Akte Nordsee - Am dunklen Wasser (eBook)

Spiegel-Bestseller
Kriminalroman
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
414 Seiten
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-2066-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Akte Nordsee - Am dunklen Wasser -  Eva Almstädt
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Fentje Jacobsen entspricht nicht dem klassischen Bild einer Rechtsanwältin. Sie betreibt ihre Kanzlei vom Bauernhof ihrer Großeltern in Nordfriesland aus. Dort rauben ihr die beginnende Demenz der Oma, eine renitente 14-jährige Nichte und der leichtsinnige Bruder den letzten Nerv. Als Fentje beauftragt wird, einen jungen Mann zu vertreten, der des Mordes an seiner Freundin verdächtigt wird, stößt sie auf einen alten, sehr ähnlichen Fall. Fast zeitgleich verschwinden zwei Schülerinnen aus einem nahe gelegenen Internat. Bei ihren Nachforschungen lernt sie den weltgewandten, ehrgeizigen Journalisten Niklas John kennen. Trotz unterschiedlicher Ziele beginnen sie gemeinsam zu ermitteln ...



Eva Almstädt absolvierte eine Ausbildung in den Fernsehproduktionsanstalten der Studio Hamburg GmbH und studierte Innenarchitektur in Hannover. Sie ist Autorin der erfolgreichen Ostseekrimireihe um die Lübecker Kommissarin Pia Korittki und lebt in Hamburg.

Eva Almstädt absolvierte eine Ausbildung in den Fernsehproduktionsanstalten der Studio Hamburg GmbH und studierte Innenarchitektur in Hannover. Sie ist Autorin der erfolgreichen Ostseekrimireihe um die Lübecker Kommissarin Pia Korittki und lebt in Hamburg.

1. Kapitel


Ein warmer, sandig riechender Atem streifte seine Haut. Tobias blinzelte. Er sah die schattenhafte Kontur eines Kopfes, der sich über ihm bewegte. Bernsteinfarbene Augen mit schmalen, horizontalen Pupillen starrten ihn aus einem fremdartigen, dunklen Gesicht an. Was zum Teufel …

Er hob abwehrend einen Arm, der sich tonnenschwer anfühlte, und der Untergrund erbebte. Das »Etwas« wich zurück. Kurzzeitig machte er durch feuchten Nebel ein paar blasse Sterne aus. Die Farbe des Himmels war ein transparentes Graublau mit einer Spur Violett darin. Die Morgen- oder die Abenddämmerung?

Tobias versuchte, sich zu bewegen, doch seine Glieder gehorchten ihm nicht. Wie steif gefroren lag er in einem Bett aus nassem Gras. Etwas zog an seiner Hose, drückte hart in seinen Oberschenkel. Er stöhnte auf, und ein heftiger Schmerz gesellte sich zu dem Pochen in seinem Kopf.

Was sollte das? Wo befand er sich? Und wie war er überhaupt hierhergekommen? Je angestrengter er versuchte, sich zu erinnern, desto mehr dröhnte sein Schädel. Tobias war nach seiner Arbeit im Dune ins Auto gestiegen. So viel wusste er noch. Doch wo hatte er hinfahren wollen? Was war danach passiert? Die schattenhaften, irgendwie bedrohlichen Erinnerungen, die am Rande seines Bewusstseins lauerten, wichen zurück, sobald er versuchte, sie festzuhalten. Hatte er einen Unfall gehabt?

Ihm musste etwas so Grauenhaftes widerfahren sein, dass sein Gehirn sich weigerte, es preiszugeben. Das Schrecklichste, was er sich vorstellen konnte, war unzweifelhaft, dass er hier und jetzt im Sterben lag.

Bitte nicht!, dachte er. Ich bin doch noch so jung.

Die Zeit war mal wieder zu knapp. Fentje Jacobsen musste sich entscheiden: Die Schafe kontrollieren und Lämmer zählen stand ganz oben auf ihrer Agenda. Sie hatte es ihrem Großvater am vergangenen Abend versprochen.

Er hatte sich mal wieder aufgeregt, weil er nicht mehr so konnte, wie er wollte, und das war nicht gut für sein Herz. Ein Nachbar hatte ihm erzählt, dass bei den Schuberts zwei Lämmer gerissen worden waren. Wahrscheinlich von einem wildernden Hund oder den Raben … An Wölfe wollte Fentje jetzt nicht denken. Sie musste einfach nur kurz hinfahren und nachsehen, ob alles in Ordnung war. Doch wenn sie trotzdem um acht Uhr ihren Mandanten empfangen wollte, dann würde sie das entweder ungeduscht tun müssen oder ohne gefrühstückt zu haben.

