Wer war Klaus Bonhoeffer? (eBook)

Annäherungen an einen unbekannten Widerstandskämpfer
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2023 | 1. Auflage
640 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-27321-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wer war Klaus Bonhoeffer? -  Jutta Koslowski
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Leben und Bedeutung von Dietrich Bonhoeffers älterem Bruder Klaus Bonhoeffer
Wer war Klaus Bonhoeffer? Während Leben und Wirken Dietrich Bonhoeffers akribisch erforscht sind, gibt es bisher keine einzige Monographie über dessen Bruder. Dabei war Klaus nicht nur der ältere, sondern er ist Dietrich auch in mancher Hinsicht vorangegangen - nicht zuletzt auf dem Weg in den Widerstand gegen Hitler. Entsprechend seiner Persönlichkeit war Klaus im Kampf gegen die Diktatur in gewisser Weise sogar der Entschiedenere von beiden.

Dieses Buch erzählt die Geschichte von Klaus Bonhoeffer und zeichnet ein neues Bild seines Weges und seiner Bedeutung. Jutta Koslowski wertet bisher unveröffentlichte Quellen und umfängliches Archivmaterial aus und konnte dabei auch Dokumente einsehen, die bisher nur im Kreis der Familie Bonhoeffer bekannt waren. Ausführliche Interviews mit den drei noch lebenden Kindern von Klaus Bonhoeffer runden das Werk ab.

Das Lebensbild einer ungewöhnlichen und bisher zu wenig beachteten Persönlichkeit aus der Familie Dietrich Bonhoeffers und ein spannendes Stück Zeitgeschichte.

  • Die Wiederentdeckung einer starken Persönlichkeit aus der Familie Dietrich Bonhoeffers
  • Das Lebensbild von Klaus Bonhoeffer, wie es noch nicht erzählt wurde
  • Mit Berichten von Zeitzeugen und auf Grundlage bisher unveröffentlichter Quellen


Jutta Koslowski, Dr. theol., geboren 1968, verheiratet, vier Kinder. Pfarrerin in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau; Lehrbeauftragte an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, zahlreiche Veröffentlichungen zu den Themen ökumenische Theologie und interreligiösen Dialog. Promotion in München im Fach Ökumene mit einer Arbeit unter dem Titel 'Die Einheit der Kirche in der ökumenischen Diskussion'. Derzeit arbeitet sie an einem Habilitationsprojekt an der Universität Mainz über das Thema 'Judentum und Christentum - Versuche der Verhältnisbestimmung nach der Shoah'. Mitglied in der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft. Sie lebt mit ihrer Familie im Kloster Gnadenthal.

»Unser kleiner Philosoph«

Klaus Bonhoeffers Kindheit und Jugend

Wer war Klaus Bonhoeffer? Er wurde am 5. Januar 1901 in Breslau geboren als drittes Kind seiner Eltern Karl und Paula Bonhoeffer. Der Vater Karl Bonhoeffer (1868–1948) war seit 1912 Professor für Psychiatrie und Direktor an der berühmten Universitäts-Klinik Charité in Berlin. Er hatte den ersten Lehrstuhl in Deutschland für dieses damals noch recht neue Fach inne und konnte damit als ein Gegenpol zu Sigmund Freud in Wien verstanden werden. Als Mediziner war er streng naturwissenschaftlich geprägt und hatte seit seiner Jugendzeit ein kritisches Verhältnis zur Kirche und zum christlichen Glauben. Sein Enkel Klaus von Dohnanyi beschreibt Karl Bonhoeffers rationalistisches Ethos so:

»Kein Argument ohne Begründung, keine Begründung ohne Beweis. Jeder Irrtum ist verzeihlich – nur nicht die Unfähigkeit, ihn einzugestehen.«1

Anders Klaus Bonhoeffers Mutter Paula (1876–1951), die als Pfarrerstochter einer liberalen Tradition entstammte. Ihr Großvater war der bekannte Jenaer Theologieprofessor Karl August von Hase; außerdem zählen zu ihren Vorfahren die Musiker-Familie Härtel sowie die Maler und Bildhauer Cauer und von Kalckreuth. Über sie schreibt Klaus von Dohnanyi:

»Nicht nur handfest und fromm, sondern auch mit ihren Gefühlen Preussen, dem Kaiser und dem Reich verbunden, war sie, wie mir scheint, in einem viktorianischen Sinne national: patriotisch, mit einer auch sentimentalen Einfärbung.«2

Für Klaus und seine sieben Geschwister verband sich also das wissenschaftliche mit dem künstlerischen Erbe vor dem Hintergrund eines liberalen Protestantismus. Noch einmal Klaus von Dohnanyi:

