Atomkraft? Ja bitte! (eBook)

Klimawandel und Energiekrise: Wie Kernkraft uns jetzt retten kann
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
287 Seiten
Quadriga (Verlag)
978-3-7517-2880-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Atomkraft? Ja bitte! -  Anna Veronika Wendland
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Der Kampf gegen die Erderwärmung ist die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert. In einer solchen Situation ist es unterlassene Hilfeleistung, eines der stärksten Instrumente zur CO2-Vermeidung zu zerstören - die Kernenergie. Doch genau das hat Deutschland vor. Der Atomausstieg treibt unser Land in ein Dilemma zwischen Klimaziel und Versorgungssicherheit. Solange wir keine Stromspeichertechnologien haben, müssen Deutschlands launische Erneuerbare Energien mit einem fossilen Kraftwerkspark abgesichert werden. Das treibt die Energiekosten nach oben und bringt uns in fatale Abhängigkeiten, insbesondere von Russland.
Anna Veronika Wendland hat viele Jahre vor Ort in Atomanlagen über Reaktorsicherheit und nukleare Arbeit geforscht. Sie denkt die Energiewende neu und zeigt, wie man sie auf einer klugen Kombination von Erneuerbaren und Kernenergie aufbauen könnte. So können Klima-, Naturschutz und Versorgungssicherheit miteinander vereinbart werden. Die Autorin präsentiert gesichertes Wissen über die Risiken von Kernkraftwerken und Atommüll und leuchtet die kulturellen Hintergründe des deutschen Energie-Sonderwegs aus.


»Dieses fachkundige und doch gut verständliche Buch eröffnet neue Perspektiven auf die Atomkraft. Ein vielseitiger Beitrag für die deutsche Klima- und Energiedebatte. Auch Atomkraftgegner sollten es lesen.« Rainer Moormann, Nuklearwissenschaftler, Deutscher Whistleblower-Preis 2011 für die Aufdeckung von Sicherheitsproblemen beim Kugelhaufenreaktor



Dr. Anna Veronika Wendland ist Osteuropa- und Technikhistorikerin in Marburg. Für ihre Habilitationsschrift über die Kerntechnische Moderne hat sie viele Jahre in Kernkraftwerken in Osteuropa und Deutschland geforscht. Wendland bloggt bei salonkolumnisten.com über Energie- und Klimafragen und ist eine viel gefragte Gesprächspartnerin in der aktuellen Klimadebatte.

Dr. Anna Veronika Wendland ist Osteuropa- und Technikhistorikerin in Marburg. Für ihre Habilitationsschrift über die Kerntechnische Moderne hat sie viele Jahre in Kernkraftwerken in Osteuropa und Deutschland geforscht. Wendland bloggt bei salonkolumnisten.com über Energie- und Klimafragen und ist eine viel gefragte Gesprächspartnerin in der aktuellen Klimadebatte.

Kapitel 1
Gegen den Strom


Klimakrise, Energiekrise und Kernenergie:
Worum es in diesem Buch geht


The problem is not people being uneducated.
The problem is that people are educated just enough to believe what they have been taught;
and not educated enough to question anything from what they have been taught.

Richard Feynman

Dies ist ein Buch über Strom und gegen den Strom. Es plädiert aus Gründen des Klimaschutzes und der Versorgungssicherheit für die Nutzung der Kernenergie – in einem Land, das gerade dabei ist, den Atomausstieg zu vollenden. Falls sich die neue Bundesregierung nicht besinnt und ein Moratorium beschließt, wird am 1. Januar 2023 kein einziges Kernkraftwerk mehr am Netz sein. »Der Drops ist gelutscht«, versichern einem die meisten, wenn auch aus verschiedenen Erfahrungshintergründen und Motiven. Fachleute, die in der Atomindustrie arbeiten, sagen es leise und resignativ: Sie wissen, wie viele vollendete Tatsachen bereits geschaffen wurden, und dass ihre Konzernoberen längst andere Pläne haben. Regierung und Erneuerbare-Energien-Industrie meinen damit: Um Himmels willen! Bloß jetzt keine Zweifel an der Energiewende säen! Bloß kein Geld von den Erneuerbaren abziehen! Bloß nicht noch mal diese Kontroverse!

Doch genau das habe ich vor. Ich möchte in diesem Buch Zweifel säen, aber nicht in der Weise, die vielleicht die Grünen oder die Umweltorganisationen befürchten. Meine Zweifel sollen Früchte tragen. Ich möchte die Energiewende neu denken, damit sie fit ist für die Bewältigung der sich immer weiter zuspitzenden Klima- und Energiekrise. Ich habe kein Interesse am Schlechtreden der Erneuerbaren Energien, aber ich habe auch keines am Gesundbeten von offensichtlichen Schwächen.

