Alles nur in meinem Kopf (eBook)

Die Geheimnisse unseres Gehirns. - Vom Gedächtnisweltmeister erklärt
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2016 | 1. Auflage
256 Seiten
Ariston (Verlag)
978-3-641-18788-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Alles nur in meinem Kopf -  Boris Nikolai Konrad
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Alles neuro oder was?
Warum vergessen wir etwas? Und erinnern uns nur, wenn wir dorthin zurückgehen, wo es uns eingefallen ist? Warum erinnern sich alte Menschen präzise an weit Zurückliegendes - aber nicht an gestern? Kann man mit regelmäßigem Gedächtnis-Training der Gefahr vorbeugen, an Alzheimer zu erkranken? Und wieso hat eine Nervenzelle eine Vorliebe für die Schauspielerin Jennifer Aniston?

Der mehrfache Gedächtnisweltmeister und Hirnforscher Boris Nikolai Konrad gibt einzigartige Einblicke in die geheimnisvolle Welt von Erinnern und Vergessen und präsentiert Erstaunliches, Verblüffendes und Wissenswertes über unser Gedächtnis. Seine Botschaft: Ein gutes Gedächtnis ist erlernbar!

Dr. Boris Nikolai Konrad, geboren 1984, ist 'Deutschlands Superhirn' (ZDF). Der promovierte Neurowissenschaftler ist mehrfacher Weltmeister im Gedächtnissport, hat vier Guinness-Weltrekorde aufgestellt und ist ein international gefragter Gast in Fernsehshows.
Bereits seit 2006 ist er als Gedächtnistrainer und Vortragsredner aktiv, um Menschen bei der Verbesserung ihrer Gedächtnisleistung zu helfen. Auch wissenschaftlich beschäftigt er sich mit diesem Thema und erforscht außergewöhnlich gute Gedächtnisleistungen, derzeit am Donders Institute in Nijmegen (NL).

1 Was ist das Gedächtnis?

»Memory is everything. Without it we are nothing.«

ERIC KANDEL

Wer von Ihnen glaubt, ein gutes Gedächtnis zu haben? Wenn ich mit dieser Frage einen meiner Vorträge beginne, meldet sich kaum jemand. Klar, wir alle haben schon die Erfahrung gemacht, dass wir uns etwas gemerkt oder etwas gelernt haben, das jedoch, als wir uns daran erinnern wollten, auf einmal weg war. So entsteht bei vielen schnell der Eindruck: »Mensch, mein Gedächtnis scheint ja nicht allzu gut zu sein.« Es wird auch immer schlimmer: Immer mehr Menschen lassen sich den Namen ihres Partners auf den Körper tätowieren. Aber das natürlich nur aus Liebe. Oder?

Eigentlich ist hier nur unsere Wahrnehmung verzerrt: Wir ärgern uns, wenn der Schlüssel mal wieder nicht da ist, wo wir ihn vermuten, aber es passiert doch eher selten, dass jemand sagt: »Hey – du hast ja deine Schlüssel schon wieder dabei! Wow, schon das fünfte Mal hintereinander. Wahnsinn!« Dabei ist es tatsächlich Wahnsinn, was unser Gedächtnis zu leisten imstande ist. Was wir an ihm haben, merken wir erst, wenn es uns fehlt. Wer an Alzheimer erkrankt, verliert nicht nur Erinnerungen, sondern letztlich seine gesamte Persönlichkeit. Ohne Gedächtnis sind wir nichts – wie es der vielleicht berühmteste Gedächtnisforscher der Welt, Eric Kandel, so schön gesagt hat. Alles, was wir können, alles, was wir wissen, alles, woran wir uns erinnern, basiert auf der Fähigkeit unseres Gedächtnisses, Informationen aufzunehmen.

Ob auch Kandels Umkehrung des »Gedächtnis ist alles« stimmt, ist dagegen eine philosophische Frage. Vor allem, ob das Gehirn alles ist. Als Neurowissenschaftler neigt man hier leicht zur Überinterpretation. Allerdings ist auch die Angewohnheit mancher Philosophen, alles, was aus der Neurowissenschaft kommt, von vornherein abzulehnen, wenig sinnvoll. Heute wissen wir zwar, dass unser Gehirn in den Nervenzellen und -bahnen Informationen codiert, über Jahrzehnte hinweg und doch stetigen Änderungen unterworfen, aber wir können noch lange nicht genau erklären, wie das funktioniert. Einiges darüber haben wir allerdings schon gelernt, aus der klassischen Psychologie wie aus der Hirnforschung.

