Durch die kälteste Nacht (eBook)

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2021 | 1. Auflage
368 Seiten
Lyx (Verlag)
978-3-7363-1458-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Durch die kälteste Nacht -  Brittainy C. Cherry
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Ich habe so lang in der Dunkelheit gelebt, dass ich dein Licht fast vergessen hätte

Als ich Kennedy Lost das erste Mal nach all den Jahren wieder begegnete, hätte ich sie fortschicken sollen. Ich hätte ihr sagen müssen, dass sie nie wieder zurückkommen soll und dass ich sie nicht wiedersehen will, weil ich sie nicht brauche. Aber dann erkannte ich, dass sie kurz vor dem Ertrinken war. Ich sah, dass sie von Erinnerungen und Schuldgefühlen auf den Grund gezogen wurde. Die Traurigkeit in mir erkannte dieselbe Traurigkeit in ihr, und ich wusste plötzlich, dass nichts auf der Welt mehr zählte, als Kennedy das Gefühl zu geben, dass selbst dieser Teil von ihr es wert ist, geliebt zu werden - auch wenn mein eigenes Herz daran zerbrechen würde ...

'Brittainy C. Cherrys Worte haben mich tief berührt, und ihre Figuren werden für immer fest in meinem Herzen verankert bleiben.' TAMY.READS




Brittainy C. Cherrys erste große Liebe war die Literatur. Sie hat einen Abschluss der Carroll Universität in Schauspiel und Creative Writing. Seitdem schreibt sie hauptberuflich Theaterstücke und Romane. Sie lebt mit ihrer Familie in Milwaukee, Wisconsin.

Brittainy C. Cherrys erste große Liebe war die Literatur. Sie hat einen Abschluss der Carroll Universität in Schauspiel und Creative Writing. Seitdem schreibt sie hauptberuflich Theaterstücke und Romane. Sie lebt mit ihrer Familie in Milwaukee, Wisconsin.

1


KENNEDY

Gegenwart

»Bitte blamier mich heute Abend nicht«, sagte Penn, während er sich zum fünfzigsten Mal die Krawatte neu band.

Die Tapete in unserem Haus war mit Zigarettenrauch und gebrochenen Versprechen gesättigt. So manche davon gingen auf das Konto meines Mannes, andere aber auch ganz allein auf meines. War das der typische Verlauf einer Ehe? Tage, die sich zu Wochen ausdehnten, die sich in Monate und Jahre nicht gehaltener Versprechen verwandelten? Die Worte »Ich will« besiegelten einen Vertrag, dessen Kleingedrucktes niemand wirklich las. Wir hatten die AGB überflogen und einfach nur »Ich stimme zu« angekreuzt, ohne die Konsequenzen zu kennen, die uns erwarteten.

Ich hatte mein Eheversprechen nicht gehalten, aber er auch nicht.

So viele gebrochene Versprechen.

An diesem Abend versprach ich ihm, nicht vor allen Leuten die Fassung zu verlieren. Das Dinner seiner Maklerfirma bot Penn eine perfekte Gelegenheit, mit stinkreichen potenziellen Kunden bei gutem Essen und Wein an einem Tisch zu sitzen und Kontakte zu knüpfen. Je glatter die Dinge an diesem Abend liefen, desto besser standen seine Chancen, sich ein paar gute Kunden an Land zu ziehen. Er wollte mich eigentlich gar nicht dabeihaben, doch sein Boss hatte darauf bestanden, dass alle Mitarbeiter in Begleitung erschienen.

Ich versprach Penn auch, nicht über Vergangenes zu reden, und hatte nicht vor, mein Versprechen zu brechen. Und so nahm ich meine Beruhigungsmittel, machte meine Atemübungen und kniff die Augenlider nur zusammen, wenn wir auf der Fahrt unter einer Brücke durchkamen. Draußen auf dem Freeway fühlte ich mich besser, ja sogar fast normal.

Meine Versprechen waren noch intakt.

Alles war perfekt, so perfekt, wie es bei mir eben sein konnte, und dann lehnte sich Marybeth – die wunderschöne, umwerfende Marybeth – während des Essens zu mir herüber. An unserem Tisch saßen fünf Paare, unter ihnen Penns Kollegin Marybeth. Die anderen waren mögliche Kunden, die mehr Geld wert waren, als ich es mir jemals hätte ausmalen können.

