Maxima Culpa (eBook)

Spiegel-Bestseller
Jedes Verbrechen beginnt im Kopf | Der bekannteste Gefängnisarzt Deutschlands analysiert spektakuläre Kriminalfälle

***** 1 Bewertung

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
420 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2693-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Maxima Culpa -  Joe Bausch,  Bertram Job
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True Crime Stories von Joe Bausch, dem Experten für Verbrechen und das Böse »Von unvorstellbarem Ausmaß«, so werden Gewaltakte mit tödlichem Ausgang in der Öffentlichkeit häufig genannt. Nur wenige Menschen kennen persönlich so viele Schwerverbrecher wie der langjährige Gefängnisarzt und True-Crime-Spezialist Joe Bausch. In seinem neuen Buch geht er der Frage nach, wie Gewalttaten entstehen. Er erzählt den Fall von der »Eislady«, aus Portugal, die sich von ihren dominanten Männern nur durch Mord zu befreien wusste. Oder vom dreifachen Familienvater, der auf Jersey elf Jahre lang ein Doppelleben als Sexualstraftäter führen konnte. Immer zeigt Bausch faszinierende Täterprofile und subtile Kausalitäten auf, die auch etwas vom zerstörerischen Drive unserer Gesellschaft offenbaren.

Joe Bausch, Jahrgang 1953, arbeitete über dreißig Jahre lang als Leitender Regierungsmedizinaldirektor in der Justizvollzugsanstalt Werl und ist bekannt als Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth im Kölner Tatort.

Joe Bausch, Jahrgang 1953, arbeitete über dreißig Jahre lang als Leitender Regierungsmedizinaldirektor in der Justizvollzugsanstalt Werl und ist bekannt als Rechtsmediziner Dr. Joseph Roth im Kölner Tatort.

Hinter einem roten Vorhang


Im Juli 1966 trifft auf der Polizeistation von St. Helier, der Hauptstadt der britischen Kanalinsel Jersey, ein ominöser Brief ohne Absender ein. Er ist handschriftlich verfasst und hat, ins Deutsche übersetzt, folgenden Wortlaut:

Mein lieber Sir,
ich denke, es ist an der Zeit, dir zu sagen, dass du nur deine Zeit verschwendest, denn ich habe jedes Mal getan, was ich tun wollte, und denk daran, dass es damit nicht aufhören wird, aber ich werde fair zu dir sein und dir eine Chance geben. Ich habe nie viel vom Leben gehabt, aber jetzt beabsichtige ich, so viel wie möglich davon zu kriegen … Ich wollte immer das perfekte Verbrechen begehen. Das ist mir bisher gelungen. Aber lass dieses Mal den Mond im September ganz hell scheinen, denn auch diesmal muss es perfekt sein. Ich bin weit entfernt davon, verrückt zu sein, aber ich spiele gern mit Leuten wie euch. Ihr werdet vor September von mir hören, und ich werde alle Hinweise geben. Einfach nur, um zu sehen, ob ihr mich ergreifen könnt.

Die Adressaten müssen nicht lange überlegen, auf welch düstere Ereignisse sich der anonyme Verfasser bezieht – so viele Verbrechen gibt es auf Jersey nicht. Zu jener Zeit werden in einer Metropole wie London Tag für Tag fast sechshundert Gewaltdelikte registriert. Doch auf einer 14,5 mal 8 Kilometer kleinen Insel im Ärmelkanal sind solche Taten eine Seltenheit. Dort leben in den 1960ern kaum mehr als dreißigtausend Menschen. Dieses »jedes Mal«, von dem da die Rede ist, kann sich also nur auf die Serie von Fällen beziehen, die neun Jahre zuvor begonnen hat. Es handelt sich um sehr brutale, auch sexuell motivierte Überfälle auf halbwüchsige Mädchen und Jungen sowie junge Frauen. Sie wurden von umfangreichen, aber letztlich ergebnislosen Ermittlungen begleitet, die man vor Ort mit jener typischen Mischung aus Angst und Sensationslust verfolgt hat. Wie Menschen nun mal reagieren, wenn etwas so Unerhörtes in unmittelbarer Umgebung passiert.

Der einzige Trost, den Jerseys brave Bürger zu haben glauben, ist die Tatsache, dass die ominöse Serie nach dem letzten Vorfall im August 1964 abgerissen scheint. Keine weiteren schwer verletzten Opfer seither, keine weiteren »horror news«. Das lässt eine aufgeschreckte Community allmählich zur Ruhe kommen. Zumal das vorläufige Ende der schwarzen Serie ein gängiges Erklärungsmuster bedient: Wer immer das gewesen ist, kann nicht aus unserer Mitte stammen; da muss einer von außen gekommen und irgendwann auch wieder verschwunden sein. Diese Art von Erzählung ist beruhigend genug, um wieder halbwegs ins normale Leben zu finden. Raus aus der Verunsicherung, zurück zur Tagesordnung.

