Mehr Nichts! (eBook)

Warum wir weniger vom Mehr brauchen

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
320 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-27031-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mehr Nichts! -  Tobias Esch
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Unsere Gesellschaft steckt in einer Krise des Überangebots und der permanenten Beschleunigung. Für Bestsellerautor, Neurowissenschaftler, Mediziner und Glücksforscher Tobias Esch ist es spätestens nach Corona an der Zeit, das sinnentleerte Streben nach Mehr infrage zu stellen - wir müssen von der sich unablässig steigernden Dichte, von haltlosem Konsum und damit einhergehender (Selbst-)Ausbeutung wegkommen, müssen zurückfinden zu der Reduktion auf das Minimale und einer so wohltuenden wie befreienden »Leere«. Mehr Nichts, weniger Mehr, nach diesem Leitmotiv sollten wir unsere Leben ausrichten! Im Mittelpunkt der von Esch aufgerufenen Debatte steht die Medizin und eine selbstgefällige Suche nach strahlender Gesundheit oder »ewigem Leben« - mit Corona als alarmierendem Stachel im Fleisch. Darüber hinaus wendet sich der Autor allen Bereichen unseres gesellschaftlichen Lebens zu: Glauben und Achtsamkeit, Politik, Klima, Ökologie und Wirtschaftsstrukturen. Hier attestiert er eine paradox erscheinende Gleichzeitigkeit von ungehemmtem Wachstum einerseits und einer parallel anwachsenden Zahl von Menschen andererseits, die nicht mehr willens sind, so wie bisher mitzumachen, sich das Drama einer aus den Fugen geratenen Welt noch länger anzuschauen.

Nur wenn wir uns in sämtlichen Belangen - und nicht nur mit Blick auf individuelle Selfcare-Maßnahmen - wieder auf die Essenz reduzieren, können wir den Weg zurück zu sinnhaftem Lebensglück und Nachhaltigkeit finden.

Univ.-Prof. Dr. med. Tobias Esch ist Neurowissenschaftler, Gesundheitsforscher und Allgemeinmediziner. Seit vielen Jahren untersucht er, u. a. an der Harvard Medical School und an der Berliner Charité, wie Selbstheilung funktioniert und wie ihre Potenziale innerhalb und außerhalb der etablierten Medizin nachweisbar für die Gesundheit genutzt werden können. Seit 2016 ist er Institutsleiter und Professor für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten/Herdecke, wo er auch die dortige Universitätsambulanz als Aushängeschild und Blaupause einer »Medizin von morgen« gründete. Seine Sachbücher (u. a. »Der Selbstheilungscode« oder »Die bessere Hälfte« zusammen mit Dr. med. Eckart von Hirschhausen) wurden mehrfach ausgezeichnet und erreichten Spitzenplätze auf den Bestsellerlisten.

Statt eines Vorworts
Ein Gespräch mit
Eckart von Hirschhausen

Eckart von Hirschhausen: Mensch Tobias, seit unserem Buch Die bessere Hälfte sind wir beide ja nicht jünger geworden. Die kühne These war ja, dass die zweite Lebenshälfte die zufriedenere ist. Wie hast du deinen fünfzigsten Geburtstag erlebt?

Tobias Esch: Na, ich hatte es ja schon geahnt. Statistik ist das eine, das eigene Erleben das andere. Und zur besseren Hälfte gehört eben auch, dass man sich erst von »da unten« nach »da oben«, zur Zufriedenheit, hocharbeiten muss. Kurzum: Es war eher durchwachsen.

Kann man am Durchwachsen persönlich wachsen? Was war denn mühselig?

Zu deiner ersten Frage: Ja, das Wachsen ist ein Tun. Das fällt einem nicht so in den Schoß. Meine Arbeit hieß beispielsweise Corona: Geburtstagsfeier abgesagt, in der Ambulanz in Schutzmontur Abstriche nehmen! Sehr viele Prozesse, das zu deiner zweiten Frage, mussten neu definiert werden. Man musste sich irgendwie neu erfinden.

Aber eigentlich hätte doch der Lockdown bei jemandem, der ständig über Achtsamkeit und Entschleunigung redet, offene Türen vorfinden können?

Alles hat bekanntlich mehrere Seiten. Bei mir war es eher so, dass sämtliche Routinen, die die Achtsamkeit und das Miteinander einbeziehen, über den Haufen geworfen wurden. Fraglos und ganz im Sinne der »besseren Hälfte« war jedoch, dass unser aller Leben auf das Wesentliche fokussiert wurde. Im Sinne von: »Weniger ist mehr«. Wir brauchten viel weniger, um zufrieden zu sein. Es gab ja auch nichts anderes.

Aber wie hast du in dem Chaos die Struktur behalten?