»Naturwissenschaftlich und religiös, rational und emotional zugleich war die Erziehung. Aus diesem – ich will nicht sagen – Widerspruch, besser: aus dieser Spannung, so meine ich, entstand den Bonhoeffer-Kindern ein offenbar ungewöhnliches Maß an ethischem Verantwortungsbewußtsein«.3

Im Hause Bonhoeffer wurde viel Wert auf Kultur und Bildung gelegt und ausgiebig Zeit miteinander verbracht – man diskutierte, las vor, spielte, musizierte, besuchte Theatervorstellungen, Kunstausstellungen, Museen, unternahm Wanderungen in der Natur – und es wurde viel gefeiert und gelacht. Die Kindererziehung oblag vor allem der Mutter, unterstützt durch zahlreiche Hausangestellte – allen voran die langjährige Erzieherin Maria Horn (genannt ›Hörnchen‹). Paula Bonhoeffer wird als gefühlvoll, kreativ und tatkräftig beschrieben. Eberhard Bethge charakterisiert sie in seiner großen Biographie Dietrich Bonhoeffers so:

»Paula Bonhoeffer war eine sehr anregende und nie kapitulierende Mutter. Sie wußte jede Aufgabe interessant zu machen und über Hemmungen hinweg zu helfen. […] Das Menschliche interessierte sie mehr als das Naturwissenschaftliche. Auf den ausgedehnten Spaziergängen in Wölfelsgrund oder Friedrichsbrunn sah sie im Unterschied zu ihrem Mann nur wenig von Wald und Getier; sie wollte sich ununterbrochen unterhalten, wollte hören und raten. Dann nahm sie das Ausdenken der nächsten Schritte ganz gefangen. Dabei erstickte sie trotz ihrer Energie durchaus nicht, was sich bei anderen an Eigenem regte. Wenn sich irgendwo Initiative zeigte, stellte sie sich sofort darauf ein und förderte sie zu ihrer eigenen Gestalt.«4

Für ihre Kinder tat Paula Bonhoeffer fast alles: »Als Klaus, der dritte Sohn, in der Badeanstalt zögerte, in das tiefe Bassin zu springen, sprang sie ihm kurzerhand voraus, obwohl sie nie schwimmen gelernt hatte.«5 Doch wurde das Familienleben auch vom Vater stark geprägt, und beide Eltern waren sich in ihrer Haltung und ihrem Umgang mit den Kindern bemerkenswert einig.

Während von der Mutter Paula leider keine schriftliche Hinterlassenschaft vorhanden ist, hat der Vater Karl seine Biographie unter dem Titel ›Lebenserinnerungen von Karl Bonhoeffer. Geschrieben für die Familie‹ festgehalten.6 Doch obwohl diese Erinnerungen (wie der Titel besagt) ›für die Familie‹ aufgeschrieben worden sind, beinhalten sie wenig Persönliches – und bestätigen auf diese Weise indirekt, was auch anderweitig über Karl Bonhoeffer überliefert ist: dass er äußerst sparsam mit Gefühlsäußerungen umging. Zweifellos war die Familie und seine – auch für die Verhältnisse im damaligen Großbürgertum ungewöhnlich zahlreiche – Kinderschar für Karl Bonhoeffer von höchster Bedeutung; dennoch finden sich in seinen Lebenserinnerungen überwiegend berufliche und fachliche Mitteilungen. Immerhin erfährt man daraus, dass die Familie in Breslau lebte, als Klaus geboren wurde. Der Vater war dort als Arzt auf einer »Beobachtungsstation für geisteskranke Gefangene«7 tätig und habilitierte sich gleichzeitig an der dortigen Universität für das Fach Psychiatrie. Um sich ein Bild über die damalige Berufstätigkeit des Vaters zu machen, ist folgende Schilderung aufschlussreich:

»Die Anstalten schickten begreiflicher Weise mit Vorliebe auch unbequeme Patienten, sogenannte wilde Männer, die oft vielfache Disziplinarstrafen hinter sich hatten, abnorme Charaktere, querulierende und aufhetzerische Psychopathen mit mehr oder weniger paranoider Einstellung gegen die Anstaltsbeamten und die Gerichte. Im ganzen war es nicht schwer, mit ihnen auszukommen. Nur ein einziges Mal kam es zu einer ernsthaften Revolte unter Führung eines alten vielfach vorbestraften erregten Psychopathen. Die Kranken hatten ihre Schlafräume verbarrikadiert, die Bettstellen auseinandergerissen, sich mit den eisernen Bettpfosten bewaffnet und in drohender Haltung Aufstellung genommen. Der Gefängnisdirektor ließ die Feuerspritzen auffahren, um die Leute unter Wasser zu setzen und dadurch mürbe zu machen. Ehe das in Szene ging, war ich angekommen. Es lag mir daran, Gewaltmaßregeln zu verhindern und die Sache durch psychische Einflussnahme in Ordnung zu bringen. Tatsächlich hatte es keine große Schwierigkeit, die Leute zum Weglegen ihrer Eisenstäbe und zum Wegräumen ihrer Barrikaden zu bewegen. Sie hatten schon selbst Angst vor ihrer Courage bekommen und waren froh, als ich dem Rädelsführer klarmachte, daß er ein sinnloses Unternehmen in Szene gesetzt habe und daß ich dafür sorgen werde, daß die Sache keine weiteren Folgen haben werde, als daß er sich die Sache für einige Zeit in der Einzelzelle zu überlegen habe. Ich habe in der Folgezeit nichts Ähnliches mehr erlebt entgegen der Voraussage der Verwaltungsleute, die mir die Wiederholung ähnlicher Vorfälle prognosticierten, wenn nicht mit energischen Mitteln eingeschritten würde.«8