Elektromobilität, Photovoltaik (PV), Windkraft, Geothermie und Wasserkraft sind heute bewährter Teil unseres Alltags und gehören zur Welt der Zukunft. Doch sind Illusionen über Erneuerbare Energien (EE) der Risikofaktor Nummer 1 unserer Energiewende. Ich möchte hinterfragen, was bislang über Kernenergie und Erneuerbare gedacht und wie über sie diskutiert wurde. Mein Beweggrund ist ein doppelter: Erstens ist die Kernenergie – wie die Erneuerbaren – für den Klimaschutz kurz- und mittelfristig unverzichtbar. Zweitens möchte ich dazu einladen, diese Technologie mit anderen Augen zu sehen, als Sie sie wahrscheinlich bislang gesehen haben. Ich habe diesen Blickwechsel selber vollzogen, denn ich bin eine ehemalige Atomkraftgegnerin, die in einem langen Lern- und Forschungsprozess ihre alten Überzeugungen ablegte.

In der Klimakrise


Der Kampf gegen die Erderwärmung ist die größte Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert. Der neueste Bericht des Weltklimarates IPCC, der Assessment Report Nr. 6 (AR6) von 2021, belegt mit noch größerer Sicherheit als sein Vorgänger von 2014 den Zusammenhang von menschgemachtem Treibhausgas-Ausstoß, Klimaerwärmung und extremen Umweltveränderungen1. Seit 2018 war ein beträchtlicher Teil der Schuljugend mit Fridays for Future auf den Straßen. Eine Abfolge von Dürresommern und zuletzt die Flutkatastrophe vom Juli 2021 ließen den Klimawandel »unten« ankommen, im Bewusstsein der Bevölkerung – und auch buchstäblich an den niedrigsten Punkten unserer westdeutschen Flusstäler, wo die Wassermassen Häuser fortspülten und Menschen in den Tod rissen.

Mit Nachdruck wird sofortiges und effizientes Handeln gefordert, um die Erwärmung der Erdatmosphäre auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen. So steht es im Pariser Klimaschutzabkommen von 2015, das auch Deutschland unterzeichnet hat. In seinem Bericht von 2014 beschrieb der Klimarat die Mittel, die dafür sorgen, dass CO₂ erst gar nicht entsteht oder dass in der Atmosphäre befindliches Kohlenstoffdioxid wieder gebunden wird. Viele sind es nicht: Erneuerbare Energien, technische Kohlendioxid-Abscheidung und Aufbewahrung in Gesteinskavernen, CO₂-Bindung in Wäldern durch Wiederaufforstung – und die Nutzung der Kernenergie.

Um das Klimaziel zu erreichen, müssen Industriestaaten alle diese Instrumente nutzen. Deutschland ist ein etablierter Industriestaat und steht beim Ausstoß von Treibhausgasen auf Platz sechs der Negativ-Weltrangliste – hinter China, den USA, Indien, Russland und Japan. Wenn wir auch nur 2,4 Prozent des globalen Gesamtausstoßes auf uns vereinen, so stoßen wir doch pro Kopf immer noch 60 Prozent mehr Treibhausgase aus als die Chinesen. Unser Land steht daher besonders in der Pflicht. Darüber sind sich Politiker und ein Großteil der Bevölkerung auch einig. In einer solchen Situation halte ich es für unterlassene Hilfeleistung, eines der stärksten Instrumente zur Reduzierung von CO₂-Ausstoß zu zerstören, das wir haben und das wir technisch seit Jahrzehnten beherrschen. Der deutsche Atomausstieg hat aber genau dies bewirkt.

Kernenergie und Klimaschutz


Wenn sich auch die meisten Menschen inzwischen bewusst sind, dass mehr gegen den Klimawandel getan werden muss, so besteht doch noch viel Uneinigkeit darüber, wie denn der Weg zur Austreibung des Haupttäters CO₂ aus unserer Volkswirtschaft aussehen sollte. Experten nennen diesen Prozess »Dekarbonisierung«. Dekarbonisierung besagt, dass alle Prozesse, die heute mit kohlenwasserstoffbasierter Energie versorgt werden, das heißt mit Kohle, Öl und Erdgas, in Zukunft mit Strom betrieben werden sollen, der aus sauberen Quellen stammt. Das bedeutet, dass für die Stromversorgung von Elektroautos, Industrie, digitalen Infrastrukturen, Beleuchtung und Beheizung unserer Häuser kein weiteres CO₂ produziert werden darf.

Es gibt nur eine Handvoll Industrieregionen auf dieser Erde, die ihre Elektrizitätswirtschaft sehr erfolgreich »dekarbonisiert« haben. Zu diesen Regionen und Ländern gehören Schweden, Frankreich, Teile von Kanada und die Schweiz. Was haben sie gemeinsam? Sie alle nutzen entweder Wasserkraft oder Atomkraft – oder beides. Nur diese beiden Erzeuger sind – neben der Biomasseenergie, die aber aus ökologischen Gründen eine untergeordnete Rolle spielt – in der Lage, wetter- und zeitunabhängig sehr große Mengen Strom unterbrechungsfrei und CO₂-arm zu produzieren. Die Schweizer haben dafür ein schönes Fachwort erfunden: »Bandenergie«.

