Der Papst der Enttäuschungen -  Michael Meier

Der Papst der Enttäuschungen (eBook)

Warum Franziskus kein Reformer ist
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Verlag Herder GmbH
978-3-451-83970-2 (ISBN)
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Ist Franziskus ein Reformpapst? Der Religionsjournalist Michael Meier zieht eine nüchtern-realistische Bilanz des Pontifikats: Franziskus ist mehr Seelsorger und Hirte als ein (sei es auch nur gescheiterter) Reformer! Im Einzelfall lässt Franziskus zwar Gnade vor Recht ergehen, stellt Barmherzigkeit über Lehramt und Dogma. Grundsätzlich bleibt aber alles beim Alten. Erwartungen auf substanzielle Reformen werden geweckt, doch letztlich bleiben sie aus. Das Buch schildert detailiert die spannende Geschichte des Pontifikats und markiert deutlich seine Schwachstellen.

Michael Meier (geboren 1955 in Zürich) hat in Zürich Germanistik, später in Rom und Freiburg im Uechtland Theologie studiert und mit dem Lizentiat abgeschlossen. 33 Jahre lang war er Kirchen-und Religionsexperte bei der grössten Schweizer Tageszeitung 'Tages-Anzeiger'. Er hat die Pontifikate von Johannes Paul II. bis zu Franziskus hautnah begleitet und kommentiert. Heute ist er noch freiberuflich journalistisch tätig. Unter anderem hat er den Zürcher Journalistenpreis für das Gesamtwerk erhalten sowie aus den Händen von Hans Küng den Herbert-Haag Preis für Freiheit in der Kirche

Michael Meier (geboren 1955 in Zürich) hat in Zürich Germanistik, später in Rom und Freiburg im Uechtland Theologie studiert und mit dem Lizentiat abgeschlossen. 33 Jahre lang war er Kirchen-und Religionsexperte bei der grössten Schweizer Tageszeitung "Tages-Anzeiger". Er hat die Pontifikate von Johannes Paul II. bis zu Franziskus hautnah begleitet und kommentiert. Heute ist er noch freiberuflich journalistisch tätig. Unter anderem hat er den Zürcher Journalistenpreis für das Gesamtwerk erhalten sowie aus den Händen von Hans Küng den Herbert-Haag Preis für Freiheit in der Kirche

Vorwort und Grundthese:
Kein Reformer, sondern Seelsorger


Warum am Ende dieses Pontifikats abermals ein Buch über Franziskus? Ist über ihn nicht längst alles gesagt? Eben nicht. Denn die allgemeine Wahrnehmung dieses Papstes vom anderen Ende der Welt war von Anfang an in Stereotypien gefangen, die nachweislich falsch sind. Es wurde fast einmütig ein idealisiertes Bild kultiviert, das allen hilft: Dem Papst selber, den Reformern wie den Reaktionären. Franziskus gilt gemeinhin als Reformpapst. Nur: Wie hat er die Kirche erneuert, welche Reformen hat er aufgegleist? Die Frage bringt selbst jene in Verlegenheit, die das Bild des Reformpapstes geprägt haben, allen voran den bekannten Vatikanisten Marco Politi. Er nennt vage die Kurienreform, mehr Rechte für Frauen und Geschiedene oder die Abkehr von der Fokussierung auf die Sexualmoral. Zugleich glaubt er zu wissen, warum der reformwillige Papst mit den Reformen nicht vorankommt: Eine noch nie dagewesene Opposition, ja ein eigentlicher Bürgerkrieg hinter den Mauern des Vatikans breche den päpstlichen Reformwillen. So hat Politi das gängige, Franziskus entlastende Narrativ dieses Pontifikats formuliert: Franziskus ein Reformer, der leider an der Umsetzung gehindert wird, ausgebremst von der konservativen Kurie. Das in seinen Büchern Unter Wölfen1 oder Das Franziskus-Komplott2 beschworene Narrativ vom verhinderten Reformer ist zur dominanten Deutung dieses Papstes geworden.