Während die Festplatte eines Computers auf den ersten Blick wie ein perfekter Speicher erscheint, in dem alles exakt so wie abgespeichert wieder abgerufen werden kann, ist unser Gedächtnis vergesslich. Und das ist auch gut so. Denn gerade seine Fähigkeit, sich ständig anzupassen, Dinge zu interpretieren und neu zu assoziieren, ermöglicht uns jene genialen Fähigkeiten, die ein Computer niemals haben kann. Mal den Schlüssel zu verlegen ist dafür ein geringer Preis.

Definiert wird Gedächtnis also als die Fähigkeit von Lebewesen, in ihren Nervensystemen Informationen aufzunehmen und wieder abzurufen. Dabei ist auch die Zwischenphase der Konsolidierung sehr interessant. Sie ist uns weniger bewusst, passiert sogar, während wir schlafen, und ist doch ein wesentlicher Aspekt. Dies allein hat schon einige spannende Folgen, etwa wenn wir uns überlegen, wie kurz unser Gedächtnis sein kann. Als Gedächtnissportler habe ich viel Arbeit investiert, um bestimmte längerfristige Gedächtnisleistungen zu optimieren. Als Hirnforscher interessieren mich die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu. Vor allem aber bin ich, wie Sie sicher auch, von der Frage fasziniert, was Gedächtnis eigentlich ist. Eine einfache oder konkrete Antwort darauf gibt es nicht, aber doch zahlreiche spannende Erkenntnisse. Meine Perspektive darauf möchte ich gerne mit Ihnen teilen!

Die Gedächtnisevolution

Seit wann gibt es denn so etwas wie ein Gedächtnis? Wie alle anderen Lebewesen sind auch wir als moderne Menschen ein Produkt der Evolution. Homo sapiens heißt unsere Art und gilt als einziges Lebewesen mit Kultur, Geschichtsfähigkeit und Sprache. Die außerordentliche Intelligenz hat uns als einzige Menschenart überleben lassen, dank unseres leistungsstarken Gehirns. Doch Evolution braucht Zeit. Rund 650 Millionen Jahre benötigte die Entwicklung von den ersten Nervenzellen in wirbellosen Tieren bis zum menschlichen Gehirn. Den modernen Menschen gibt es erst seit rund 200000 Jahren, vielleicht auch ein erstes Sprachvermögen. Nach anderen Theorien geschah dieser Schritt erst vor rund 100000 Jahren, und ausgeprägte Sprachsysteme sind noch neueren Datums, nämlich erst rund 35000 Jahre alt.

Noch vor wenigen Tausend Jahren führten unsere Vorfahren ein zwar nicht einfacheres, aber doch deutlich überschaubareres Leben. Im Gedächtnis musste lediglich gespeichert werden, wo es Schutz gab, wo Nahrung und wo Gefahr drohte. Soziale Gruppen bestanden aus wenigen Dutzend Personen. Zu denen musste sich der Steinzeitmensch nur merken, ob es sich um Freunde oder Feinde handelte. Aber nicht Name, Arbeitgeber und Handynummer. Bei einer Lebenserwartung von unter 30 Jahren war Altersdemenz wahrlich keine Herausforderung. Erst vor rund 10000 Jahren, in der Jungsteinzeit, wurde der Mensch sesshaft. Mit dem Ackerbau begann die neolithische Revolution, und die Gruppengrößen nahmen zu. Geschriebene Sprache, die über Symbole hinausgeht, ist jedoch erst wenige Tausend Jahre alt. Und jetzt, im 21. Jahrhundert nach Christus, machen wir uns bereits Sorgen, was moderne Technik mit uns anstellt und wie vor allem Computer und Bildschirme unser Gehirn und Gedächtnis beeinflussen. »Das neue Medium macht süchtig. Es schadet langfristig dem Körper und vor allem dem Geist. […] Wenn wir unsere Hirnarbeit auslagern, lässt das Gedächtnis nach«, schreibt etwa Manfred Spitzer 2012 in Digitale Demenz.

Ein anderer Gedanke: »Das neue Medium ist gefährlich und schädigt, denn es produziert Vergesslichkeit, weil Anwender ihr Gedächtnis nicht mehr benutzen […] und sich einbilden, etwas zu verstehen, obwohl sie nichts verstanden haben.« Ist auch das ein Spitzer-Zitat? Nein, das ist sehr frei übersetzt eine Aussage von Platon aus dem fiktiven Dialog zwischen Sokrates und Phaidros (Phaidros 274b, 275). Mit diesen Vorbehalten kritisierte der griechische Philosoph circa 400 Jahre vor Christus Erfindung und Einsatz der Schrift.