Meine Frau und ich hatten über Monate hinweg ein Ritual entwickelt: Jeden Abend lauschten wir online einem Gespräch mit unserem Achtsamkeitslehrer Jon Kabat-Zinn. Das war sehr tief.

Das Irre ist doch, dass es bei dieser globalen Pandemie zum ersten Mal ein globales Bewusstsein einer Bedrohung gab – und damit gemeinsame Anstrengungen, die seelische Gesundheit hochzuhalten. Wie war das, sich übers Internet »verbunden« zu fühlen, synchron mit Gleichgesinnten aus der ganzen Welt?

Sehr berührend und überraschend: Exakt tausend Leute kamen über vier Monate zur selben Zeit zusammen. Jeder trug etwas bei, sodass man zu den Gesichtern über die Zeit auch persönliche Geschichten und Eigenschaften kennenlernte. Die »Community« hat dann spontan eine »Weltkarte der Liebe« erstellt, wo sich jeder online eintragen konnte mit einem Fähnchen und einem kleinen Spruch oder so. Wir saßen alle im selben Boot und hatten dieselben Themen und Fragen. Ein wahnsinniges Gefühl von Gemeinschaft. Und wie war es bei dir?

Ich habe ebenfalls die Online-Welt neu entdeckt, nur ein wenig anders. Durch den Aufbau eines wöchentlichen YouTube-Kanals, »Hirschhausen zu Hause«, versuchte ich einen Beitrag zu leisten. Aber erst wenn das Analoge wegfällt, erkennt man den Wert echter Begegnungen.

Stimmt – auf der Bühne und bei Vorträgen erlebe ich dich immer besonders intensiv und lebendig. Du bist ein echter Begegnungsmensch. Ein zentraler Teil deines Wirkens brach bei dir ein …

Genau. Von einem auf den anderen Tag wurde die ausverkaufte Tour abgesagt, mein Lebenselixier, da hast du schon recht, da bin ich voll in meinem Element. Das war sehr hart, aber nicht nur für mich, vor allem für die gesamte Crew, die Licht- und Tonleute, die Veranstalter, die Agentur, das Management und jene, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig waren. Kultur wurde über Nacht als entbehrlich eingestuft, kann als Erstes wegfallen, wird nicht unterstützt, hat keine Lobby und keinen Wert. Das führte zu einem tiefen Riss in der Gesellschaft. Bislang ist nicht klar, ob sich diese Branche mit über einer Million (Nicht-)Beschäftigten davon wieder erholt.

Ich litt mit euch. Es war traurig, all die Bühnen und Plätze leer und verwaist zu sehen. Aber wie ist es dir persönlich ergangen? Irgendwelche Aha-Erkenntnisse?

Durch das »Not-Aus«, den Lockdown und das Zurückgeworfen-Sein auf das Wesentliche ist mir die Zerbrechlichkeit all unserer Gewissheiten sehr bewusst geworden. Wir denken gerne, dass wir ein Anrecht darauf haben, dass alles so weitergeht, wie wir uns das wünschen, wie wir das kennen. Und das ist ganz offensichtlich Quatsch. Ein kleiner Schnipsel Erbsubstanz, mehr ist ja ein Virus nicht, wirft die gesamte Erde aus der Bahn. Ich verfolgte in dieser Zeit weiter die Idee einer Planetary Health, also jenes Konzept, das einen Zusammenhang von globaler und persönlicher Gesundheit herstellt.

Das große Ganze und das kleine Persönliche stehen also nicht im Gegensatz? Tatsächlich habe ich dich in letzter Zeit ziemlich betroffen und auch nachdenklicher erlebt – trügt mein Eindruck?

Nein. Je mehr ich mich mit der Klimakrise beschäftige, desto mehr wundere ich mich, wie ich die Berichte der letzten dreißig Jahre darüber so lange habe ausblenden können. Denn das ist eine Katastrophe mit Ansage. Da stelle ich mir die Frage, welche Rolle Ärzte und öffentliche Personen hier übernehmen können und müssen.

Wir sind beide Ärzte. Ich beschäftige mich insbesondere mit den persönlichen Anteilen – etwa der Ärzte und des Pflegepersonals. Und so wie du verstärkt auf die globalen Zusammenhänge geschaut hast, so habe ich mich intensiver mit den Konsequenzen auf der Ebene der Individuen auseinandergesetzt. Und auch hier sieht man eine Katastrophe mit Ansage. Mehr und mehr werden persönliche Ressourcen verbrannt, ohne dass es die Menschen glücklicher oder zufriedener macht. Aus der Sicht des Einzelnen scheint es sogar so zu sein, dass wir unser Gesundheitssystem an die Wand fahren.

