Schattenelfen - Das Labyrinth der Nacht (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman
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2023 | 1. Auflage
416 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-26996-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Schattenelfen - Das Labyrinth der Nacht -  Bernhard Hennen
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Fürstin Alathaia ist auf der Flucht. Ihr Traum von einem Fürstentum, in dem unbegrenzte Freiheit herrscht, ist zerbrochen, ihr Leben ein Labyrinth der Finsternis. Alle Wege scheinen versperrt. Zu übermächtig ist ihre Gegenspielerin, die Elfenkönigin Emerelle. Doch größte Verzweiflung gebiert größte Entschlossenheit. Und so macht sich Alathaia mit ihren letzten Getreuen auf den Weg, um das Undenkbare zu wagen. Sie reist in die Eiswüsten der Snaiwamark und bittet die geschworenen Feinde der Elfen um Hilfe: die Trolle.

Bernhard Hennen, 1966 geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Vorderasiatische Altertumskunde. Mit seiner »Elfen«-Saga stürmte er alle Bestsellerlisten und schrieb sich an die Spitze der deutschen Fantasy-Autoren. Bernhard Hennen lebt mit seiner Familie in Krefeld.

GEMAHLINNEN


Eine breite Bresche war in die Flanke des Hügels geschlagen worden, auf dem noch vor Kurzem inmitten eines Bambuswaldes das Zelt Ligons, des Gläsernen Kaisers, gestanden hatte. Wände aus frisch geschnittenem Bambus hinderten das rötliche Erdreich daran nachzusacken. Der Boden, auf dem sie gingen, war ebenfalls mit Bambusrohr bedeckt. Dienerinnen folgten Adelayne und Makiko und hielten selbstlos Seidenschirme über sie, um die Kaiserinnen vor dem unerbittlichen Regen zu schützen, während sie selbst schon bis auf die Haut durchnässt waren.

Onkel Hiro hatte sie beide ins Totenhaus gebeten, um ihnen seine Arbeit an Kaiser Jagon zu präsentieren. Vielleicht hatte er aber auch ein anderes Ansinnen. Hunderte von Arbeitern umgaben sie. Wohin Adelayne auch blickte, sah sie Damien im Lendenschurz, bedeckt mit rotem Schlamm. Sie wühlten sich in den Hügel, um den Totenpalast für die beiden jüngst verstorbenen Kaiser anzulegen. Mächtige Steinblöcke wurden von Frachtschiffen am Fluss auf Schlitten über die Bambuswege herangeschafft. Aus den Steinmetzwerkstätten war ein unermüdliches Stakkato von Hämmern auf Meißeln zu hören.

Gemeinsam mit ihrer Gemahlin Makiko hatte Adelayne entschieden, nur mit kleinem Gefolge zum Totenhaus zu kommen, um nicht verängstigt zu wirken, indem sie sich mit Heerscharen von Leibwächtern umgaben. Doch nach den fehlgeschlagenen Angriffen auf die Insel des Meeres und die Marktinsel, gefolgt von der Befreiung Leynelles, bei der Kaiser Jagon getötet worden war, brodelte es im Heer. Drei Niederlagen in Folge hatten Makikos Sieg auf der Insel der Märtyrer verblassen lassen, und als Herrscherin war sie keinesfalls unentbehrlich. Ganz im Gegenteil. Adelayne hatte die Worte des Einbalsamierers durchaus noch im Gedächtnis, die er am offenen Sarkophag des Gläsernen Kaisers gesprochen hatte: Schon viele aus der Familie haben vor mir auf dem Steintisch gelegen. Männer, Frauen, Kinder … Einige Neugeborene. Zwei Kinder hatten nicht einmal den Leib ihrer Mutter verlassen. Unter all den Toten war kein einziger, der an Altersschwäche oder Krankheit gestorben wäre.

Adelayne überlegte, wie es ein Meuchler wohl anstellen würde, sie und Makiko zu töten. Oder vielleicht auch nur eine von ihnen?

Sie würde versuchen, es wie einen natürlichen Tod aussehen zu lassen, überlegte Adelayne, aber waren die Damien noch bereit, so subtil vorzugehen? Der Blick der Elfe glitt über die unzähligen Arbeiter, über das Dach des Totenhauses. Ein Armbrustschütze dort oben vielleicht?

