E-Book 101-150 (eBook)
3200 Seiten
Martin Kelter Verlag
978-3-7409-6001-8 (ISBN)
Das junge Paar stand einsam vor der malerischen Kulisse des Chiemsees und schaute sich tief in die Augen. Über dem Wasser ging langsam die Sonne unter, und ihr blutroter Schein tauchte die Szene in ein romantisches Bild.
»Ist es wirklich ein Abschied für immer?« fragte die hübsche, junge Frau mit belegter Stimme.
Der attraktive Mann nickte ernst.
»Ja, Liebes. Glaub’ mir, wenn ich könnt’, dann würd’ ich dich mitnehmen. Aber es geht net…«
Verzweiflung und Resignation klang aus seinen Worten.
»Aber du sollst wissen, daß es, solang’ ich leb’, nur eine Frau geben wird, der mein Herz gehört, und das bist du, Franzi.«
Tränen liefen über ihr Gesicht. Die Frau drückte sich an den Mann.
»Auch ich werde dich immer lieben, Thomas«, hauchte sie und hob ihm ihren Kopf entgegen. »Dich und keinen anderen.«
Ihre Lippen bebten, als sie sich zum letzten Mal küßten.
»Aus! Das war’s, Leute«, rief eine Stimme von irgendwoher, und das einsame Paar war plötzlich von zahlreichen Leuten umringt.
Die Mitarbeiter des Filmteams klatschte Beifall. Eben war die letzte Szene abgedreht worden, und nun konnten sich die Zuschauer auf einen neuen, romantischen Film mit Christian Corbian in der Hauptrolle freuen.
Der junge Schauspieler ging zu den Campingwagen hinüber und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Eine Maskenbildnerin eilte herbei und befreite ihn von der Schminke. Irgend jemand reichte ihm unterdessen eine Tasse Kaffee. Fritz Krause, der Aufnahmeleiter, und Jürgen Rendler, der Regisseur des Films, kamen zu ihm.
»Super, Christian«, nickte Krause anerkennend. »Das war gute Arbeit.«
Der junge Bursche nickte und schaute zu der Absperrung hinüber. Während des Drehs hatte man ein Teil des Ufers mit einem weiß-roten Band für andere Besucher gesperrt. Dahinter mußten die Neugierigen stehenbleiben, um die Arbeit nicht zu stören. Während einer neuen Kameraeinstellung hatte Christian zufällig dorthin gesehen und geglaubt, ein ihm bekanntes Gesicht zu erkennen. Ein junges Madel, das sich abseits hielt, als wolle es nicht gesehen werden. Im ersten Moment wollte er hinüberlaufen, doch dann rief Jürgen Rendler, daß man weitermachen könne. Später hatte er das Gesicht nicht mehr gesehen, dabei hätte er schwören können, daß es sich dabei um Burgl handelte…
Aber wahrscheinlich hatte er sich getäuscht.
Verena Bachmann, die Schauspielerin, die neben Chris die zweite Hauptrolle gespielt hatte, gesellte sich zu ihnen.
»Heute abend feiern wir aber ordentlich, oder?« fragte sie und blickte Christian dabei auffordernd an.
Der zuckte die Schultern.
»Wenn der Produzent bezahlt«, lachte er. »Von mir aus, bis morgen früh.«
»Von wegen«, ließ sich Jürgen Rendler vernehmen. »Ich schlag’ mir die Nacht um die Ohren, um zu kontrollieren, ob das Material wirklich in Ordnung ist, und ihr werdet gefälligst rechtzeitig ins Bett gehen, für den Fall, daß doch noch was nachgedreht werden muß.«
Trotzdem ließ es sich die Crew nicht nehmen, einen feuchtfröhlichen Abend in der Hotelbar zu verbringen. Es wurde weit nach Mitternacht, bis die Schauspieler, Techniker und Kameramann, Maskenbildnerin und was sonst noch zu so einem Team gehörte, den Weg in ihre Zimmer fanden. Schließlich war es immer ein Ereignis, wenn ein Film zu Ende gedreht worden war, und das mußte gefeiert werden.
