Die Chroniken von Peter Pan - Albtraum im Nimmerland (eBook)

Roman
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2021 | 1. Auflage
368 Seiten
Penhaligon (Verlag)
978-3-641-25635-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Chroniken von Peter Pan - Albtraum im Nimmerland -  Christina Henry
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Die wahre - und schaurige - Geschichte von Captain Hook aus der Feder von SPIEGEL-Bestsellerautorin Christina Henry!
Du glaubst, meine Geschichte zu kennen. Natürlich, jeder kennt meine Geschichte, sie wird wieder und wieder erzählt. Aber sie entspricht nicht der Wahrheit. Denn Peter Pan lügt. Peter wird euch erzählen, dass ich der Bösewicht in seiner Geschichte bin, dass ich ihm Unrecht getan habe, dass ich niemals sein Freund war. Aber wie ich schon sagte, Peter lügt. Dies ist, was wirklich geschehen ist: Ich bin Peter Pan auf seine Insel gefolgt, weil er mir ewige Kindheit und unendlichen Spaß versprochen hat. Ich war sein erster und bester Freund auf der ganzen Welt und seine rechte Hand. Aber Peters Verständnis von Spaß ist so gefährlich wie ein Piratensäbel, und als ich das erkannte, wurde Nimmerland für mich zum Albtraum.

Nichts für schwache Nerven: Henrys Neuerzählung von »Peter Pan« ist weniger brutal als »Die Chroniken von Alice«, aber nicht minder packend.

Alle Bücher von Christina Henry:
Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland
Die Chroniken von Alice - Die Schwarze Königin
Die Chroniken von Alice - Dunkelheit im Spiegelland
Die Chroniken von Peter Pan - Albtraum im Nimmerland
Die Chroniken der Meerjungfrau - Der Fluch der Wellen
Die Chroniken von Rotkäppchen - Allein im tiefen, tiefen Wald

Die Bände (außer Alice) sind unabhängig voneinander lesbar.

Die Amerikanerin Christina Henry ist als Fantasy-Autorin bekannt für ihre finsteren Neuerzählungen von literarischen Klassikern wie »Alice im Wunderland«, »Peter Pan« oder »Die kleine Meerjungfrau«. Im deutschsprachigen Raum wurden diese unter dem Titel »Die Dunklen Chroniken« bekannt und gehören zu den erfolgreichsten Fantasy-Büchern der letzten Jahre. Die SPIEGEL-Bestsellerautorin liebt Langstreckenläufe, Bücher sowie Samurai- und Zombiefilme. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Chicago.

Kapitel 1


Manchmal träumte ich von Blut. Von Blut an meinen Händen und von leeren Augen in einem grauen, bleichen Gesicht. Es war nicht mein Blut oder welches, das ich vergossen hätte – auch wenn es davon in diesem Traum mehr als genug gab. Es war ihr Blut, und ich wusste nicht einmal, wer sie war.

Ihre Augen waren tot und blau, und ihre Hände hielt sie vor sich, als streckte sie die Arme nach jemandem aus, als hätte sie mich angefleht, bevor ihr jemand diese klaffende Wunde an der Kehle beigebracht hatte. Ich wusste nicht, warum. Ich wusste nicht einmal genau, ob es ein Traum war oder etwas, das Andernorts passiert war, bevor ich mit Peter weggegangen war.

Wenn es dieses Mädchen wirklich gab, dann musste es dort geschehen sein, denn auf der Insel gab es keine Mädchen, abgesehen von den Meerjungfrauen, und die zählten nicht wirklich, halbe Fische, die sie waren.

Dennoch – jede Nacht träumte ich von aufblitzendem Silber und strömendem Rot, und manchmal schreckte ich aus dem Schlaf hoch und manchmal nicht. In jener Nacht hatte ich denselben Traum, aber jemand anderes weckte mich auf.

Ich hörte ein Geräusch, vielleicht einen Schrei, vielleicht auch nur ein Stöhnen oder einen Vogel, der draußen im Wald verschlafen piepste. Es war schwierig zu sagen, es ist immer schwierig zu sagen, wenn man etwas hört, während man schläft. Es war, wie Lärm von einem weit entfernten Berg zu vernehmen.

Ich löste mich nicht ungern aus dem Traum. Sooft Peter mir auch gesagt hatte, dass ich ihn vergessen solle, kehrten meine Gedanken doch immer wieder und wieder an denselben Ort zurück: an den Ort, wo sie tot war und ihre Augen mich um etwas anflehten, auch wenn ich nicht wusste, was das sein sollte.

Ich war sofort hellwach, wie immer, denn wenn man im Wald zu fest schlief, lief man Gefahr, eines Tages aufzuwachen und zu entdecken, dass irgendwas mit scharfen Zähnen gerade dabei war, einem die Füße abzubeißen. Unser Baum stand gut versteckt und geschützt, aber das bedeutete nicht, dass hier keine Gefahr drohte. Auf der Insel drohte immer und überall Gefahr.