Sie sollte aufhören, sich umzusehen. Ihre Leibwache war loyal. Die Kriegerinnen in den weißen Waffenröcken würden gut auf sie achten, und Adelaynes Aufgabe als Kaiserin war es, unerschütterliches Selbstbewusstsein auszustrahlen. So zwang sich die Elfe zu einem Lächeln und erduldete den langsamen, lärmenden Takt der Kesselpauken, die geschlagen wurden, als sie sich dem Totenhaus näherten.

Drei hohe Stufen führten zu dem schmucklosen, dreißig Schritt langen Bau, der auch als Lagerhalle hätte durchgehen können, wäre da nicht das zweiflügelige Bronzetor gewesen, dessen Hochrelief einen Angriff von Kriegselefanten zeigte.

Makiko an ihrer Seite hielt sich gut. Sie hatte die Stunde vor dem Aufbruch unter ihren Blumen verbracht. Die Damien war seltsam. Manchmal sprach sie zu den Pflanzen und neigte dann den Kopf, als würde sie auf Antworten lauschen.

Ihre kaiserliche Gemahlin trug ein Kleid mit weit ausgestellten Ärmeln. Es war in Rot gehalten, mit breiten weißen Säumen. Schlicht und doch elegant. Adelaynes Kleid sah fast identisch aus, bei umgekehrter Farbgebung, sodass bei ihr die Säume rot waren und sie eine breite rote Schärpe trug. Nach dem Tod des Gläsernen Kaisers wäre das Heer beinahe auseinandergebrochen. Die Krieger hatten Weiß gewählt, wenn sie sich seinem Sohn Jagon verbunden fühlten, und Rot, wenn sie aufseiten seiner Tochter Makiko standen. Adelayne hatte die Lage zu nutzen gewusst und kurzerhand beide Geschwister zugleich geehelicht. Nun versuchten sie und ihre Gemahlin, die Zwietracht im Heer durch die Botschaft ihrer Kleider aufzuheben: Rot und Weiß waren wieder eins!

Als sie auf fünfzig Schritt an das Totenhaus heran waren, setzte ein wimmerndes Spiel seltsamer Saiteninstrumente ein. Auf den drei hohen Stufen zum Portal hatten sich etliche Würdenträger des Hofes versammelt. Der strömende Regen des Nachmittags hatte einen guten Teil ihrer Würde fortgespült. Schminke war verlaufen, Seidengewänder, so wertvoll wie hundert Wasserbüffel, hingen schlaff an ihren Besitzern herab, Frisuren hatten sich aufgelöst. Wenn die Kaiserinnen unter Schirmen vor den Hof traten, war es niemand anderem erlaubt, auf diese Weise vor dem Regen geschützt zu werden.

Dies war nur eines der unzähligen Gesetze, die Adelayne für taktisch unklug hielt. Alles erschien ihr wie ein einziges Gegeneinander. Schon auf die falsche Art eine Teeschale an die Lippen zu führen mochte am Kaiserhof als ehrabschneidende Beleidigung aufgefasst werden, die mit dem Tod bestraft werden konnte.

Wenn die Schlacht um Caistella erst einmal gewonnen war, dann würde sie gründlich mit diesen unsäglichen Ritualen aufräumen, das schwor sich die Elfe. Sie wollte als Herrscherin die Fäden in der Hand halten, nicht im Netz der Intrigen verenden!

Die bronzenen Torflügel schwangen auf. Adelayne musste ihr Kleid raffen, um die hohen Stufen zu bewältigen. Hoffentlich sah ihre Schminke nicht so erbärmlich aus wie die der Höflinge. Ihr Gesicht war vom Haaransatz bis unters Kinn weiß, schwarze Linien und ein blassgrauer Lidschatten betonten ihre großen blauen Augen. Ihre Lippen hatten ihre Dienerinnen rot bepinselt.

Aus dem Tor des Totenhauses wogte Rauch, der ihr in der Kehle kratzte und in den Augen brannte. Adelayne trat an Makikos Seite in eine lang gestreckte fensterlose Halle, die in unstetes rötliches Licht getaucht lag. Zwei Reihen mit Feuerschalen wiesen den Weg zu einem schlichten hölzernen Tor am gegenüberliegenden Ende.

Hinter ihnen strömten die Würdenträger in die Halle. Sie gruppierten sich entlang der Wände. Adelayne erlaubte sich einen flüchtigen Blick über die Schulter. Es waren ausschließlich Männer, die dort Aufstellung nahmen. Einigen sah sie die Erleichterung an, dem Regen entkommen zu sein.

