In der Wildnis bin ich frei (eBook)

Mein Leben in den Wäldern Neuseelands
eBook Download: EPUB
2018 | 1. Auflage
408 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-45151-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

In der Wildnis bin ich frei -  Miriam Lancewood
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Miriam Lancewood lebt in Neuseeland, als sie beschließt, ein einfaches Nomadenleben in der Wildnis zu leben. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Peter verlässt sie die Zivilisation und wandert in die Wildnis von Neuseeland ausgerüstet nur mit Rucksack, Zelt und etwas Proviant. Das große Abenteuer: Der Rückzug in die Natur kann beginnen. Ein Leben aus Verpflichtungen, Stress, Wohlstand und Konsum lassen sie hinter sich in der rauen Natur Neuseelands. Die beiden Aussteiger leben im Zelt, passen sich dem Rhythmus der Natur an, gehen auf die Jagd und genießen ihre Freiheit im Sehnsuchtsland Neuseeland.

Miriam Lancewood, geboren 1983, wuchs in Holland in einem anthroposophischen Haushalt auf. Ihre Kindheit war geprägt von der Liebe zur Natur, zum Theater, zur Kunst und Musik. Ihr Praxisjahr als Sportlehrerin absolvierte sie in Afrika. Von dort reiste sie weiter nach Indien, wo sie ihren neuseeländischen Ehemann Peter kennenlernte. 2011 entschieden sich die beiden, der Zivilisation den Rücken zu kehren und in der Wildnis Neuseelands zu leben.

Miriam Lancewood, geboren 1983, wuchs in Holland in einem anthroposophischen Haushalt auf. Ihre Kindheit war geprägt von der Liebe zur Natur, zum Theater, zur Kunst und Musik. Ihr Praxisjahr als Sportlehrerin absolvierte sie in Afrika. Von dort reiste sie weiter nach Indien, wo sie ihren neuseeländischen Ehemann Peter kennenlernte. 2011 entschieden sich die beiden, der Zivilisation den Rücken zu kehren und in der Wildnis Neuseelands zu leben.

2

Winter


Peter drehte sich um und zog meine Arme über seine Schultern. »Jetzt gibt es nur noch uns beide«, sagte er und umarmte mich. Ich küsste ihn zärtlich auf die Stirn.

Am Himmel über uns erschien ein großer Habicht, der anmutig dem Flussverlauf folgte. Als er uns sah, schlug er heftig mit den braunen Flügeln, um die Richtung zu ändern, dann verschwand er auf der anderen Seite der Berge – die uns wie die andere Seite der Welt vorkam.

Ich holte tief Luft. »Ich fühle mich, als wären wir endlich nach Hause gekommen.«

Peter nickte. »Das ist die Welt, in die wir alle hineingeboren wurden.«

Ich nahm seine Hand und blickte auf das Tal und den Wald um uns herum. »Ein verblüffendes Gefühl, so allein an einem so entlegenen Ort zu sein«, stellte ich fest.

»Ja. Das nächste Haus liegt einen guten Drei-Tage-Marsch von hier entfernt. Zu dieser Jahreszeit meiden die meisten Leute die Berge und bleiben bis zum Frühjahr drinnen.«

Ich schaute auf und sah ein paar Wolken über den Gebirgszug treiben. Sie bewegten sich schnell, dort oben musste ein kräftiger Wind gehen.

»Was glaubst du, was mit uns passieren wird?«, fragte Peter.

Ich überlegte eine Weile, bevor ich antwortete. »Keine Ahnung«, sagte ich schließlich. »Ich kann mir die Zukunft einfach nicht vorstellen.«

»Weil sie vollkommen unvorhersehbar ist.«

»Ja. Es ist beinahe so, als hätten wir keine Zukunft. Nichts ist da außer einer unendlichen zeitlosen Leere, einem grenzenlosen Nebel.«

 

Zurück in der Hütte, fachte ich das Feuer wieder an und brühte zwei Tassen Tee auf, die ich zu Peter hinübertrug, der auf einem Felsen in der Nähe des Flusses saß.

»Ist das nicht wunderschön?« Ich schaute auf das kristallklare Wasser, das sich in Kaskaden von den Bergen ergoss. Die großen runden Steine, glatt geschliffen von der Strömung, glänzten in der Sonne.

»Ja, und riesige Teile dieser Insel sind genauso.« Peter lehnte sich zurück.

»Ich bin so glücklich darüber, hier zu sein, tatsächlich in dieser Schönheit zu leben.« Ich schaute auf die schroffen Felssporne auf der anderen Seite des Flusses, den dichten Wald in der Ferne und die alten Bäume ganz in der Nähe. Als ich meinen Tee ausgetrunken hatte, machte ich mir eine zweite Tasse. Wir hatten keine Uhr bei uns, aber ich nahm an, dass es etwa zehn Uhr morgens war. Ich dachte an Virginia und Rose, die in diesem Moment ihren Kaffee an dem Tisch am Fenster des Lehrerzimmers trinken würden. Wir lebten nun in völlig verschiedenen Welten.