Mit diesen seltsam abgeklärten und doch bedrohlichen Zeilen aber wäre das bisschen Zuversicht dahin, das sich auf Jersey wieder aufgebaut hat. Deshalb macht die Polizei das anonyme Schreiben zunächst nicht öffentlich. Außerdem besteht theoretisch die Möglichkeit, dass sich da ein Trittbrettfahrer, ein Nachahmer oder vielleicht auch ein »lunatic«, also irgendein Verrückter, einen ziemlich üblen Spaß erlaubt. Ermittelnde auf der ganzen Welt kennen das zur Genüge. Noch im August aber geschieht, was der Verfasser in seinem Schreiben angekündigt hat: Die Insel wird vom nächsten Gewaltdelikt erschüttert.

In der Gemeinde Trinity, im Norden der Insel, wird ein fünfzehnjähriges Mädchen am späten Abend nahe einer Bushaltestelle überfallen. Das Opfer erinnert sich an einen kleinen, seltsam maskierten Mann, der es mit einem Seil gefesselt und dann äußerst brutal vergewaltigt hat. Der Körper des Mädchens weist an etlichen Stellen längere, parallel verlaufende Schürfspuren auf; sie sind zu regelmäßig, um von simplen Kratzattacken zu stammen. Außerdem berichtet das Mädchen von einem »musty smell«, also einem strengen Geruch, der vom Mantel des Angreifers ausgegangen sei.

Das kommt der Polizei leider allzu bekannt vor. Auch im November 1957 soll es ein untersetzter, maskierter Mann in einem muffigen Mantel gewesen sein, der den ersten, vergleichbaren Übergriff verübt hat. Er zog an einer Bushaltestelle bei Mont a l'Abbe, unweit von St. Helier, eine neunundzwanzigjährige Krankenschwester ins Gebüsch, um sie dort zu vergewaltigen. Das Opfer trug mehrere Platzwunden davon, die im Krankenhaus genäht wurden. Der zweite Übergriff folgte im März 1958 in der erwähnten Gemeinde Trinity: Eine zwanzigjährige Frau wurde auf dem späten Heimweg überfallen, ins Abseits gezerrt und vergewaltigt. Im August 1959 traf es dann ein junges Mädchen in der Gemeinde Grouville, und zwei Monate später eine achtundzwanzigjährige Frau in der Gemeinde St. Martin, die im Nordosten der Insel liegt. All diese Attacken wurden jeweils um Vollmondnächte herum verübt.

Das war erst der Anfang. Im Februar 1960 drang der maskierte Mann in der Region Grands Vaux nahe Mont a l'Abbe nachts in ein Haus ein und misshandelte einen zwölfjährigen Jungen. Einen Monat darauf bot er einer Fünfundzwanzigjährigen, die in St. Brélade auf dem Weg zur Bushaltestelle war, eine Mitfahrgelegenheit an, nur um sie jenseits der Straße brutal zu überwältigen und gefesselt zu vergewaltigen. Er drohte ihr an, sie umzubringen, falls sie sich wehren oder sich bemerkbar machen würde. Einen Monat später wiederum brach er in ein etwas abgelegenes Cottage in der St.-Martin-Gemeinde ein, bedrohte eine dreiundvierzigjährige Mutter und vergewaltigte deren Tochter. Bis April 1961 folgten fünf weitere Gewaltverbrechen.

Wen wundert es da, wenn auf der sonst so beschaulichen Insel längst vom »Beast of Jersey« gesprochen wird? Viele Bewohnerinnen und Bewohner rüsten mit Waffen und Schlagwerkzeugen jeder Art auf, um bei einem Einbruch wehrhaft zu sein. Die Zeit, als hier weder Häuser noch Autos abgeschlossen wurden, ist definitiv vorbei. Längst wird den Kindern verboten, sich im Dunkeln auf den Straßen zu tummeln. Viele werden jetzt sogar von der Schule oder dem Kindergarten abgeholt. Es ist ein anderes, ein weniger unschuldiges Jersey, das sich da entwickelt – von Vorsicht, Verdacht und Angst geprägt.

Die örtliche Polizei gibt zwar ihr Bestes, um dem Furcht einflößenden Phantom auf die Spur zu kommen. Besonders trainiert auf solche Gewaltverbrechen ist sie allerdings nicht. Also schickt ihnen Scotland Yard bald den Detective Superintendent Jack Mannings samt einigen seiner Mitarbeiter aus London herüber. Unter der Regie des renommierten Ermittlers, dessen Erscheinung stark an Derrick-Darsteller Horst Tappert erinnert, wird ein genaueres Profil des gesuchten Täters erstellt: knapp 1,68 Meter groß, Anfang bis Mitte vierzig, schmaler Oberlippenbart, leise Stimme und auffälliger irischer Akzent; trägt Schirmmütze, einen muffigen Mantel bzw. eine muffige Jacke sowie Handschuhe und hat stets Zigaretten, eine Taschenlampe und auch ein festes Seil dabei; damit fesselt er seine Opfer immer auf die gleiche Weise.

