Psychotherapie und Psychosomatik -  Michael Ermann

Psychotherapie und Psychosomatik (eBook)

Fachbuch-Bestseller
Ein Lehrbuch auf psychoanalytischer Grundlage
eBook Download: EPUB
2024 | 8. Auflage
676 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-043053-2 (ISBN)
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This textbook provides a comprehensive introduction to psychotherapy and psychosomatics, as well as psychodynamic thinking. It also provides an overview of the theory and practice of psychoanalysis and of psychodynamic procedures. It includes basic information about other psychotherapeutic methods. Based on the three pillars of conflict, developmental and trauma pathology, it offers a consistent and systematic account of pathology and therapeutic practice. It takes into account specialized topics such as psychological development and the psychosocial aspects of illness. For the new edition, the importance of a structure-oriented approach has been emphasized, which is currently a focus of interest.

Prof. Michael Ermann, Emeritus Professor of Psychosomatics and Psychotherapy at the University of Munich, is a specialist in psychosomatic medicine and psychoanalyst in Berlin.

Einleitung:
Das Arbeitsfeld der Psychotherapie und Psychosomatik


Psyche [griech.] bedeutet Seele, Soma heißt Körper. Unter Seele versteht man die gefühlshaften und geistigen Regungen.

Psychotherapie ist Krankenbehandlung mit psychologischen Mitteln.

Psychosomatik ist die Lehre von der Wechselwirkung zwischen seelischen, psychosozialen und körperlichen Prozessen in Gesundheit und Krankheit.

Annäherungen an das Psychische


Die Seele ist ein traditionelles Thema in der abendländischen Kultur. Seit der Antike beschäftigen sich Philosophie, Mythologie, Psychologie, Religion und Medizin mit dem menschlichen Erleben und Verhalten. Dabei wurden Seele und Körper in Anschluss an die griechische Philosophie traditionell als Ganzheit betrachtet. Das galt sowohl für die Philosophie, aus der heraus sich im 19. Jahrhundert die Psychologie entwickelt hat, als auch für die Medizin. Erst René Descartes stellte 1641 in seinen »Meditationen« die res cogitans, d. h. Geist, Seele, Bewusstsein, Verstand und Vernunft, den res extensa, d. h. dem Körper, gegenüber und prägte mit dieser Dichotomie nachhaltig das abendländische Denken.

Ansätze der Psychologie


Erste systematische Abhandlungen über die Seele stammen von Platon und Aristoteles. Der Begriff Psychologie als Lehre von der Seele tauchte um 1500 auf. In der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert entstand ein zunehmendes Interesse an psychologischen Fragen, verbunden mit Namen wie Gottfried Wilhelm Leibnitz und Immanuel Kant. Sie betonten den empirischen Charakter der Psychologie. Dieser Ansatz wurde leitend, als im 19. Jahrhundert die Psychologie als akademisches Forschungsgebiet entstand: Sie verstand sich als empirische Wissenschaft. Inhaltlich beschäftigte sie sich mit Phänomenen wie dem Denken und der Wahrnehmung und rückte damit in die Nähe zur Neurophysiologie und Medizin. Methodisch stand sie den Naturwissenschaften und ihrem positivistischen Forschungsansatz nahe. Maßgeblich ist dafür die Verknüpfung von Experiment und Mathematik, die von Gustav Theodor Fechner eingeführt wurde. So gelten die Laborexperimente von Wilhelm Wundt in Leipzig als Beginn der akademischen Psychologie.

Als Gegenströmung zur experimentellen Psychologie entstand die geisteswissenschaftliche Richtung, die von Wilhelm Dilthey vertreten wurde. Er entwickelte mit der Hermeneutik einen verstehenden geisteswissenschaftlichen Ansatz. Dieser hat sich allerdings nie gegenüber dem naturwissenschaftlichen Ansatz durchgesetzt und gilt in der akademischen Psychologie als unwissenschaftlich. Diese Bewertung erfuhr auch die Psychoanalyse, die um 1900 von Sigmund Freud entwickelt wurde und sich außerhalb der akademischen Psychologie etablierte.

Auch heute versteht die akademische Psychologie sich als empirische Wissenschaft vom Erleben und Verhalten, die überwiegend an experimentellen naturwissenschaftlich-quantitativen Methoden orientiert ist. Als ein Bereich der angewandten Psychologie hat sich die klinische Psychologie etabliert, die psychologische Aspekte von psychischen Störungen und Folgen anderer Erkrankungen untersucht, Grundlagen und Methoden für deren Behandlung erarbeitet und die Ergebnisse von Interventionen wissenschaftlich evaluiert. Die psychologische Psychotherapie ist insoweit ein Teil der klinischen bzw. medizinischen Psychologie. Sie überschneidet sich in der Praxis mit der psychosomatischen bzw. psychotherapeutischen Medizin und Teilen der Psychiatrie.

Entwicklungen in der Medizin


In der Medizin ging die traditionelle ganzheitliche Sichtweise mit der naturwissenschaftlichen Wende in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verloren. Damals gewann ein physikalistisches Krankheitsverständnis unter dem Einfluss der Zellularpathologie von Rudolf Virchow und der energetischen Physiologie von Hermann von Helmholtz die Oberhand und verlagerte den Schwerpunkt der Krankheitslehre auf anatomische Strukturen und physikalisch-energetische sowie biochemische Vorgänge. In der Folge entstand eine positivistische Annäherung an Patienten und ihre Krankheiten, die auf das Messbare zentriert war.