Evolution hört nicht auf. Vor etwa 35000 Jahren war das Gehirn des Steinzeitmenschen sogar noch ein wenig größer als unseres heute. Doch in den 10000 Jahren seit dem Entstehen von Gesellschaften und erst recht in den nicht einmal zweieinhalb Jahrtausenden zwischen den beiden Zitaten von Platon und Spitzer hat die Evolution unser Gehirn nicht wesentlich verändern können. Nur die bereits veranlagte unglaubliche Lernfähigkeit des Gehirns ermöglicht es uns, mit der heutigen Welt zurechtzukommen. Dass unser Gedächtnis aber nicht auf unsere heutige Informationsflut, ja noch nicht einmal auf die Schrift optimiert ist, liegt an der rasanten Entwicklung der Menschheit. Das müssen wir berücksichtigen, wenn wir uns das Gedächtnis anschauen, und das können wir nutzen, wenn wir unsere Gedächtnisleistung verbessern wollen!

Sabbernde Hunde soll man nicht wecken

Der russische Verhaltensforscher Iwan Pawlow (1849–1936) hat es mit seinen Hunden in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. Wenn Pawlows Hunde vor der Fütterung jeweils eine Glocke hörten, reichte nach einer Weile bereits der Glockenton aus, um die Speichelproduktion zu aktivieren. Dass es dieses Verhalten auch beim Menschen gibt, zeigen Pubs mit Sperrstunde: Beim Ertönen der Glocke für die letzte Runde verspüren die meisten dort noch einmal ungeheuren Durst.

Tatsächlich handelt es sich um eine Gedächtnisleistung. Dass ein Hund einspeichelt, wenn er Futter sieht, ist ein angeborener Reflex und noch kein erlerntes Verhalten. Normalerweise führt auch das Bimmeln der Glocke nicht dazu. Erst durch die Verknüpfung von Reiz und Verhalten, klassische Konditionierung genannt, wird dieses Verhalten ausgelöst und damit gelernt. Umgekehrt ist auch ein Ent-lernen möglich: Wenn der Hund nach der Konditionierung häufig die Glocke hört und dann kein Futter bekommt, hört der Speichelfluss als Reaktion auf den Glockenton wieder auf. Hat der Hund diese Verbindung dann wieder vergessen? Nicht unbedingt. Sollten irgendwann Glocke und Futterangebot wieder aneinander gekoppelt sein, ist der erlernte Speichelreflex ganz schnell wieder da.

Hundebesitzer, die jetzt an Klickertraining denken, sind übrigens schon eine Stufe weiter. Klicker sind ungefähr das, was Kinder als Knackfrosch kennen. Gut, heutige Kinder wohl auch nicht mehr, aber die haben dann sicher eine App dafür. Ein Klicker ist jedenfalls ein kleines Gerät zur Erzeugung akustischer Signale durch Knopfdruck (»Klick«). Der Hundebesitzer macht das sinnvollerweise am Anfang des Trainings immer dann, wenn der Hund ein Leckerli bekommt. Dies führt zu klassischer Konditionierung. Auf den Klickton hin beginnt der Speichel zu fließen.

Nun ist das Sabbern aber noch nicht das eigentlich gewünschte Verhalten. Stattdessen wird der Klicker nun bei gutem Verhalten des Hundes genutzt. Das Tier lernt, dass diesem gewünschten Verhalten ein Klick folgt, und der steht für Leckerli, also etwas Gutes. So wird das erstrebte Verhalten schneller gelernt. Dieses Verfahren heißt operante Konditionierung. Wer sich jetzt fragt: »Ist das beim Menschen auch so?«, denkt dabei hoffentlich nicht an sein eigenes Baby. Wobei – eine Google-Suche nach »Klickertraining für Babys« bringt erschreckend viele Treffer hervor.

Natürlich gibt es Konditionierung auch beim Menschen – in jeder Form; es ist eine wichtige Form von Lernen. In Experimenten etwa bekommen die Versuchspersonen (Probanden) einen Stromstoß, wenn sie bestimmte geometrische Formen sehen. Das...

Erscheint lt. Verlag 12.9.2016
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Alzheimer vorbeugen • außergewöhnliche Gedächtnisleistungen • eBooks • Gedächtnisweltmeister • Gehirnforschung • Gehirnjogging • Jennifer-Aniston-Zellen • Lassen Sie Ihr Hirn nicht unbeaufsichtigt • Neurologie • Neurowissenschaft • Science Slams
ISBN-10 3-641-18788-5 / 3641187885
ISBN-13 978-3-641-18788-0 / 9783641187880
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