Allerdings kam dann beim Frühstück die Hiobsbotschaft: einige Szenen mußten nachgedreht werden.
»Aber heute machen wir frei«, erklärte der Regisseur. »Ich muß ohnehin nach München. Aber morgen früh seid ihr alle zur Stelle, bitt’ ich mir aus!«
Drei weitere Drehtage waren veranschlagt worden, das hieß, daß man bis zum Wochenende in Prien bleiben würde. Immerhin herrschte herrliches Wetter, und die Crew war sich einig, diesen freien Tag die meiste Zeit im Wasser verbringen zu wollen.
Christian Corbian hatte sich ihnen angeschlossen. Neben Verena lag der Schauspieler, nach einer ausgedehnten Schwimmrunde, faul im Liegestuhl und ließ seinen athletischen Körper von der Sonne bräunen.
»So müßte es immer sein«, schwärmte die Schauspielerin. »Aber leider läßt unser Beruf uns nicht immer die Zeit dazu.«
»Das stimmt schon«, meinte Christian. »Um so mehr genieß’ ich solche Stunden.«
Er wandte der Kollegin den Kopf zu.
»Was steht denn bei dir als nächstes an?«
Verena zuckte die Schultern.
»Mein Agent verhandelt noch über eine Rolle als Krankenschwester in einer neuen Arztserie«, erwiderte sie. »Allerdings bin ich gar nicht sicher, ob ich das überhaupt spielen will. Man ist dann irgendwie immer so festgelegt. Und du?«
»Übernächste Woche werd’ ich einen Vertrag für einen Film unterzeichnen, der in Frankreich gedreht wird, eine deutsch-französische Coproduktion.«
»Mensch, prima! Gratuliere. Ist Andrea auch dabei?«
Christian nickte.
Andrea Jorgensen und er galten als das Traumpaar der Film- und Fernsehbranche. In über dreißig Produktionen hatten sie schon mitgewirkt, und die Gunst des Publikums war ihnen noch immer hold.
»Ja, wenn alles glatt verläuft, treffen wir uns in drei Monaten in Paris.«
»Und bis dahin machst du Urlaub?«
Der junge Schauspieler seufzte.
»Wenn nichts dazwischen kommt, ja.«
Indes ahnte er nicht, daß ihm noch so manches dazwischen kommen sollte…
*
»Grüß dich, Vinzenz«, rief Sebastian Trenker dem alten Bauern zu, der auf der Wiese stand und das frischgemähte Heu auf einen Wagen lud.
Der gute Hirte von St. Johann setzte seinen Rucksack ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Grüß Gott, Hochwürden«, nickte Vinzenz Corbian ihm zu. »Waren S’ wieder auf Bergtour?«
»Ja, bei dem herrlichen Wetter muß man ja hinaus. Da kann man net in der Stube hocken. Wie geht’s denn so?«
Der Bauer hatte seine Arbeit unterbrochen. Er reckte den Rücken und unterdrückte dabei ein schmerzhaftes Stöhnen.
»Wie soll’s schon geh’n?« entgegnete er. »Man wird halt net jünger.«
Ohne viel Federlesens packte Sebastian mit an und lud das Heu auf.
»Warst’ denn wenigstens beim Doktor?« erkundigte er sich.
Der Alte winkte ab.
»Was kann der schon ausrichten? Seit dem Unfall ist’s eben net mehr so wie früher.«
»Gerad’ deshalb solltest’ dir von ihm helfen lassen. Einen neuen Rücken kann er dir zwar net schenken, aber zumindest gegen die Schmerzen hat der Dr. Wiesinger was für dich.«
Beim Holzfällen im Bergwald hatte sich vor ein paar Wochen ein schlimmer Unfall ereignet, wobei der Corbianbauer verletzt worden war. Ein falsch geschlagener Baum stürzte nicht in die angenommene Richtung und traf mit einem seiner weit ausladenden Äste den Mann und begrub ihn unter sich. Sebastian erinnerte sich noch gut an den Tag, an dem er und Toni Wiesinger, der Dorfarzt, zufällig zusammengesessen hatten, als der Notruf einging. Als sie an der Unglücksstelle ankamen, lag der Bauer immer noch unter dem Baum, und es mußte erst schweres Gerät herbeigeschafft werden, um den Stamm anzuheben, damit Vinzenz Corbian geborgen werden konnte.
