitet hatte.

»Hey, danke«, sagte sie mit einem Akzent, den sie aus dem Mittleren Westen mitgebracht hatte; anscheinend lag ihr nichts daran, ihn abzulegen, nur um mit der Mode Schritt zu halten. »Auch was?«

»Nein, ich hab schon gegessen. Übrigens, ich bin Richard Flynn. Bist du die neue Mieterin?«

Sie nickte. Sie hatte gierig in den Hotdog gebissen und schluckte hastig, bevor sie antwortete.

»Laura Baines. Freut mich, dich kennenzulernen. Hat mein Vorgänger sich da oben ein Stinktier oder so was gehalten? Bei dem Gestank fallen einem ja die Nasenhaare aus. Aber ich werde die Wände sowieso streichen müssen. Und stimmt was mit dem Boiler nicht? Ich musste eine halbe Stunde warten, bis das Wasser heiß war.«

»Starker Raucher«, erklärte ich. »Der Mann, nicht der Boiler, und nicht nur Zigaretten, du verstehst schon. Aber sonst ist er ganz nett. Hat sich plötzlich entschieden, ein Sabbatjahr einzulegen, und ist nach Hause gefahren. Er hatte Glück, dass die Vermieterin nicht noch die Miete bis zum Jahresende haben wollte. Und der Boiler, an dem haben sich schon drei Klempner versucht. Nichts zu machen, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf.«

»Bon voyage«, wünschte Laura dem Vorgänger mit vollem Mund und zeigte auf die Mikrowelle auf der Arbeitsfläche. »Ich mach mir jetzt Popcorn, und dann will ich fernsehen – gleich kommt Jessica live auf CNN

»Wer ist Jessica?«, fragte ich.

Die Mikrowelle klingelte. Das Popcorn war so weit, in die große Glasschüssel gefüllt zu werden, die Laura aus den Tiefen des Schranks unter dem Ausguss herausgezogen hatte.

»Jessica McClure, die Kleine, die in Texas in einen Brunnen gefallen ist«, erklärte sie. »CNN überträgt die Bergungsaktion live. Wieso hast du noch nichts davon gehört? Die ganze Welt redet davon.«

Sie schüttete das Popcorn in die Schüssel und bedeutete mir, ihr ins Wohnzimmer zu folgen.

Wir setzten uns auf die Couch, und sie machte den Fernseher an. Eine Zeit lang verfolgten wir schweigend die Geschehnisse auf dem Bildschirm. Es war ein milder, warmer Oktober, fast ohne den sonst üblichen Regen, und stilles Dämmerlicht kroch über die Glasschiebetüren. Dahinter, dunkel und geheimnisvoll, erstreckte sich die Parkanlage der Trinity Church.

Laura schlang den Rest ihres Hotdogs hinunter und nahm eine Handvoll Popcorn aus der Schüssel. Mich hatte sie anscheinend ganz vergessen. Auf dem Bildschirm erklärte ein Ingenieur einem Reporter den Fortschritt der Arbeiten an einem parallelen Brunnenschacht, durch den die Retter zu dem unten eingeschlossenen Kind vorzudringen hofften. Laura streifte ihre Hausschuhe ab und zog die Füße unter sich. Mir fiel auf, dass ihre Zehennägel violett lackiert waren.

»Was studierst du?«, fragte ich schließlich.

»Ich mache meinen Master in Psychologie«, erwiderte sie, ohne den Blick vom Bildschirm zu wenden. »Das ist mein zweiter. Ich habe schon einen in Mathe, Uni Chicago. Geboren und aufgewachsen in Evanston, Illinois. Mal da gewesen? Wo alle Kautabak kauen und Kreuze verbrennen?«

Offenbar war sie zwei oder drei Jahre älter als ich, und das schüchterte mich ein wenig ein. In dem Alter kommt einem ein Unterschied von drei Jahren ziemlich groß vor.

»Ich dachte, das liegt in Mississippi«, sagte ich. »Nein, in Illinois war ich noch nie. Ich komme aus Brooklyn. Im Mittleren Westen war ich nur einmal, im Sommer, da muss ich fünfzehn gewesen sein, als mein Dad mich zum Angeln nach Missouri mitgenommen hat, in die Ozarks. Wir waren auch in St. Louis, wenn ich mich recht erinnere. Psychologie – nach Mathe?«

»Na ja, in der Schule hielten sie mich für ein Genie«, sagte sie. »An der Highschool habe ich alle möglichen internationalen Mathewettbewerbe gewonnen, und mit einundzwanzig hatte ich den Master in der Tasche und sollte eigentlich mit meiner Dissertation anfangen. Aber dann habe ich alle Stipendien abgelehnt und bin hierhergekommen, um Psychologie zu studieren. Der Master in Mathe hat mir zur Teilnahme an einem Forschungsprogramm verholfen.«

»Okay, aber du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«

»Hab mal ein bisschen Geduld.«

Sie wischte die Popcornkrümel von ihrem T-Shirt.

Ich erinnere mich noch gut. Sie trug verwaschene Jeans mit jeder Menge Reißverschlüssen, wie es damals Mode war, und ein weißes T-Shirt.