Karl Bonhoeffer hatte über Jahrzehnte hinweg die Angewohnheit, jeweils am Silvesterabend als Bestandteil des Altjahres-Rituals einen Rückblick auf die vergangenen Monate zu halten und dabei die wichtigsten Ereignisse in einem sogenannten ›Silvester-Tagebuch‹ zu dokumentieren.9 Der erste Eintrag hat die Überschrift »Breslau 31. Dezember 1899 abends 11 Uhr«10 und berichtet darüber, dass das jung verheirate Paar Karl und Paula in diesem Jahr zwei Söhne bekommen hat (Karl-Friedrich am 13. Januar und Walter am 10. Dezember), sodass sie nun eine Familie geworden sind. Drei Jahre später, am Silvesterabend 1902, ist der dritte Sohn Klaus11 schon fast zwei Jahre alt und wird vom Vater erstmals charakterisiert: »Er ist zurückhaltend und sieht sich alle ihm unbekannten Menschen erst lange – oft tagelang – an, bis er sich mit ihnen einlässt.«12 Etwas später fügt Karl Bonhoeffer hinzu:

»Claus13 schwatzt jetzt auch schon verständlich und singt mit seinen Brüdern. Er ist leicht verletztes Gemüt, überlegt sich was er tut, spielt viel für sich alleine. Wenn ihn etwas schmerzt, so wird er still und in sich gekehrt und es kostet Mühe, ihn wieder aufzuheitern. Im ganzen ist er aber heiter, vergnüglich und zu Scherzen geneigt und auch ausgelassen.«14

Ein Jahr später notiert der Vater über den knapp Dreijährigen:

»Claus, der bedächtige, ruhige und realistische Beobachter liebt seine Luise15 schwärmerisch, ausserdem seinen Regenschirm. Zu Weihnachten wünscht er sich einen Kleiderschrank, einen Regenschirm und eine Leiter für Luise. Er ist ein drolliger, dicker Bengel.«16

Kurz vor seinem vierten Geburtstag beschreibt ihn der Vater so:

»Claus hat sich zum Niklaus eine Dienstmannsmütze gewünscht und zu Weihnachten eine Guten-Tag-Mütze17 und ein Bild vom lieben Gott und ein Automobil! Er macht sich seine eigenen Gedanken. Er glaubt nicht, dass Gott überall sein kann, und beschäftigt sich mit theologischen Fragen.«18

Und auch ein Jahr später scheint sich Klaus’ Persönlichkeit nicht verändert, sondern in der von Anfang an in ihm angelegten Richtung weiterentwickelt zu haben:

»Der Dicke ist immer noch Philosoph und bedenkt sich die Probleme des Lebens. Seine Hauptneigung ist die Elektrische19 und seine Weihnachtswünsche bewegen sich fast ausschließlich auf Fahrzeuge der verschiedensten Art.«20

Nach dem Urteil von Eberhard Bethge hielt Karl Bonhoeffer seinen Sohn...

Erscheint lt. Verlag 20.9.2023
Zusatzinfo Mit 12-seitigem Bildteil
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Schlagworte 2023 • 20. Juli 1944 • Attentat auf Adolf Hitler • Biografie • Biographien • Bruder von Dietrich Bonhoeffer • Deutsche Geschichte • Dietrich Bonhoeffer • eBooks • Emmi Bonhoeffer • Familie Bonhoeffer • Geschichte • Hans von Dohnanyi • Hitler • Holocaust • Judenverfolgung • Lufthansa • Machtergreifung • Nationalsozialismus • Neuerscheinung • NSDAP • NS-Regime • Oskar Schindler • Schindlers Liste • Unternehmen 7 • Widerstand • Widerstand im Nationalsozialismus • Widerstandskämpfer • Zeitzeugen • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-641-27321-8 / 3641273218
ISBN-13 978-3-641-27321-7 / 9783641273217
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