Die schlafenden Jungen lagen in Haufen unter ihre Tierfelle gekuschelt auf dem Erdboden. Mondlicht drang durch die Löcher, die wir wie Fenster in den hohlen Baumstamm gehauen hatten – Peter und ich hatten das gemacht, vor sehr langer Zeit. Draußen summte es, das stetige Brummen der Vieläugigen aus der Ebene, das bis hierher in den Wald zu hören war.

»Das war nur Charlie«, murmelte Peter verächtlich von oben.

Er saß lässig in einem der Löcher und blickte gleichmütig über die Baumwipfel hinweg in den Wald. In den Händen hielt er ein kleines Messer und ein Stück Holz, an dem er herumschnitzte. Die Klinge blitzte im Mondlicht auf, tanzte über das Holz. Seine Haut wirkte in diesem Licht ganz silbrig, und seine Augen waren wie tiefe Teiche aus Schatten. Er schien eins zu sein mit dem Baum und dem Mond und dem Wind, der durch das hohe Gras weiter draußen flüsterte.

Peter schlief nicht viel, und wenn, dann machte er nur ein kurzes Nickerchen. Er wollte nicht zu viel Lebenszeit mit Schlafen verschwenden, obwohl sein Leben bereits wesentlich länger dauerte als das der meisten Menschen, und er hasste es, wie wir anderen uns der Müdigkeit ergaben, wenn wir umfielen wie die Beißfliegen in der Sommerhitze und uns hinlegten, während er uns piesackte, um uns wenigstens noch ein weiteres Spiel abzutrotzen.

Ich stand auf und schlich auf Zehenspitzen zu den anderen Jungen hinüber, bis ich Charlie fand. Er lag zusammengerollt in einer gewundenen Baumwurzel wie ein Baby in der Wiege. Er war ja auch kaum älter als ein Baby. Auf seinem Gesicht standen Schweißperlen, die wie Edelsteine glitzerten, wie ein Piratenschatz im Mondlicht. Er stöhnte im Schlaf und bewegte sich unruhig.

Die Kleinen hatten es oft schwer, sich einzugewöhnen, wenn sie neu herüberkamen. Charlie war erst fünf, viel jünger, als ich damals gewesen war, als Peter mich geholt hatte. Viel jünger als alle anderen Jungen, die Peter jemals auf die Insel geholt hatte.

Ich beugte mich hinunter, hob den Kleinen aus der Baumwurzel und nahm ihn in die Arme. Charlie strampelte kurz, dann kuschelte er sich an mich.

»Du hilfst ihm damit nicht, weißt du«, sagte Peter, während er mir zusah, wie ich mit Charlie auf dem Arm auf und ab ging. »Hör auf, ihn zu verhätscheln.«

»Er ist zu klein«, zischte ich. »Ich hab dir gesagt, dass er noch viel zu klein ist.« Ich weiß nicht, warum ich mir überhaupt die Mühe machte, denn es hat keinen Sinn, mit Peter zu diskutieren. Er hört sowieso nicht zu.

Peter suchte normalerweise Jungen aus, die ungefähr im selben Alter sind wie ich, als er mich erwählt hatte – etwa acht oder neun Jahre. Peter mochte dieses Alter am liebsten, weil die Jungs dann alt genug sind, um den Widerstandsgeist und den rebellischen Willen zu entwickeln, der sie dazu treibt, ihm zu folgen. In dem Alter haben sie bereits einen guten Vorgeschmack auf das Erwachsenwerden bekommen – durch Arbeit oder Schule, je nachdem, aus welcher gesellschaftlichen Klasse sie stammen –, genug, um zu wissen, dass sie ihr Leben nicht damit verbringen wollen, in einer Schreibstube trockene Zahlen hin- und her zu schieben oder auf dem Feld zu schuften oder irgendeinem reichen Mann Wasser zu holen.

Das letzte Mal, als wir nach Nachwuchs Ausschau gehalten hatten, hatte Peter diesen Winzling erspäht, der verloren zwischen den Müllhaufen in den Hintergassen umherirrte. Er hatte erklärt, der Kleine würde einen ausgezeichneten Spielkameraden abgeben, und ich hatte dagegengehalten, dass er in einem Waisenhaus wesentlich besser aufgehoben wäre. Natürlich hatte Peter die Oberhand behalten. Er wollte den Jungen, und Peter bekam, was er wollte – immer.