Das geschönte Bild vom verhinderten Reformer haben nicht nur die Medien, sondern auch zahlreiche andere Vatikan-Kenner übernommen. Andreas Englisch etwa in seinem Buch Der Pakt gegen den Papst.3 Auch Christopher Lamb, der Vatikan-Korrespondent von The Tablet, postuliert in seinem Buch The Outsider: Pope Francis and His Battle to Reform the Church,4 dass der Papst mit einem Guerilla-ähnlichen Aufstand konfrontiert sei, der von »weltlichen und klerikalen Einrichtungen« angeführt werde. Selbst die fundierte Franziskus-Biografie des Engländers Paul Vallely trägt den verfänglichen Untertitel Vom Reaktionär zum Revolutionär.5 In die gleiche Kerbe schlägt die Franziskus-Biografie von Daniel Deckers,6 die ganz vom Zauber des Anfangs inspiriert ist. Überhaupt stammen die meisten wichtigen Franziskus-Monografien aus den ersten Jahren des Pontifikats, als die Hoffnung auf Neuerungen noch eher gerechtfertigt war. Einer der wenigen, der den »Franziskus-Mythos« – fünf Jahre nach Amtsantritt von Franziskus – grundsätzlich hinterfragt hat, ist Marco Marzano in seinem argumentativ bestechenden Sachbuch Die unbewegliche Kirche.7 Als Soziologe ist er vor allem an der Institution und ihrer Trägheit interessiert, mit der es auch Franziskus nicht aufnehmen kann.

Zweierlei ist falsch an der gängigen Lesart: Unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. war die Opposition wesentlich größer. Man denke an den Vatileaks-Skandal innerhalb der Mauern des Vatikans, der Benedikt letztlich zum Rücktritt bewog, vor allem aber auch an die von außen kommende Opposition gegen die beiden Pontifikate. Der Streit um die Deutungshoheit des Zweiten Vatikanischen Konzils bescherte diesen Päpsten von rechts das Schisma mit den Piusbrüdern und von links hartnäckige Reforminitiativen wie die Kölner Erklärung, Wir sind Kirche, Lila Stola, Gruppe verheirateter Priester, Initiativgruppe vom Zölibat betroffener Frauen und wie sie alle heißen. Die Reformbewegungen nahmen die beiden letzten Päpste unter Dauerbeschuss. Es trifft aber noch weniger zu, dass Franziskus ein Reformpapst ist. Dieses Buch zeichnet ein anderes Narrativ: Franziskus als Seelsorger und Hirte, der im Einzelfall Gnade vor Recht ergehen lässt, Barmherzigkeit über Lehramt und Dogma stellt, dieses aber nicht antastet. Barmherzigkeit ist der Schlüssel zum Pontifikat von Franziskus. Damit weckt er Erwartungen auf substanzielle Reformen, ohne ein Reformer zu sein. Und er gerät in Widersprüche, in Teufels Küche. Diese Lesart erlaubt es auch, eine nüchtern-realistische Bilanz des Bergoglio-Pontifikats zu skizzieren. Der analytische Essay zeigt exemplarisch, dass die Kirche in ihrer Substanz schlicht nicht reformierbar ist.

Mein Buch, keine Biografie, sondern ein Sachbuch, treibt die Entmythologisierung des zu Ende gehenden Pontifikats weiter und will zugleich eine Bilanz ziehen. Als Theologe und Religionsjournalist (während Jahrzehnten beim Zürcher Tages-Anzeiger), kann ich die Außen- und Innenperspektive zusammenführen. Ich habe als reformierter Christ und verhinderter Konvertit katholische Theologie in Rom und Fribourg studiert. Das erklärt vielleicht meine Distanz zu Papst und römischer Kirche. Ich finde Franziskus bisweilen sympathisch, fasziniert oder inspiriert hat er mich nie. Ich habe sein Wirken seit seiner Wahl journalistisch begleitet und die gängige Lesart praktisch von Anfang an angezweifelt, mich damit auch Kritik ausgesetzt. Nochmals: Ich halte das Narrativ des gescheiterten Reformers für falsch, und zwar ohne Wenn und Aber. Franziskus ist kein Reformer, sondern Seelsorger und Hirte. Die große Öffentlichkeit nimmt meist nur seine mündlichen Äußerungen zur Kenntnis, die tatsächlich das Bild eines Reformpapstes suggerieren. Man muss aber auch seine lehramtlichen Texte lesen, die eine andere Sprache sprechen.

So kommt es, dass Franziskus sich mit Homosexuellen trifft, die Homoehe aber – und selbst die liturgische Segnung gleichgeschlechtlicher Beziehungen – für unstatthaft hält. Er ermuntert eine evangelische Frau mit ihrem katholischen Ehemann zur Kommunion zu gehen, untersagt aber das gemeinsame Abendmahl von katholischen und evangelischen Gemeinden. Er hievt einzelne Frauen in administrative Spitzenämter, hält aber ihre Teilhabe an der Definitions- und Leitungsgewalt qua Weihe für nicht gottgewollt. Er anerkennt verheiratete Priester in den katholisch-unierten Kirchen, verpflichtet seine eigenen Priester aber auf den Zölibat. Er will den Laien mehr Mitsprache bei der Entscheidungsfindung geben, von den Entscheidungen selber aber schließt er sie aus.