Sie ging zum Kühlschrank, nahm sich eine Cola und fragte, ob ich auch eine wollte. Sie riss die Dosen auf, steckte Strohhalme hinein, kam zur Couch zurück und reichte mir eine Dose.

»Im Sommer nach meinem Examen verliebte ich mich in einen Jungen aus Evanston. Er war über die Ferien nach Hause gekommen. Er machte gerade seinen Master am MIT, irgendwas mit Computern. Hübscher, offenbar recht kluger Junge, John R. Findley hieß er. Er war zwei Jahre älter als ich, wir kannten uns flüchtig von der Highschool. Aber er wurde mir schon nach einem Monat von Julia Craig ausgespannt; eine absolut hirnlose Person, eine Art Menschenäffin, die irgendwie gelernt hatte, ein Dutzend Wörter auszusprechen, sich die Beine zu wachsen und Messer und Gabel zu gebrauchen. Mit Gleichungen und Integralen kannte ich mich aus, hatte jedoch überhaupt keine Menschenkenntnis, vor allem was Männer betraf. Wenn ich nicht aufpasste, würde ich mein Leben in Gesellschaft von Katzen, Meerschweinchen und Papageien verbringen. Und deswegen bin ich im Herbst darauf hergekommen. Mom machte sich Sorgen und versuchte, mir das auszureden, aber sie kannte mich gut genug und wusste, dass sie mir eher noch das Fliegen auf einem Besenstiel beibringen könnte. Jetzt bin ich im letzten Jahr und habe meinen Entschluss noch keine Sekunde bereut.«

»Ich bin auch im letzten Jahr. Hast du gelernt, was du lernen wolltest?«, fragte ich. »Ich meine, wie Männer denken?«

Zum ersten Mal sah sie mir in die Augen.

»Weiß nicht, aber ein wenig weiter bin ich wohl schon. John hat nach wenigen Wochen mit Godzilla Schluss gemacht. Danach hat er monatelang versucht, mich zu erreichen, ich habe auf seine Anrufe aber nicht reagiert. Vielleicht bin ich ja wählerisch.«

Sie trank ihre Cola aus und stellte die leere Dose auf den Tisch.

Bis kurz vor Mitternacht verfolgten wir die Rettungsaktion in Texas, plauderten, tranken Kaffee und gingen ab und zu in den Garten, um die Marlboros zu rauchen, die sie aus ihrem Zimmer geholt hatte. Zwischendurch half ich ihr, den Rest ihrer Sachen aus dem Kofferraum ihres alten Hyundai, der in der Garage stand, ins Haus zu tragen.

Laura war nett, sie hatte Humor und war sehr belesen. Wie bei jedem jungen Erwachsenen spielten meine Hormone verrückt. Zu der Zeit hatte ich keine Freundin und dachte an nichts anderes als Sex, aber ich weiß noch genau, dass ich anfangs überhaupt nicht an die Möglichkeit dachte, mit ihr ins Bett zu gehen. Mit Sicherheit hatte sie einen Freund, auch wenn davon mit keinem Wort die Rede war. Dennoch war ich guter Dinge ob der Aussicht, mit einer Frau in einem Haus zu leben, was ich bis dahin noch nie getan hatte. Es war, als eröffnete sich mir plötzlich ein Zugang zu Geheimnissen, die mir bisher verschlossen gewesen waren.

Tatsache war, dass es mir an der Universität nicht gefiel und ich es kaum erwarten konnte, das letzte Jahr hinter mich zu bringen und von dort fortzukommen.

Ich war in Brooklyn aufgewachsen, genauer gesagt in Williamsburg, nicht weit von der Grand Street, wo man damals viel billiger wohnen konnte als heutzutage. Mom war Geschichtslehrerin an der Highschool in Bed-Stuy, und Dad arbeitete als Assistenzarzt am Kings County Hospital. Mit anderen Worten, ich war kein Kind der Arbeiterklasse, kam mir aber in unserem Arbeiterviertel so vor.

Auch wenn ich ohne jegliche materielle Sorgen aufwuchs, konnten sich meine Eltern vieles nicht leisten, was wir gern gehabt hätten. Ich mochte die Brooklyner und fühlte mich wie ein Fisch im Wasser in diesem Babel aus aller Herren Länder. Die Siebziger waren eine schlimme Zeit für New York, und ich weiß noch, dass viele Leute bitterarm waren und es ständig zu Gewaltausbrüchen kam.

In Princeton angekommen, schloss ich mich einigen akademischen Gesellschaften an, wurde Mitglied in einem bekannten Speiseclub und trieb mich mit den...

Erscheint lt. Verlag 27.2.2017
Übersetzer Werner Schmitz, Silvia Morawetz
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel The Book of Mirrors
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Collage • Die geheime Geschichte • Distelfink • Donna Tartt • eBooks • internationaler Bestseller • literarischer Kriminalroman • Princeton • Roman • Romane • Spannungsroman • spiegel bestseller • SPIEGEL-Bestseller • Vexierspiel
ISBN-10 3-641-19496-2 / 3641194962
ISBN-13 978-3-641-19496-3 / 9783641194963
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