Und nun, da wir ihn hatten, wusste Peter nichts mit ihm anzufangen. Es machte ihm keinen Spaß, mit jemandem zu spielen, der zu zart für eine anständige Rauferei mit den größeren Jungen war. Und Charlie konnte auch nicht mithalten, wenn Peter auf der Suche nach einem Abenteuer mit uns in den Wald hinauszog. Mehr als einmal hatte ich schon den Verdacht gehabt, dass Peter versuchte, sich den ganzen Umstand mit ihm vom Hals zu schaffen, indem er Charlie einfach irgendwo zurückließ, damit er gefressen wurde. Aber ich hatte ein Auge auf Charlie (auch wenn das Peter ganz und gar nicht gefiel), und solange ich auf ihn aufpasste, konnte Peter nicht viel mehr tun, als sich über ihn zu beschweren. Was er tat.

»Du hättest ihn am Krokodilteich sitzen lassen sollen«, sagte Peter. »Dann hätte sein Gejammer dich jetzt nicht geweckt.«

Ich antwortete nichts darauf, denn es war der Mühe nicht wert. Peter verlor nie eine Diskussion – und das nicht, weil er nie im Unrecht war, das war er oft. Er war im wahrsten Sinn des Wortes unermüdlich. Immer wieder fing er von vorne an, ganz egal, wie sehr du selbst im Recht warst, bis man irgendwann aufgab und ihn gewinnen ließ, nur damit man endlich Ruhe vor ihm hatte.

Peter sagte nichts mehr, und ich ging weiter mit Charlie auf und ab, bis sein tiefer, ruhiger Atem mir verriet, dass er wieder eingeschlafen war. Dann versuchte ich, ihn auf seinem Schlafplatz abzulegen, aber sobald ich ihn losließ, fing er wieder an zu wimmern. Peter lachte leise und schadenfroh.

»Das hast du nun davon. Jetzt läufst du die ganze Nacht mit ihm auf und ab wie eine Mama mit ihrem Säugling«, sagte Peter.

»Was weißt du schon davon«, gab ich zurück, während ich Charlies Rücken streichelte, um ihn zu beruhigen. »Hier gab es nie eine Mama, und du erinnerst dich nicht an deine.«

»Ich hab gesehen, wie sie das machen«, sagte Peter. »Andernorts. Die kleinen Babys heulen, und die Mamas gehen mit ihnen auf und ab und beruhigen sie und schuckeln sie genauso, wie du das jetzt machst. Und manchmal werden sie dann still und manchmal nicht, und wenn sie nicht still werden, fangen die Mamas auch an zu flennen, weil diese kleinen quengelnden Dinger den Rand nicht halten können. Ich weiß nicht, warum sie die kleinen Heulbojen nicht einfach unter eine Decke legen, bis Ruhe ist. Ist ja nicht so, als könnten sie keine neuen machen.«

Er meinte es nicht so, nicht wirklich. Zumindest dachte ich das. Für Peter war jedes Kind ersetzbar (außer ihm selbst). Wenn er hier auf der Insel eines verlor, dann ging er nach Andernorts und holte sich ein neues, vorzugsweise eines, das sonst niemand wollte, weil der Junge dann nicht viel vermisste und sich nicht nach Andernorts zurücksehnte und glücklich war, hier zu sein und zu tun, was immer Peter wollte.

Die, die nicht so gut auf ihn hörten oder nicht so glücklich waren, wie er sich das vorstellte, fanden sich recht bald im Grasland bei den Vieläugigen wieder oder wurden in der Nähe des Piratenlagers ausgesetzt oder irgendwo anders vergessen, denn Peter hatte keine Zeit für Jungen, die keine Lust auf seine Abenteuer hatten.

Nach einer Weile setzte ich mich, lehnte mich mit dem Rücken an die Borke und summte eine ruhige Melodie, die ich mal gelernt hatte, vor langer Zeit, vor Peter, vor dieser Insel. Ich wusste nicht mehr, wer sie mir beigebracht hatte, aber sie war mir über all die langen Jahre im Gedächtnis geblieben. Das Lied verärgerte Peter, und er sagte, ich solle den Rand halten, aber ich sang weiter, bis Charlies Atem wieder weich und ruhig und gleichmäßig ging und sich sein Brustkorb im selben Rhythmus hob und senkte wie meiner.

Ich starrte aus dem Fenster, an Peter vorbei, zum unerreichbaren Mond hinauf. Der Mond war immer voll hier, hing immer wie ein wachsames Auge am Himmel.

...

Erscheint lt. Verlag 21.6.2021
Reihe/Serie Die Dunklen Chroniken
Übersetzer Sigrun Zühlke
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Lost Boy: The True Story of Captain Hook
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte Captain Hook • Dark Fantasy • Die Chroniken der Meerjungfrau • Die Chroniken von Alice • Die Chroniken von Rotkäppchen • eBooks • Fantasy • Gewalt • Gruselgeschichte • Horror • horrortok • J. M. Barrie • Kidnapping • Märchenbuch • Nimmerland • Peter Pan • slashersummer • Spiegel Bestseller Autorin • summerhorror
ISBN-10 3-641-25635-6 / 3641256356
ISBN-13 978-3-641-25635-7 / 9783641256357
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