Ideen von heute für die Arbeitswelt von morgen (eBook)
254 Seiten
Haufe Verlag
978-3-648-17365-7 (ISBN)
Zoe Nogai Zoe Nogai ist Projektleiterin in der Telekommunikationsbranche, sowie Speakerin und Autorin zu Themen rund um New Work, New Leadership und Generation Z.
Zoe Nogai Zoe Nogai ist Projektleiterin in der Telekommunikationsbranche, sowie Speakerin und Autorin zu Themen rund um New Work, New Leadership und Generation Z.
6 Macht und Führung
Im Interview mit Dr. Michael Kerkloh, Aufsichtsrat Lufthansa, Ex-Geschäftsführer Flughafen München
Dr. Michael Kerkloh ist, was man sich unter gestandenem erfolgreichem Manager vorstellt. Nach langjähriger Karriere beim Flughafen München, unter anderem über
18 Jahre als Vorsitzender der Geschäftsführung und Arbeitsdirektor der Flughafen München GmbH und aktuell im Lufthansa-Aufsichtsrat vertreten, kann er auf eine Vielzahl an Erfahrungen und Entscheidungen zurückblicken, die ihn zwar weit nach oben gebracht, aber nie haben abheben lassen. So zumindest meine Meinung, als ich ihn für dieses Gespräch treffen konnte. Dieses dreht sich um seine Sicht auf (seine) Karriereerfolge, den Einfluss von Macht und der Zukunft von Führung, und rundet somit das Thema als »Gegenperspektive« zum Essay von Lisa Hoffmann ab.
Zurückblickend auf deine Karriere: Gibt es ein Highlight, ein Thema, auf welches du besonders stolz bist?
Das eine Thema gibt es da nicht, aber ich glaube, besonders gut finde ich meine Tätigkeiten rund um Markenbildung und die zugrundeliegenden Werte, beispielsweise beim Münchner Flughafen. Wir haben den Claim »Verbindung leben« etabliert, welcher sowohl in der Außenwahrnehmung als auch nach innen viel ausdrückt. Allem voran steht dieser Claim für einen mir persönlich sehr wichtigen Wert: In unserem Handeln sollten wir immer erst darauf schauen, welchen Mehrwert wir für andere schaffen können, bevor es um uns selbst geht, also die Verbindungen auf zwischenmenschlicher Ebene leben.
Um das tun zu können, ist es wichtig, die Zusammenhänge und Verbindungen im Big Picture, also auf strategischer und struktureller oder auch gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene, zu verstehen. Jeder Erfolg oder Misserfolg hängt immer von den verschiedenen Komponenten des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtsystems ab, in dem man sich befindet. Möglicherweise war der eigene Beitrag richtig, nur eben an falscher Stelle oder zu falscher Zeit platziert. Die Neugierde zu haben, die Gesamtzusammenhänge, die Verbindungen auf größerer Ebene verstehen zu wollen und dann entsprechend zu agieren, ist für den Erfolg, welcher dies auch immer sein mag, essenziell.
Inwieweit ist dieses Verständnis zu erlangen und die Neugierde zu fördern Führungsaufgabe und wie können Führungskräfte das, beispielsweise durch Intrapreneurship-Ansätze, erreichen?
Unternehmerische Freiheit in Unternehmen zu stärken ist eine wichtige, aber anspruchsvolle Aufgabe, da insbesondere große Unternehmen bis ins letzte Detail durchstrukturiert sind. Diese Freiheit würde das System, also in diesem Fall das Unternehmen, ausbremsen, was somit eigentlich ein Widerspruch in sich ist. Durch Ansätze unternehmerischen Handelns wird ja eigentlich das Ziel verfolgt, schneller agieren zu können. Größere Freiheitsgrade bedingen unkontrollierte Prozesse, was wiederum eine stärkere Flexibilität und Agilität im Handeln aller Beteiligten erfordert und in einem durchstrukturierten System nicht immer gegeben ist. Diese Struktur ist ab einer gewissen Größe einer Unternehmung essenziell, um handlungsfähig zu sein und auch um der nicht unerheblichen Relevanz der Sorgfaltspflicht gegenüber Kapitalgebern, Anteilseignern, aber auch der Gesellschaft nachzukommen.