Ich wünschte, ich hätte so Marybeth ähneln können. Sie war perfekt. Die perfekte Mutter, die perfekte Ehefrau, die perfekte Immobilienmaklerin. Sie duftete nach Chanel Nº 5, und von ihrem Hals perlten Diamanten. Ihr strahlend weißes Lächeln ließ alle anderen die Lippen aufeinanderpressen, denn sie wussten, dass sie es mit dem Wow-Effekt dieses Lächelns nicht aufnehmen konnten. Marybeth war alles, was ich nicht war, und alles, was ich sein wollte.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der ich mich selbst so sehr geliebt hatte, dass ich niemals eine andere Frau um ihr Leben beneidet hätte.

Was war mit mir geschehen? Wann hatten meine Stärken mich verlassen?

Die perfekte Marybeth berührte leicht mein Handgelenk und lächelte mich mit ihren Lippen und den haselnussbraunen Augen an. »Interessantes Tattoo, Kennedy. Was bedeutet es?«

Und in diesem Augenblick hatte sich das Versprechen, das ich Penn gegeben hatte, erledigt. Anfangs war es nur ein kleiner Riss an den Rändern, doch dann zersprang es in tausend Scherben.

»Das ist … Das …« Ich sog scharf Luft ein, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie Penn mich anschaute. Ich sah die Enttäuschung in dem intensiven Blick seiner blauen Augen, denn er kannte die Anzeichen meiner Schwächen. Er wusste, wann ich ihm entglitt. Mein Körper zitterte, meine Stimme brach, und jeder Atemzug fiel mir schwer. »Das ist …«

Ich blickte auf mein Tattoo – ein Gänseblümchen mit einem umgedrehten »D« in der Mitte.

»Mein, das ist …« Ich schluckte die Luft, die mir im Hals stecken geblieben war, hinunter und schloss die Augen. Tränen drängten sich in meine Augenwinkel, und ich wusste, dass ich sie jeden Augenblick fließen lassen würde. »Das ist für meine Eltern und meine …« Ich sah zu Penn hinüber, der mir mit seinem Blick laut Tu’s nicht! entgegenschrie, doch ich konnte dieses Gespräch nicht einfach mittendrin abbrechen. »… unsere Tochter. Das umgekehrte D steht für unsere Tochter.«

Marybeths Mund öffnete sich leicht, als sie verstand. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück, und ich sah die Schuldgefühle in ihren Augen. Natürlich wusste sie von dem Unfall. Alle wussten von dem Unfall; sie zogen es bloß vor, auf Zehenspitzen um das Thema herumzuschleichen, anstatt es offen anzusprechen. Der Tod war den Menschen unangenehm, und ich konnte ihnen nicht verübeln, dass sie nicht darüber reden wollten. Es war ja auch kein einfaches Thema.

Ich zog die Linie des umgedrehten »D« mit dem Finger nach, und die Tränen liefen über meine Wangen. »Meine Tochter hieß …« Ich wollte es ihr erzählen. Ich musste über meine Lieben sprechen, damit sie in mir lebendig blieben. Es tat mir gut, doch manchmal kamen die Worte ein wenig zu unsicher über meine Lippen.

»Kennedy.« Eine Hand legte sich auf meinen Arm und überdeckte das Tattoo. Ich blickte auf und sah Penn, der mir in die Augen blickte und leicht den Kopf schüttelte, während er meinen Arm ein wenig zu fest drückte. »Vielleicht solltest du dich ein wenig zurechtmachen gehen und mal eine Minute frische Luft schnappen.«

Was übersetzt bedeutete: Du blamierst mich schon wieder – reiß dich zusammen.

Er empfand keinerlei Mitgefühl mehr mit mir. Wieso auch – nach über einem Jahr? Ihm war es schließlich auch gelungen, unsere Tragödie hinter sich zu lassen. Ich hätte in der Lage sein müssen, das Gleiche zu tun, doch aus irgendeinem Grund bekam ich es einfach nicht besser hin.

Und dabei wünschte ich mir doch nichts sehnlicher als das.

Ich wischte mir die Tränen aus den Augen, was jedoch nur dazu führte, das weitere nachkamen. »Ja. Natürlich. Entschuldigt, ich …« Ich schob meinen Stuhl zurück. »Entschuldigt bitte.«

Marybeth blickte mich schuldbewusst an, und als ich mich zum Gehen wandte, hörte ich, wie sie sich leise bei Penn entschuldigte.

»Nein, nein, du hast nichts falsch gemacht, Marybeth«, sagte mein Mann und tröstete lieber seine Kollegin anstelle seiner Frau. »Sie ist nun mal so. Du hast nichts falsch gemacht. Sie ist einfach zu emotional und muss lernen, sich zusammenzureißen. Ich meine, in ihrem Alter …«

Zu emotional.