Fentje stieg in die Gummistiefel und griff nach ihrem Parka.

Ihre Nichte Sofia kam wohlduftend und mit glänzenden Haaren die Treppe herunter. »Wo willst du hin? Du weißt schon, dass du gleich einen Termin hast, Tantchen?«

»Nenn mich nicht ›Tantchen‹. Du könntest meinen Mandanten schon mal in mein Büro führen und ihn mit einem Kaffee ruhigstellen, falls ich mich ein paar Minuten verspäten sollte.«

»Ein paar Minuten?« Sofia rollte mit den Augen, wie es nur Teenager konnten. »Dann verpasse ich den Schulbus. Ich komme heute übrigens später.«

»Was hast du denn vor?«

»Ich fahre nachher noch mit Chrissie nach Hamburg. Ihre Ma nimmt uns mit.«

»Na, dann viel Spaß.« Fentje griff nach dem Eimer mit Kraftfutter. Das war das ultimative Mittel, um ein Schaf anzulocken. Deshalb stand er praktischerweise im Eingangsbereich. »Ich bin trotzdem weg. Lass einfach die Haustür offen.«

Haus der offenen Tür und der offenen Kanzlei. Zu allem Übel war Carstensen zurzeit ihr einziger neuer Mandant. Der sollte sich nicht an einer verschlossenen Eingangstür die Nase stoßen. Doch wenn sie erst später zur Weide mit den Mutterschafen fuhr, würde Opa im Dreieck springen – sofern es ihm mit seinem Bandscheibenvorfall möglich war.

Fentje stieg in ihren Pick-up und raste die schmale Straße auf dem Deich entlang. Sie bog in einen Feldweg ein und stoppte an der Weide. Fentje sprang aus dem Wagen und lief durch das nasse Gras. Die Schafherde ihres Großvaters weidete friedlich im Morgennebel, der aus den Gräben aufstieg. Einunddreißig Mutterschafe, helle und dunkle, und ein paar erste Lämmer … Das Areal war provisorisch von einem orangefarbenen Netzzaun umgeben, den Sofia und sie am Wochenende gesetzt hatten – da Opa sich kaum hatte rühren können. Und ihr Nachbar Hauke hatte ihnen mit seinen zwei Border Collies beim Umtreiben geholfen.

Hauke Schubert war Fentjes Sandkastenfreund und ein Goldstück. Doch das System der Nebenerwerbslandwirtschaft hakte, wenn sie immer wieder auf die Hilfe von Außenstehenden angewiesen war.

Sie betrat die Weide. Hoffentlich stieß sie nicht auf ein totes Lamm oder gar mehrere. Da hinten lag tatsächlich etwas Dunkles im Gras. Oh nein. Hatte ihr Großvater mit seinen Befürchtungen etwa recht gehabt?

Nein, das war kein totes Lamm. Sie erkannte ein Bein in einer dunklen Jeans, einen Körper … einen Menschen, der in einer Senke in der Nähe des Weidezauns lag.

»Hallo?« Fentjes Herz begann, schneller zu schlagen, und sie hastete vorwärts. »Hallo! Kann ich Ihnen helfen?« Sie ging neben dem Mann auf die Knie, legte eine Hand auf seinen kalten Arm und rüttelte leicht daran. Der Mann blinzelte – er lebte!

»Wer sind Sie? Mein Kopf …«, stieß er hervor. Er hatte halblange, blond gelockte Haare und war braun gebrannt. Er mochte Mitte zwanzig, Anfang dreißig sein, also ungefähr so alt wie sie.

»Fentje Jacobsen. Was ist los mit Ihnen?«

»Keine Ahnung. Wo bin ich?«

»Auf unserer Schafweide.«

»Wie bin ich hierhergekommen?« Er stemmte sich ächzend hoch, und sie stützte ihn, bis er neben ihr saß.

»Kleiner Kneipenbummel gestern Abend?«, schlug sie vor.

Er kniff die Augen zusammen, schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß es nicht.«

»Soll ich einen Krankenwagen rufen?« Fentje wollte ihr Handy hervorziehen, doch dann fiel ihr ein, dass sie auf dieser Weide keinen Empfang hatte.