Auch in der Psychiatrie entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine stärkere Nähe zu der zunehmend naturwissenschaftlich orientierten Medizin. Sie stellte eine Abwendung von der metaphysischen Orientierung der naturphilosophisch ausgerichteten romantischen Psychiatrie dar und rückte die biologische Erforschung psychischer Erkrankungen in den Vordergrund. Diese Wende ist mit Wilhelm Griesinger verbunden, der als Vertreter der materialistischen Psychiatrie gilt. Er forderte, Geisteskrankheiten als Gehirnkrankheiten zu erforschen. Vor diesem Hintergrund hatten die aufkommende Psychoanalyse und das psychodynamische Denken, für die romantische Psychiater wie Carl Gustav Carus gleichsam den Boden bereitet hatten, in der Psychiatrie lange keine Chance.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die anthropologische Medizin. Sie ist eine Reaktion auf die naturwissenschaftliche Ausrichtung der Medizin der Moderne. Sie rückt den einzelnen Menschen, sein Schicksal, sein Erleben und seine Geschichte in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung. Ihr Programm ist eine allgemeine psychosomatische Orientierung mit dem von Viktor von Weizsäcker formulierten Ziel, verstärkt wieder »das Subjekt in die Medizin einzuführen«3. Unter dem Einfluss der Psychoanalyse verstand er Krankheiten als pathologische Selbstverwirklichung, die ihren Sinn in der Biografie der Betroffenen findet.

»Psychosomatisch« in diesem allgemeinen Sinne bezeichnet die grundsätzliche ärztliche bio-psycho-soziale Orientierung. Sie wird auch als ganzheitliche Medizin bezeichnet. Diese Orientierung ist darum bemüht, seelische, soziale und körperliche Aspekte des Krankseins zu integrieren und bei der Behandlung von Kranken gleichrangig zu beachten. Sie kennzeichnet eine aufgeklärte ärztliche Einstellung, die – zumindest als Ideal – den Umgang mit allen Patienten prägen sollte. Damit erhält auch die Psychologie als Psychotherapie einen festen Platz in der »Körpermedizin«.

Das bio-psycho-soziale Krankheitsmodell


Die psychosomatische Anthropologie hat sich über lange Zeit mit dem Leib-Seele-Problem befasst und dabei die Wechselwirkung zwischen seelischen und körperlichen Vorgängen in das Zentrum ihrer Überlegungen gerückt. Dieser Ansatz beschrieb psycho-somatische und vegetative Zustände zuerst als Funktionskreise. Dabei handelt es sich um psycho-vegetative Erregungs- bzw. Regelkreise im Organismus, die durch Impulse zwischen Nervenzellen aufrechterhalten werden.

Heute hat sich ein umfassenderes bio-psycho- soziales Modell4 durchgesetzt. Danach steht der Funktionskreis zwischen Leib und Seele seinerseits in einem Wechselverhältnis zur Umwelt, die den Menschen prägt und die von ihm geprägt wird. Je nach Interesse, Ansatz und Methodik des Untersuchers rückt einmal mehr die biologische, ein anderes Mal die psychologische, zwischenmenschliche oder soziokulturelle Perspektive bei der Betrachtung des Einzelfalles in den Vordergrund. Entscheidend, weitgehend aber noch im Bereich der Spekulation, sind die Prozesse und Mechanismen, die das Zusammenwirken dieser Prozessfaktoren im Krankheitsgeschehen beherrschen.

Man berücksichtigt also in gleicher Weise die körperlichen, seelischen, psychosozialen und materiellen Aspekte des Lebens, um Kranksein und speziell das psycho-somatische Zusammenspiel zu verstehen. Dabei muss man nicht nur Ursachen, Entstehungsbedingungen und Folgen einer Erkrankung untersuchen, sondern auch die Wechselwirkungen zwischen diesen Dimensionen betrachten.

Das gängige Modell für diese systemische Sichtweise von Krankheiten ist der Situationskreis5 von Thure v. Uexküll ( Abb. 0.1). Er beschreibt die Beziehung zwischen Individuum und Umwelt als einen stufenweisen Problemlösungsprozess, der durch die Wahrnehmung von Lösungsaufgaben, Bewertungen des Problems, phantasierte Handlungsentwürfe zu seiner Bewältigung, Probehandlungen und endgültiges Problemlösungshandeln dargestellt wird. Krankheit ist gleichbedeutend mit Störungen in diesem zirkulären Prozess; Krankheit bewirkt Störungen und wird durch Störungen hervorgerufen.

Abb. 0.1:    Der Situationskreis nach v. Uexküll

Psychotherapie und Psychosomatik


Das Arbeitsfeld der Psychotherapie und Psychosomatik umfasst die psychotherapeutische Behandlung psychisch bedingter und mitbedingter Störungen. In der Medizin ist es in verschiedenen Disziplinen enthalten, während es in der Psychologie der »Klinischen Psychologie« zugerechnet wird. In Deutschland wurde mit der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie ein eigenständiges medizinisches Fachgebiet...

Erscheint lt. Verlag 6.3.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
ISBN-10 3-17-043053-X / 317043053X
ISBN-13 978-3-17-043053-2 / 9783170430532
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