In der Toilette starrte ich in den Spiegel und betrachtete überrascht das Gesicht darin, das meinen Blick erwiderte. Wann hatte ich das alles verloren? Wann hatte ich meine Farbe verloren, mein Licht? Waren die Ringe unter meinen Augen schon immer so groß gewesen? Wie viel hatte ich abgenommen, dass meine Wangen so eingefallen waren?

Die Tür wurde geöffnet, und Laura, eine langjährige Kundin von Penns Firma, kam herein.

Laura war älter als ich, etwa Ende fünfzig. Wir kannten uns schon eine Weile, und sie war immer sehr nett zu mir gewesen, auch wenn ich in vielen Situationen seltsam und ungeschickt rüberkam.

»Ist alles in Ordnung, meine Liebe?«, fragte Laura mit ernstem Gesicht. In ihre dunkelbraunen Haare hatten sich die ersten grauen Strähnen gemischt, und wenn sie lächelte, konnte man es körperlich spüren.

Ich lachte leise und wischte mir, so gut es ging, die Tränen aus dem Gesicht. »Ja, entschuldigen Sie. Ich bin einfach zu …«

»Sie sind nicht zu emotional«, unterbrach sie mich und trat mit einem Papiertuch in der Hand zu mir. »Sie übertreiben kein bisschen. Ich habe selbst ein Kind verloren – es war eine Fehlgeburt, aber es war mein Kind, und ich wäre beinahe daran zerbrochen. Mein Mann war damals meine Rettung. Er war mein Fels in der Brandung. Ich will nicht neugierig sein, aber ich habe zufällig gesehen, wie Penn Sie eben behandelt hat. Sweetheart, seien Sie mir nicht böse, aber so sollte kein Mann seine Frau behandeln. Niemand sollte Ihnen gegenüber herablassend sein, wenn Sie am Boden liegen. Er sollte Ihnen aufhelfen, nicht nachtreten.«

Ich wollte etwas sagen, doch ich wusste nicht, wie.

Laura tupfte die Tränen von meinen Wangen und lächelte mir zu. »Wie gesagt, es geht mich nichts an, und Jonathon würde mich umbringen, wenn er wüsste, dass ich mich in anderer Leute Angelegenheiten mische, aber Sie verdienen es, wieder gesund zu werden, und Sie sollten über Ihre Tochter sprechen dürfen, ohne dafür gedemütigt zu werden. Erkennen Sie Ihren Wert. Und dann fordern Sie ruhig noch ein wenig mehr.«

Ich schluckte, als sich mich in den Arm nahm. Erst jetzt spürte ich, wie sehr ich genau das gebraucht hatte. Mein Körper schmolz in Lauras Umarmung hinein, und sie hielt mich fest, während ich in ihren Armen weinte.

»So ist es gut, meine Liebe. So ist es richtig. Unterdrücken Sie es nicht länger, lassen Sie es raus.«

Als ich mich ein wenig beruhigt hatte, ließ sie mich los und sah mich lächelnd an. »Ach übrigens: Ich habe all Ihre Bücher gelesen. Ihre Worte sind ein wahrer Schatz. Ich kann es kaum erwarten, mehr von Ihnen zu lesen.«

In den vergangenen fünf Jahren hatte ich einige Romane veröffentlicht, doch seit dem Unfall konnte ich nicht mehr schreiben. Meine Agentin sagte, ich sollte mir Zeit lassen, die Worte würden irgendwann zurückkehren, doch allmählich begann ich daran zu zweifeln. Ich hatte meine Muse verloren, und mit ihr meine Sprache.

Auf dem Heimweg herrschte Schweigen. Ich drehte Penn den Rücken zu und hielt die Augen während der gesamten Fahrt geschlossen. Erst zu Hause machte Penn seinem Ärger Luft.

»Du hast mir versprochen, dass du das unterlassen würdest«, seufzte er und fuhr sich mit der Hand durch das...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2021
Reihe/Serie Compass
Übersetzer Katia Liebig
Sprache deutsch
Original-Titel Southern Storms
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte All in • berühre mich. nicht • Booktok • Bring Down the Stars • Deine Worte in meiner Seele • dramatisch • Emma Scott • Emotional • Gilmore Girls • Große Gefühle • Havenbarrow • Jax Kilter • Kennedy Lost • Kleinstadt • Laura Kneidl • Leidenschaft • Liebe • Liebesgeschichte • Liebesroman • Nähe • Neuanfang • New Adult • Romance • Romance Elements • Romantik • romantisch • Verliebt in Mr Daniels • Wenn der Morgen die Dunkelheit vertreibt • Wenn Donner und Licht sich berühren • Wie die Ruhe vor dem Sturm • Wie die Stille vor dem Fall
ISBN-10 3-7363-1458-2 / 3736314582
ISBN-13 978-3-7363-1458-0 / 9783736314580
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