Ein Lösungsweg, den viele Unternehmen gehen, um von Intrapreneurship-Programmen profitieren zu können, ohne sich dadurch selbst zu demontieren, ist die Gründung einer eigenen Gesellschaft dafür. Diese Gesellschaften sind meist möglichst weit weg von der Zentrale, um nicht über die jeweiligen Strukturen zu stolpern oder einander in irgendeiner Weise zu stören. Dies bedingt jedoch auch, dass der Transfer sinnvoller Ergebnisse aus solchen Innovationszentren in den Regelbetrieb eine Herausforderung darstellt und Offenheit sowie möglichst sogar Partizipation der zentralen Führungsstrukturen erfordert.
Eine weitere Herausforderung ist die mit der unternehmerischen Freiheit einhergehende Veränderung in der Führungsarbeit. Damit Mitarbeiter*innen Freiheit leben können, müssen Führungskräfte diese Freiheit zulassen. Sie dürfen sich durch diese und durch daraus entstehende Ergebnisse nicht bedroht fühlen. In diesem Kontext gehört es zur Führungsarbeit dazu, die Ergebnisse und Ideen aus dem Team zu kanalisieren und in das Big Picture der Unternehmung einordnen zu können.
Ich glaube, dass man all das lernen kann – aber auch muss. Führung ist ein Thema, an welchem man konstant dranbleiben, reflektieren, sich weiterentwickeln und üben muss. Wichtig dabei ist es, keine Angst zu haben und darauf zu vertrauen, dass Offenheit und Freiheit nicht zur Destabilisierung der eigenen Position führen werden.
Wie wird sich der Einfluss von Ego und Macht in Unternehmen aus deiner Sicht perspektivisch entwickeln?
Macht ist per se nichts Schlechtes. Wer Macht hat, kann sie beispielsweise dafür einsetzen, Themen voranzubringen – und sei es die eigene Karriere. Es ist nicht verwerflich, auch auf den eigenen Vorteil zu blicken, sich mit Themen durchzusetzen, an die man glaubt, und die vorhandene Macht einzusetzen. Jene, die ihre Macht wirklich zu nutzen wissen, verstehen das große Ganze, das Macht- und soziale Gefüge im Unternehmen, und machen sich dieses für ihre Anliegen zunutze. Allein eine gute Idee und die richtigen Werte zu haben, reicht nicht aus, man muss diese auch im Kontext des Big Pictures unter allen vorhandenen Zusammenhängen durchzubringen wissen.
Was denkst du brauchen wir als Gesellschaft, um perspektivisch wettbewerbsfähig zu bleiben?
Eine Gesellschaft muss offen sein für Neues. Hat sie einen gewissen Wohlstand erreicht, tendiert sie dazu, Neues zu verhindern, um diesen Wohlstand zu sichern. Denn Neues bedeutet auch immer ein gewisses Risiko. Veränderungswille ist per se gut, aber durch Veränderung besteht auch immer der Konflikt, sich mit Bewährtem zu messen. Eine Routine zu haben und Bewährtes beizubehalten, ist jedoch auch gut und wichtig. Wenn Menschen damit konfrontiert werden, dass andauernd alles infrage gestellt wird, schürt das schnell Unsicherheit. Dennoch ist die Neugierde an Neuem und der generelle Wille zum Ausprobieren essenziell für den langfristigen Fortbestand einer Gesellschaft und ein Trend, den ich aktuell bei uns beobachte und für sehr gut halte.