Entscheidend für das Verständnis von Franziskus: Er ist der erste Papst aus dem Süden, der in einer westlich dominierten Kirche wirkt, sich aber wenig für den Westen interessiert. Das imprägniert seine Haltung nicht nur zu geopolitischen Fragen, sondern auch zu Fragen des interreligiösen Dialogs und der Kirchenreform. Höchstwahrscheinlich wird auch sein Nachfolger aus Lateinamerika, Afrika oder Asien kommen. In der südlichen Hemisphäre, aus der Franziskus stammt, treten strukturelle Reformen der Kirche hinter den Fragen der Armutsbekämpfung, Entkolonialisierung oder Migration zurück. Und trotzdem ist etwa die Frauenfrage keine auf den Westen beschränkte; sie ist global und überall virulent. Auch afrikanischen Nonnen würde in einer geschlechtergerechten Kirche viel Leid erspart bleiben. Und gerade die Amazonas-Synode hat gezeigt, dass selbst im Urwald neue Zulassungsbedingungen zum Priesteramt notwendig wären.

Dieses Buch ist aus einer westlichen Perspektive geschrieben, aus einer aufgeklärten, reformorientierten Perspektive. Der sogenannten Kirchenbasis wirft es aber vor, nicht schon vor Jahren gemerkt zu haben, dass man von Franziskus’ barmherzigen Gesten nicht auf substanzielle Reformen schließen darf. Dagegen stemmt sich die Basis und hält krampfhaft an der Lesart des gescheiterten Reformpapstes fest. Warum? Diese Deutung stabilisiert den Status quo der Kirche und hält zugleich die Hoffnung auf Veränderung am Leben. Sie hilft der Basis und sie hilft dem Papst. Es ist eine Symbiose, die den Kirchenbetrieb aufrechterhält und obendrein die kirchliche Einheit festigt. Die Basis der Gläubigen und das Gros der kirchlichen Angestellten halten am Bild des an der Kurie gescheiterten Reformers fest, weil es ihrer Einbettung in der Kirche oder ihrer pastoralen Arbeit eine Perspektive gibt. Auch Basisinitiativen wie Wir sind Kirche wollen nicht wahrhaben, dass sie ihre Reformforderungen wie den Stein des Sisyphos vor sich herschieben, ohne je ans Ziel zu gelangen. Tatsächlich hat Franziskus zu Beginn des Pontifikats Zeichen gesetzt, die auf Reformen hoffen ließen. Zudem ist dieser Papst bemüht, auf die Reformer zuzugehen, indem er sie über Reformschritte debattieren lässt, die er dann aber auf Retuschen und Kosmetik nivelliert.

Der Essay umreißt entlang der chronologischen Achse mit den wichtigsten Stationen des Pontifikats die von Franziskus gesetzten Hauptthemen. Im Fokus stehen die von ihm ausgelösten Debatten um Reformen, speziell die mit den Bischofsynoden zu Familie und mit der Amazonas-Synode geschürten Hoffnungen auf Abschaffung des Pflichtzölibats, Aufwertung der Frau und eine neue Sexualmoral. Statt aber zu Reform an Haupt und Gliedern kommt es nur zu Retuschen. Zur Sprache kommt weiter der halbherzige Kampf gegen den Missbrauch, die fragwürdige Kardinalspolitik der Peripherie und der mehrjährige Synodale Prozess, der wie andere nationale Dialogprozesse ins Leere laufen wird. Im interreligiösen Bereich setzt Franziskus auf die Öffnung gegenüber dem Islam, zementiert aber binnenkirchlich den Stillstand gegenüber den Kirchen der Reformation, indem er am Verbot des gemeinsamen Abendmahls festhält. Auch politisch ist er kein Revolutionär, weil kein Befreiungstheologe, sondern ein argentinischer Volkstheologe ohne politischen Messianismus. Im Ukraine-Krieg mag er...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2024
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte Kirchenkritik • Kritik • Papst Franziskus • Papsttum • Reformstau • Rom • Vatikan
ISBN-10 3-451-83970-9 / 3451839709
ISBN-13 978-3-451-83970-2 / 9783451839702
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