Nach meiner anfänglichen Euphorie drängte ein unbehagliches Gefühl an die Oberfläche, als würde mir erst jetzt langsam bewusst, worauf ich mich eingelassen hatte. Ein Anflug von Panik durchzuckte mich. Es war der eine Gedanke, der mit all meinen Fantasien von einem friedlichen Leben in der Wildnis kollidierte – die Frage: Was jetzt? Was würde ich als Nächstes tun?

Ich dachte an die Dinge, die zu erledigen waren, und mir fiel ein, dass ich keine Toiletten gesehen hatte. Das Plumpsklo befand sich etwa siebzig Meter von der Hütte entfernt. Es war nicht mehr als ein tiefes Loch in einem Holzverschlag; das Einzige, was daran an ein modernes WC erinnerte, war der weiße Sitz. In der Ecke stand eine durchweichte Rolle Klopapier. Ich hob den Deckel und schaute in das Loch. Der Geruch war so entsetzlich, dass ich ihn schnell wieder fallen ließ.

Wenn ich mich bei geschlossener Tür auf diese Toilette setze, ersticke ich, dachte ich beklommen.

Hütte und Toilette waren schlimmer als erwartet, trotzdem zwang ich mich, nicht an die vor mir liegenden Monate zu denken. Stattdessen wurde ich aktiv.

Die Base Hut musste unbedingt sauber gemacht werden, also holte ich einen Eimer Wasser aus dem Fluss, schnappte mir ein altes Handtuch und fing an, die verschmierten Wände, schmutzigen Fenster und selbst die Flecken auf den Matratzen abzuputzen. Wir würden definitiv im Zelt schlafen, da die Wellblechhütte den Ratten und Mäusen gehörte, aber so konnten wir bei schlechtem Wetter zumindest in einem sauberen Raum Unterschlupf suchen.

Peter sah mich mit dem Eimer hin und her rennen. »Warum setzt du dich nicht mal für eine Minute hin?«, fragte er. Aber ich war seit Jahren hin und her gerannt, weshalb es mir schwerfiel, still zu sitzen. Ich nahm die schmutzige Bratpfanne aus dem Regal und schrubbte sie mit Sand aus dem Fluss sauber, dann machte ich das Gleiche mit dem Besteck und dem Topf. Als Nächstes suchte ich nach dem besten Platz zum Kampieren, und schließlich stellte ich das Zelt unter ein paar Bäumen auf und spannte eine Plane als zusätzliches Dach darüber. Das Zelt war unser Schlafzimmer, die Hütte bei schlechtem Wetter das Wohnzimmer, der Fluss diente uns als Wasserhahn, Kühlschrank, Dusche, Spül- und Waschmaschine, und das ganze Tal war unser Garten. Unser Zuhause in der Wildnis. Langsam fühlte ich mich wohler.

Peter bot mir mehrfach seine Hilfe an, doch da ich den Augenblick fürchtete, in dem sämtliche Pflichten erledigt sein würden, zog ich es vor, alles allein zu tun. Ich brauchte etwas, womit ich den leeren Tag füllen konnte. Nachdem ich ein Seil als Wäscheleine zwischen den Bäumen befestigt hatte, setzte ich mich endlich hin. Mir fiel nicht ein, was ich sonst noch hätte tun können.

Wie spät es wohl ist?, fragte ich mich.

Die Sonne berührte jetzt die Berggipfel. Es fühlte sich an, als wäre es vier, aber genauso gut hätte es auch erst drei Uhr sein können. Der Tag kam mir endlos vor.

Auf diese eine Sache hatten mich all unsere Touren, all das Training nicht vorbereitet: auf die Langeweile. Jeden Tag zu wandern und somit beschäftigt zu sein, war relativ leicht, verglichen mit der Herausforderung, einfach nur … zu leben. Wäre ich ein Wanderer, würde ich meinen Rucksack schultern und zur nächsten Hütte aufbrechen. Wäre ich ein Jäger oder Fischer, würde ich für heute Feierabend machen und den Rückweg zum Wagen antreten. Ich aber konnte nirgendwohin.

Rastlos gesellte ich mich zu Peter, der in der Sonne saß und in aller Ruhe eine alte Zeitung las.

»Das ist am Anfang eine ziemliche Umstellung, findest du nicht?« Ich klang gelassener, als ich mich fühlte.

»O ja, eine gewaltige Umstellung.« Peter nickte. »Die Seele muss zur Ruhe kommen. Es wird Tage dauern, sich dem Rhythmus dieses Ortes anzupassen. Vielleicht sogar Wochen.«

 

Jene ersten Tage waren in der Tat eine gewaltige Umstellung, und zwar in vielerlei Hinsicht. Manchmal fühlte ich mich wohl und heimisch, andere Male unsicher, was die Zukunft anbetraf. Meistens aber fühlte ich mich rastlos und gelangweilt. Ich hatte keinen Job mehr, kein Projekt, keine Stimulation durch soziale Kontakte, E-Mails, Musik und anderes. Es war, als wäre ich auf Entzug. Mein Geist machte Überstunden, meine Gedanken überschlugen sich, unendlich viele Erinnerungen blitzten vor meinem inneren Auge auf. In meinem Kopf herrschte Chaos, verglichen mit der Ruhe der Natur, deren sanfter Rhythmus so viel langsamer war als der meines hektischen Selbst.