Außerdem fordert Mannings, dass alle rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürger der Insel sich von jetzt an »in Detektive verwandeln« sollen, um den gesuchten Serientäter endlich zu stellen. Tausende werden als vermeintliche Zeugen oder Verdächtige verhört, alle jemals Vorbestraften überprüft. Als man bei einem der Fälle Spuren feststellt, wird auch eine große Aktion gestartet: Alle Menschen auf der Insel sollen freiwillig ihren Fingerabdruck bei der Polizei abgeben. Die Beteiligung ist so überwältigend, dass irgendwann nur noch dreizehn Unwillige übrig bleiben, und als man auf sie eingeht, sind es am Ende fünf. Jeder von ihnen ist erst mal verdächtig, aber weiter kommt man trotzdem nicht.

Die flächendeckende Fahndung bewirkt zumindest, dass der Gesuchte zwei Jahre lang Ruhe gibt. Darüber hinaus führt sie aber zu keinem Ermittlungserfolg – und im April 1963 schlägt das Phantom wieder zu. Diesmal trifft es einen neunjährigen Jungen aus der zentral gelegenen Gemeinde St. Saviour. Es folgen drei weitere Attacken, danach ist wieder Pause. Bis im Sommer 1966 das anonyme Schreiben eintrifft, gefolgt von dem brutalen Übergriff auf das fünfzehnjährige Mädchen. Das ist in der Summe eine Herausforderung: Hier meldet sich ein seit Jahren gesuchter Serientäter bei seinen Verfolgern zurück. Er will das böse Spiel weiterspielen, catch me if you can, und ist sich seiner Sache so sicher, dass er bewusst eine Spur hinterlässt. Nichts anderes bedeutet es ja, wenn einer die Probe seiner Handschrift direkt bei der Polizei einreicht.

Die Ermittelnden dürfen nun von dem Typ eines notorischen Täters ausgehen, der sich allen anderen überlegen wähnt und ihnen gegenüber Macht demonstriert. Es sind Merkmale, die insbesondere auf den klassischen Psychopathen hinweisen – eine dissoziale und schwer gestörte, aber oft auch sehr clevere, wenn nicht intelligente Persönlichkeit, die sich am Selbstbild des nicht greifbaren Vollstreckers berauscht. Ein Leitwolf unter lauter Schafen, König und Richter mit unbegrenzten Befugnissen in seinem eigenen Reich. Ohne weitere konkrete Anhaltspunkte hat die Polizei allerdings sehr wenig von diesem ersten Ansatz eines...

Erscheint lt. Verlag 30.6.2022
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Literatur Krimi / Thriller / Horror
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte echte Fälle • Giftmorde • Kriminalität • Mord • Mörder • Narzissten • Nervenkitzel • Opfer • Psychopathen • Schwerverbrechen • Serienmörder • Soziopathen • Straftaten • Täter • True Crime • Wahre Kriminalfälle • Wahre Verbrechen
ISBN-10 3-8437-2693-0 / 3843726930
ISBN-13 978-3-8437-2693-1 / 9783843726931
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5 Verbrechen beginnen im Kopf

von (Leipzig), am 27.09.2022

Joe Bausch, selber nicht nur Schauspieler sondern jahrzehntelang auch Gefängnisarzt, geht in seinem neusten Buch "Maxim Culpa" der Frage nach, wie Täter in manchen Situationen ticken und wie es manchen von ihen Jahrelang gelungen ist, ein scheinbar "normales" Leben zu führen.

In mehreren Kapiteln stellt er verschiedene Arten von Verbrechen vor, die er anschaulich an jeweils mehreren Fällen (von recht bekannten bis auch eher unbekannten)eingehender beleuchtet. Man bekommt als Leser bzw. Hörer dadurch einen Eindruck, wie geschickt manche Täter ihre Taten vertuschen können und welche "Fehler" die Gesellschaft gemacht hat, um mögliche Verbrechen vielleicht im Vorfeld noch verhindern zu können.

Als echter TrueCrime Fan kamen einen viele Fälle recht bekannt vor, da diese zum Teil auch ausführlich durch die Öffentlichkeit gingen. Aber es waren auch "neue" Fälle dabei, von denen ich bisher noch nichts gehört hatte.

Ich hatte das Hörbuch, welches von Joe Bausch selber gelesen wurde. Er hat eine angemehme Stimme, so dass es leicht war den Fällen auch nebenbei zu folgen, was mir bei Hörbüchern u. a. wichtig ist. Es ist schon erschreckend zu hören (oder zu lesen) wie leicht manche Täter wegen Kleinigkeiten ausrasten können und wie die Gesellschaft viel zu oft und zu lange wegsieht.

Insgesamt kann ich eine klare (Hör-)Empfehlung abgeben, nicht für echte True Crime Fans, sondern auch für Neulinge.
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 2,5 MB

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