Leider besitzt Deutschland keine großen Wasserkraftreserven. Aber noch besitzt es Kernenergie. Diese hat laut Weltklimarat dieselbe Klimabilanz wie die Windkraft: 12 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde; neuere Studien sehen die Kernenergie sogar noch günstiger, bei rund maximal 6,4 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde.2 Aber sie ist, anders als Wind- oder Solarenergie, nicht von Wetter, Tages- und Jahreszeit abhängig. Fachleute bezeichnen die Leistung, die von Wasser-, Kern- und Kohlekraftwerken bereitgestellt wird, daher auch als »gesicherte Leistung«, was bedeutet, dass diese Stromproduktion aus eigener Kraft planbar und den Bedarfen gemäß einsetzbar ist.

Solarenergie und Windkraft, die das Rückgrat der deutschen Erneuerbaren-Wirtschaft bilden, nennt man – je nach Einstellung – »intermittierend«, »volatil« oder »variabel«. Diese unterschiedlichen Begriffe bedeuten, dass diese Formen von Stromerzeugung, anders als Wasserkraft und Biomasse-Kraftwerke, unregelmäßig einspeisen. Doch wenn man ein Stromnetz wie in Deutschland vorwiegend auf Sonne und Wind aufbaut, sind ein Backup-Kraftwerkspark oder Stromspeicher erforderlich, um das Netz unter gleichbleibender Spannung und Frequenz zu halten. Erst mit Speichern würden auch Wind- und Sonnenenergie zu gesicherter Leistung. Gesicherte Leistung aus Kernenergie hingegen benötigt keine zusätzlichen Vorkehrungen. Die Wartungsstillstände von Kernkraftwerken können über Jahre im Voraus geplant werden, und wetterbedingte Abschaltungen, etwa bei Extremwetter-Ereignissen, sind bei Kernkraftwerken sehr selten. Ihre Kombination aus CO₂-Armut und Autonomie macht die Atomkraft zu einem besonders wertvollen Instrument in der Werkzeugkiste, ähnlich der Wasserkraft. Kernenergie ist überdies, anders als häufig behauptet wird, ein guter und flexibler Partner für variable Erneuerbare Energien – warum, das werden wir uns später noch genauer anschauen.

Diese Technik steht nun auf dem Spiel. Noch ist Deutschland ein Kernenergieland: mit Atomanlagen – davon drei noch laufenden Kernkraftwerken. Wir haben Atomtechnikerinnen und -techniker, die in diesen Anlagen arbeiten; wir haben Know-how, Expertengremien und eine schlagkräftig aufgestellte, fachlich versierte Atomaufsicht. Deutschland steht heute am Scheideweg: Entweder wir wickeln diese Industrie komplett ab und sind bald nur noch Rückbau-Experten, Abrissunternehmer und Atomstrom-Importeure – oder wir halten im Lichte der Klimakrise und der Energiekostenexplosion einen Moment inne und überdenken die bisherige Politik.

Die Bundesregierung hat nach Fukushima 2011 überhastet den Atomausstieg beschlossen – über die Beweggründe wird noch zu berichten sein. Die damalige 180-Grad-Wende der an sich kernenergiefreundlichen Kanzlerin Angela Merkel hat uns um ein riesiges Potenzial zur CO₂-Einsparung gebracht. Das ist kein Ruhmesblatt – und deswegen redet man lieber nicht davon. Gerne preist man die deutsche Energiewende als Vorbild für die Welt: Deutschland sonnt sich in seiner Rolle als Vorreiter bei der Durchsetzung der Sonnen- und Windenergie im Massenmarkt. Tatsächlich hat Deutschland mit seiner...

Erscheint lt. Verlag 31.3.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Artenschutz • Atomabfall • Atomaufsicht • Atomausstieg • Atomkraft • Atomkraftgegner • Atommüll • Biomasse • Biomasseenergie • Bundesregierung • Dekarbonisierung • Deutschland • dürresommer • Elektroauto • Elektromobilität • Endlager • Energiekrise • Energiepreise • Energiewende • Entsorgungsproblem • Erderwärmung • Erdgas • Erneuerbar • EU-Kommission • Europa • Förderpolitik • Förderung • Fukushima • Heizung • Industriestaaten • Investition • Kernkraft • Kernkraftwerk • Kerntechnik • klimafreundlich • Klimaschutz • Klimawandel • Klimaziel • Kohle • Kohleausstieg • Kostenexplosion • Merkel • Nord-Stream • Ökologie • Öl • Politik und Gesellschaft • Rot-grün • Russland • Solarenergie • Strom • Stromproduktion • Stromversorgung • Technologie • Treibhausgase • Tschernobyl • Ukraine • Umweltorganisation • Umweltveränderung • Versorgungssicherheit • Volkswirtschaft • vollversorgung • Wasserkraft • Windkraft
ISBN-10 3-7517-2880-5 / 3751728805
ISBN-13 978-3-7517-2880-5 / 9783751728805
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