Ich war froh, dass ich mit Peter über den schwierigen Prozess der Entschleunigung sprechen konnte. Auch er hatte nie zuvor in der neuseeländischen Wildnis gelebt, aber er schien die Natur der Seele etwas besser zu verstehen als ich. Obwohl er im Vergleich zu mir ruhig erschien, sagte er, er wisse genau, wie ich mich fühle. Er habe zwar keine Million Pflichten ausfindig gemacht, die er sich aufbürden konnte, aber er habe sämtliche alte Zeitungen und Zeitschriften aus der Hütte von der ersten bis zur letzten Seite gelesen. Er schlug vor, die Langeweile und Rastlosigkeit einfach durchzustehen und für eine Weile nichts zu tun.

Gar nichts.

Das war das Letzte, was ich wollte. »Nichts« bedeutete Langeweile, die gefürchtete Leere, die grauenvolle Inhaltslosigkeit. »Nichts« war das Unbekannte.

Ich fand heraus, dass ich mich vor dem Nichts fürchtete, doch ich war gezwungen, mich in den kommenden Wochen genau dieser Furcht zu stellen.

 

Am ersten Morgen, an dem wir bei Sonnenschein aufwachten, machten wir ein großes Feuer vor der Hütte. Ich mag Feuer. Seit meinem fünften Lebensjahr hatten mich zwei Dinge fasziniert, beide hatte mich mein ausgesprochen geduldiger Vater gelehrt: Baumhäuser bauen und Feuer machen.

Wir hatten Mehl, Hefe und einen altmodischen Feuertopf – auch »Camp Oven« oder »Dutch Oven« genannt – mitgebracht, im Grunde nicht mehr als ein großes gusseisernes Gefäß mit flachem Deckel und drei kurzen Beinen, das man direkt ins Feuer stellen konnte. Peter hatte als Zwanzigjähriger gelernt, damit umzugehen, als er als Koch auf den riesigen Rinderfarmen am Golf von Carpentaria im Norden Australiens gearbeitet hatte. Um Brot in unserem Feuertopf zu backen, brauchten wir Hartholz für das Feuer; würden wir weiches Holz wie das einer Kiefer verwenden, erklärte mir Peter, hätten wir am Ende nur Asche und keine Kohle, sodass das Brot in der Mitte nicht durchgebacken wäre. Es dauerte etwa zwei Stunden, bis sich das Hartholz, das wir gesammelt hatten, in rot glühende Kohlen verwandelte.

Als es so weit war, knetete Peter den Brotteig und legte ihn in den Feuertopf. Kaum war der Teig bis zum Deckel aufgegangen, schob er die brennenden Scheite mit einer kleinen Schaufel beiseite und bildete ein Loch in der Mitte der glühenden Kohlen. Er stellte den Ofen hinein, dann schob er die Kohlen auf den flachen Deckel.

Nach einer Stunde hob ich gespannt den Deckel ab, und zusammen bestaunten wir einen wunderschönen goldbraunen Brotlaib. Vor Freude von einem Ohr zum anderen grinsend, aßen wir die ersten heißen Scheiben. Sie...

Erscheint lt. Verlag 1.3.2018
Übersetzer Kristina Lake-Zapp
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte außergewöhnlicher Lebensentwurf • Aussteiger • Aussteiger-Buch • Aussteiger-Leben • Aussteiger-Wildnis • Autobiografien Frauen • Berge • Biografien Frauen • Cheryl Strayed • Christine Thürmer • Der große Trip • Entschleunigung • Erfahrungen und wahre Geschichten • Erfahrungsberichte • Farn • Genügsamkeit • Glück • Henry David Thoreau • Hütte • In die Wildnis • Innere Freiheit • Inspiration • Jagen mit Pfeil und Bogen • Janice Jakeit • Jon Krakauer • Kiwi • Konsumverzicht • Laufen. Essen. Schlafen. • Lebensgeschichten • Lebensgeschichten Frauen • Mensch und Natur • Natur • Naturbuch • Natur erfahren • Natur erleben • naturverbunden leben • Neuseeland • Outdoor • Outdoor Abenteuer • outdoor buch • Outdoor Erlebnisbuch • Respekt vor der Natur • Selberversorger • Selbstfindung • selbstfindung buch • Selbstfindung Frau • Sinnsuche • Südinsel • Survival • Traumerfüllung • Verzicht • wahre geschichten bücher • Walden • Wanderausrüstung • Wandern • Wanderstiefel • Wildnis • Zelten • Zufriedenheit
ISBN-10 3-426-45151-4 / 3426451514
ISBN-13 978-3-426-45151-9 / 9783426451519
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