Ich erinnere mich an einen großartigen Satz aus dem Roman House of God über das Leben der Nachwuchsmediziner: »Die Kunst der Medizin besteht darin, so viel NICHTS zu tun wie möglich.« Stattdessen herrscht in ihr der gleiche Wachstums- und Effizienzglaube wie überall in der Wirtschaft. Was hast du denn für ein Gegengift?

Wir haben ein umfangreiches Forschungsprojekt initiiert, wo es um Glück und Achtsamkeit, um Belastungen und Ressourcen in der Medizin und in der Pflege geht. Im Gesundheitswesen insgesamt. Immer wieder sehen wir Menschen hinter den Masken, denen es gerade nicht gut geht. Und das, obwohl das Wissen über Glück uralt ist und alle sagen, dass die Gesundheitsberufe so wichtig sind, dass allein schon deswegen Zufriedenheit herrschen müsste. Was läuft da schief, Eckart?

Corona hat uns durch die Unmittelbarkeit der Gefahr in einen Stresszustand versetzt und uns zum Handeln gezwungen. Wir akzeptieren sogar drastische Maßnahmen, wenn wir sie für nötig halten. Das Dumme ist nur, dass wir aus dem Reagieren nicht mehr herauskommen, um auf übergeordneter Ebene darüber nachzudenken, wie gut es uns mit weniger Stress gehen könnte. Wie bekommen wir denn die Idee von »Weniger ist mehr« in die Köpfe und Herzen?

Am Ende ist es immer ein Gefühl. Unsere Motivation kommt schließlich von innen, sie »wohnt« im Kopf. Unser inneres Belohnungssystem lässt uns fühlen, was wir wollen oder was wir nicht wollen. Was vermeintlich gut oder weniger gut für uns ist. Es muss uns gelingen, das, was uns wirklich wichtig ist und weiterbringt, auch als globale Community, in diesem Sinne als lohnenswert erscheinen zu lassen. Wir müssen aus der Defensive, aus dem Stress heraus und die Zukunft aktiv gestalten – und zwar mit Freude und Lust. Nicht mit Verboten allein.

Darin sehe ich ebenso den Wert von Musik, Kabarett, Lesungen und allem, was Menschen kreativ miteinander verbindet. Eigentlich ist es doch toll: Wir müssen nicht mehr wie unzählige Generationen vor uns unentwegt schuften, um uns etwas zu essen kaufen zu können. Aber wir ignorieren das. Stattdessen drehen wir immer schneller am Rad, bis die Erde in die Knie geht und wir tatsächlich nichts mehr zum Essen haben. Das ist sehr komisch, unfreiwillig.

Als Komiker lebst du von Widersprüchen, die in der Gesellschaft und in jedem Einzelnen von uns existieren.

Und du ebenso, wenn auch anders! Alle wollen gesund sein, aber keiner will dafür in »Vorleistung« gehen, sprich: gesünder essen, sich mehr bewegen und sich weniger stressen lassen.

Dabei wäre das, was der Einzelne tun kann, so wirksam. Aber es ist anstrengender, als eine Pille einzuwerfen. Und das Paradoxe dabei ist: Der Gesundheits- und Pharmamarkt wächst und wächst, aber die Menschen sterben verstärkt an lebensstilbedingten und prinzipiell vermeidbaren Krankheiten. 80 Prozent machen die aus! Corona hin oder her.

Nicht minder absurd ist dabei: Dieser Lebensstil tut weder dem Menschen noch der Erde gut. Körperlich bewegen wir uns immer weniger, dafür räumlich ständig mehr, noch dazu mit einem hohen Verbrauch fossiler Energie, was die Umwelt massiv belastet. Sollten wir doch besser mal unser überschüssiges Körperfett verbrennen. Und ironischerweise atmen wir dann auch noch die dreckige Luft ein.

Wir alle spüren aber, dass da etwas nicht stimmt. Wir haben ein schlechtes Gewissen, weil wir ahnen, dass wir selbst mitverantwortlich sind. Und dieses schlechte Gefühl ertränken wir dann in vermehrtem Konsum, statt an den Ursachen zu arbeiten.

Glaubst du nicht auch, dass die Klimakrise eine spirituelle ist? Wir verbrauchen so viel, weil wir nicht wissen, was wir brauchen.

Ja, und ist...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Achtsamkeit • Alter • Bestsellerautor • Corona • die bessere Hälfte • eBooks • Eckart von Hirschhausen • Entschleunigung • Gesundheit • Konsum • Lebensglück • Medizin • Minimalismus • Nachhaltigkeit • Psychologie • Stress • Suche nach dem Sinn • Überfluss
ISBN-10 3-641-27031-6 / 3641270316
ISBN-13 978-3-641-27031-5 / 9783641270315
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