»Nein! Nicht nötig. Ich kann aufstehen.«

Misstrauisch sah Fentje, wie er langsam und unter Stöhnen zum Stehen kam. Er war recht groß und muskulös, trug Jeans und einen schwarzen Sweater. Wenn er die Nacht hier draußen verbracht hatte, musste ihm entsetzlich kalt sein. Sie nahm jedoch keine Alkoholfahne bei ihm wahr. Nichts an ihm erklärte, wie er ausgeknockt auf einer abgelegenen Schafweide gestrandet war. Der Mann schwankte und fasste sich an den Hinterkopf. Sie stützte ihn vorsorglich am Ellenbogen. »Und wer sind Sie?«

»Oh, ’tschuldigung! Tobias … Tobias Asmus. Ich wohne in Husum.«

»Ist ja ’n kleines Stück zu gehen.«

Er blickte sich um. »So viele Schafe hier. Sind das Ihre?« Dann schaute er auf die Innenfläche seiner Hand. Eilig wischte er sie am Hosenbein ab.

»Bluten Sie am Kopf?«

»Das ist nichts … Sehen Sie hier irgendwo ein Auto? Einen … schwarzen Golf?«

»Nein. Nur meinen Pick-up da vorn. Kann man schwer verwechseln.«

»Ich weiß nicht, wo mein Auto ist.« Nun schlich sich ein Anflug von Panik in seine Stimme.

»Soll ich Sie irgendwo hinfahren?«, schlug Fentje vor. »Zu einem Arzt vielleicht? Oder zur Polizei?«

»Nein. Nicht zum Arzt«, sagte er entschlossen. »Das ist nicht nötig.«

Sie hatte keine große Lust, ihn um diese Uhrzeit nach Husum zu kutschieren. Und das war noch die Untertreibung des Tages. Fentje vermied es nach Möglichkeit, zur Rushhour in die Stadt zu fahren. Außerdem musste ihr Mandant jeden Moment kommen! »Ich kann Sie erst mal mit zu mir auf den Hof nehmen«, schlug sie vor. »Von dort sehen wir weiter.«

Er nickte und folgte ihr brav wie ein Hündchen. Ein eins achtzig großes Hündchen mit der Figur eines Olympiaschwimmers. Auf dem Weg richtete Fentje noch ein Stück des Zauns wieder auf, über den Tobias Asmus vergangene Nacht offensichtlich die Weide »betreten« hatte. Er ging so langsam und schleppend, dass sie auch noch die Schafe zählen konnte. Alles so weit in Ordnung – zumindest, was diese Herde betraf.

Ihr Mandant, Carsten Carstensen, stand an seinen goldbraunen Toyota gelehnt auf dem Hofplatz und checkte sein Handy. Er war der Vorsitzende des Sportvereins und hatte sich an Fentje gewandt, weil ein paar frischgebackene Ferienhausbesitzer den Verein wegen Ruhestörung durch sonntägliche Fußballturniere verklagt hatten.

»Komm doch schon mal rein«, sagte Fentje nach einer kurzen Begrüßung. »Ich muss mich noch kurz um diesen Mann hier kümmern, den ich auf der Schafweide aufgelesen habe. Bin gleich bei dir.«

»Immer mit der Ruhe, Fentje«, meinte Carstensen, ohne von seinem Handy aufzusehen. »Der Ärger läuft uns ja nicht weg!«

Zu dritt betraten sie die weitläufige Diele des Bauernhauses, von der Fentjes Kanzleiräume, ihr Wohn- und ihr Schlafzimmer sowie die Küche abgingen. Sie bewohnte den ehemaligen Kuhstall, während ihre Großeltern und ihr Bruder Bendix in den zwei Wohnungen auf der anderen Seite des Hauses lebten. Bendix’ Tochter Sofia hatte nach und nach die freien Räume im Obergeschoss des alten Kuhstalls annektiert, die jetzt nur noch »Prinzessinnenzimmer« oder »die verbotene Zone« genannt wurden.

Fentje streifte die Gummistiefel von den Füßen, warf den Parka auf einen Stuhl und ärgerte sich, dass sie nun tatsächlich sowohl ihr Frühstück als auch das Duschen hintanstellen musste.

»Geh doch schon mal in mein Büro«, sagte sie zu Carstensen. Und zu Asmus: »Und Sie kommen mit in die Küche. Ich schaue mir kurz Ihren verletzten Kopf an.«

Tobias Asmus ließ sich ergeben auf einen Stuhl fallen. Er betastete seinen Hinterkopf. Fentje musterte...

Erscheint lt. Verlag 27.5.2022
Reihe/Serie Fentje Jacobsen und Niklas John ermitteln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Anwältin • Bauernhof • Blanker Hans • Cold Case • der Blanke Hans • Ermittler • Ermittlerduo • Erster Fall • Fentje Jacobsen • Husum • Journalist • Kanzlei • Krimis • Mordermittlung • Niklas John • Nordfriesland • Nordseekrimi • Pia Korittki • Reporter
ISBN-10 3-7517-2066-9 / 3751720669
ISBN-13 978-3-7517-2066-3 / 9783751720663
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