Jede Innovation hat mit einer Idee begonnen, die potenziell auch nach hinten hätte losgehen können. Ein aktuelles Beispiel aus unserem Wirtschaftsraum ist der Umschwung vom Verbrenner hin zu Elektro-Antrieben. Wenn nun einige Automobilhersteller aus Wettbewerbsgründen voll auf Elektro setzen, die eigene Belegschaft aber seit Jahrzehnten Verbrenner baut und natürlich auch hinter dem Produkt steht, zeigen sich bei diesem Strategiewechsel natürlich verschiedenste Reaktionen. So werden etwa 10 % der Belegschaft hinter dieser Veränderung stehen und direkt mitziehen. 40 % sind skeptisch, denn es läuft doch gut so wie es ist. 50 % der Belegschaft äußern sich nicht, sie warten ab, wie sich die Umsetzung entwickelt. Sobald sich abzeichnet, dass der Strategiewechsel ein Erfolg oder Misserfolg wird, beziehen sie Partei für die Seite, die sich durchsetzen wird.
Diese Reaktionen sind nicht nur für dieses Beispiel, sondern für jede Art von Veränderung oder Innovation zutreffend, sei es die Verkehrswende oder der Bau der dritten Landebahn am Münchner Flughafen. Bis eine kritische Masse erreicht ist, die sich für die Veränderung einsetzt und somit auch den Erfolg dieser mitentscheidet, zieht es sich mitunter ewig. Um als Gesellschaft und Wirtschaftsmacht wirklich wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es aus meiner Sicht daher Offenheit, Gestaltungswillen und die Neugierde, die Komplexität, also die Zusammenhänge im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtsystem, zu verstehen. Auch eine klare Kommunikation dessen, was man will, und eine daran anschließende Dialogbereitschaft sind Schlüsselvoraussetzungen dafür, dass eine Umsetzung gelingen kann.
Dies gilt für eine Gesellschaft wie für ein Unternehmen gleichermaßen. Im Kontext Unternehmen denke ich zudem, dass wir um das Thema, mehr Freiheit zu ermöglichen, nicht herumkommen werden. Und dies setzt hochwertige Führung voraus.
Um beim Beispiel von eben zu bleiben: Die 50 % der Belegschaft, die bei Veränderung erstmal keine Position beziehen, für eben diese Veränderung zu begeistern, sie abzuholen, etwaige Ängste zu verstehen und zu nehmen, ist Führungsaufgabe. Und je mehr und je schneller sich die Dinge verändern, desto präsenter wird diese Aufgabe im Führungsalltag.
Welches werden denn mit Blick aufs Jahr 2035 die größten und prägendsten Veränderungen sein?
Die technischen Veränderungen in Richtung KI gehen sehr schnell. Du könntest dieses Interview beispielsweise bereits heute statt mit mir auch mit einer KI führen. Und die Geschwindigkeit wird nur noch weiter zunehmen. Das Problem dabei ist, dass es zu schnell für einen Großteil der Menschen geht, sie kommen mit all dem nicht mehr mit. Das führt zu einer gesellschaftlichen Spaltung.
Vor 15 Jahren kam das erste Smartphone auf den Markt und hat die Art, wie wir kommunizieren, in einem solchen Ausmaß verändert, wie wir es uns vorher nicht hätten vorstellen können. Innovationen mit Auswirkungen wie dieser finden heutzutage und auch in Zukunft nicht mehr je Dekade, sondern deutlich öfter statt. Die Frage ist nicht, was sich wie schnell verändert, sondern wie wir lernen, damit umzugehen.
Eine Antwort darauf ist es, das Leben maximal zu vereinfachen. Heutzutage werden viele eigentlich normale Dinge an eine Vielzahl an Bedingungen geknüpft. Ziehen wir als Beispiel...
Erscheint lt. Verlag | 7.2.2024 |
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Reihe/Serie | Haufe Fachbuch |
Verlagsort | Freiburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
Schlagworte | Arbeitskraft • Arbeitsmarkt • Arbeitswelt • business • Emotionale Intelligenz • Führung • Generation • Generation Z • Geschlechterrolle • Karriere • Kompetenzen • morgen • Skills • U30 • Ü30 • Zoe Nogai • Zukunft |
ISBN-10 | 3-648-17365-0 / 3648173650 |
ISBN-13 | 978-3-648-17365-7 / 9783648173657 |
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Größe: 3,8 MB
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