Hinter ihnen schlossen sich die Bronzeflügel des Eingangs. Erst dann wurde das schlichtere Tor vor ihnen geöffnet. Eine weitere Halle, beleuchtet von Feuerschalen, lag vor ihnen. Hier hing der schwere Duft von Weihrauch in der Luft. Er machte Adelayne leicht benommen. Die Kriegerinnen und Hauptleute ihrer Leibwache eilten im Sturmschritt an ihnen vorüber und bildeten ein Spalier.

Die letzte Tür vor ihnen war nur noch eine schlichte hölzerne Pforte. Drei Mal klopfte Makiko, dann wurde ihnen aufgetan. Ein kleiner, kahlköpfiger Priester in bodenlangem rotem Gewand öffnete. Sein Gesicht wirkte ausgezehrt. Die Wangen waren eingefallen, seine Augen nur noch marmorweiße Kugeln. Wer nicht zur Familie gehörte, dem war es bei Todesstrafe verboten, Angehörige des Kaiserhauses nackt zu sehen. Deshalb waren die Einbalsamierer geblendet worden.

Die letzte Kammer des Totenhauses wurde von einem großen Steinquader beherrscht, auf dem nun zwei gläserne Sarkophage standen. Der eine schien leer zu sein, abgesehen von einer schwebenden, hauchdünnen Goldmaske. Das mit Goldstaub bedeckte Antlitz des Gläsernen Kaisers. Neben ihm ruhte sein Sohn, ganz in weißer Seide. Jagons Gesicht war geschminkt und zeigte eine Würde, die Adelayne zu Lebzeiten an ihrem Gemahl nie hatte entdecken können. Auch war ihm nicht mehr anzusehen, was Leynelles unzählige Bienen ihm angetan hatten.

»Geht nun, meine Kinder. Geht. Geht!« Hiro wedelte affektiert mit seinen schmalen Händen, und die drei blinden Einbalsamierer, die ihm stets zur Seite standen, verließen eilig die Kammer.

Auch Makikos Onkel war kahlköpfig. Sein Antlitz war so bleich, als habe es Jahrzehnte kein Sonnenlicht gesehen. Er war ein großer, erschreckend hagerer Mann. Tiefe Falten hatten sich in seine Augenwinkel gegraben.

»Ihr lasst meinen Bruder gut aussehen«, bemerkte Makiko.

»Selbstverständlich tue ich das, meine Kaiserin. Es ist meine Pflicht. Ich …« Er stockte, wartete, bis sich die Tür hinter seinen Gehilfen schloss. »Ihr sollt wissen, dass ich nichts damit zu tun und natürlich nicht reagiert habe.« Er flüsterte jetzt nur noch und vermied es, ihnen in die Augen zu sehen. »Ihr beide seid in großer Gefahr. Ohne einen Mann … und dann noch als Frauen miteinander vermählt.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich stehe nicht gegen Euch, aber man hat mir die Kaiserwürde angeboten, glaube ich …«

»Glaube ich?«, fragte Makiko scharf. »Redet deutlicher, Onkel. Wurdet Ihr angesprochen oder nicht?«

»Gestern Abend lag eine Kopie des kaiserlichen Jadesiegels auf meinem Bett.« Er rang die Hände. »Das ist deutlich, denke ich. Aber ich will nicht herrschen. Nicht als Schattenfigur auf dem Thron sitzen, während andere an Stöcken meine Arme und Beine, ja selbst meine Kinnlade führen.«

»Und Ihr wisst nicht, wer die Kopie des Siegels gebracht haben könnte?« Adelayne musterte den Alten, der zur Antwort lediglich den Kopf schüttelte.

»Wenn Ihr wenigstens empfangen hättet, kaiserliche Hoheiten«, flüsterte Hiro verlegen. »Der Thron schreit nach einem Erben.«

»Natürlich haben wir empfangen, Onkel«, behauptete Makiko frech. »Wir haben beide meinem Bruder beigelegen. Einzeln und auch gemeinsam. Ihr wisst ja, wie Jagon war.«

Jetzt zeigte sich ein Hauch von...

Erscheint lt. Verlag 15.11.2023
Reihe/Serie Die Schattenelfen-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Fantasy
Schlagworte 2023 • Abenteuer • Bestseller-Autor • Drachen • eBooks • Elfen • Fantasy • Gestaltwandler • Herr der Ringe • High Fantasy • Intrigen • Liebe • Neuerscheinung • Spiegel-Bestseller-Serie • Starke Frauen • Trolle
ISBN-10 3-641-26996-2 / 3641269962
ISBN-13 978-3-641-26996-8 / 9783641269968
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