Der Alte hatte sich am Wagen abgestützt. Das faltige Gesicht mit den buschigen Augenbrauen drückte Verzagtheit aus.
»Ich glaub’ net, daß es viel Zweck hat«, meinte er resignierend. »Ich hab’ meine Jahre gelebt, und bestimmt wird’s net mehr lang’ dauern, bis ich meiner Anna nachfolg’. Bis dahin werd’ ich’s schon noch aushalten.«
»Unsinn!« widersprach der Geistliche. »Du weißt genau, daß du noch gut und gern ein paar Jahr’ leben wirst. Bis auf den Rücken bist’ doch kerngesund. Aber ich glaub’, ich weiß, was dir wirklich fehlt…«
Der Bauer schüttelte unwirsch den Kopf.
»Fangen S’ net wieder davon an, Hochwürden«, sagte er. »Darüber brauchen wir gar net sprechen. Ich hab’ keinen Sohn mehr!«
Sebastian schüttelte den Kopf.
»Ich kann net glauben, daß du das wirklich so meinst, wie du’s jetzt sagst. Tief in deinem Herzen fühlst du immer noch die Vaterliebe für den Christian. Sie wird nur von deinem unbändigen Zorn auf ihn unterdrückt. Aber wenn du nur willst, wenn du nur einlenken würdest, dann, da bin ich sicher, könntet ihr zwei euch wieder versöhnen.«
Vinzenz Corbian wischte sich die Hände an der Hose ab.
»Vielen Dank für Ihre Hilfe, Hochwürden«, sagte er, ohne auf Sebastians Worte einzugehen. »Ich muß jetzt zum Hof zurück. Die Hanna und der Josef warten sicher schon.«
Damit stieg er auf den Traktor, startete den Motor und fuhr den kurvigen Weg hinunter.
Der Bergpfarrer sah ihm kopfschüttelnd hinterher.
Alter, störrischer Kerl, dachte Sebastian Trenker und nahm seinen Rucksack wieder auf.
Während er dem Tal zustrebte, überlegte er, wie dem Bauern geholfen werden konnte. Natürlich nicht medizinisch, das war Sache Dr. Wiesingers. Aber seelische Hilfe brauchte Vinzenz Corbian genauso rasch.
Beim Abendessen schnitt Sebastian das Thema an.
»Wenn ich mich recht erinner’, dann ist’s jetzt so an die sechs Jahre her, daß der Christian fort ist«, meinte Max.
»Acht genau«, korrigierte sein Bruder. »Damals war er achtzehn, inzwischen ist er sechsundzwanzig Jahr’ alt.«
»Und ein gefeierter Schauspieler«, sagte der Polizist.
»Ja, das war ja immer sein Wunsch«, nickte der Geistliche. »Ich erinner’ mich noch gut, wie er früher in der Laienspielgruppe mitgemacht hat. Da war er immer mit Feuereifer bei der Sache.«
»Und heut’ hat er’s geschafft. Seine Fans liegen ihm...
Erscheint lt. Verlag | 7.1.2020 |
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Reihe/Serie | Der Bergpfarrer | Der Bergpfarrer Paket |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Alpen • Heimat • Hüttenwirt • Liebesgeschichte • Liebesroman • Martin Kelter Verlag • Pfarrer • Sebastian Reiter • Sonnenwinkel • Sophienlust • Toni |
ISBN-10 | 3-7409-6001-9 / 3740960019 |
ISBN-13 | 978-3-7409-6001-8 / 9783740960018 |
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