Körperbild bei Essstörungen -  Reinhild Schwarte,  Katharina Alexandridis

Körperbild bei Essstörungen (eBook)

Ein interdisziplinäres Therapiemanual
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
211 Seiten
Ernst Reinhardt Verlag
978-3-497-61889-7 (ISBN)
Systemvoraussetzungen
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Wie fühle ich mich in meinem Körper? Diese Frage ist für Patient:innen mit Essstörungen schwierig. Impulse für die Körperbild-Arbeit mit allen Altersgruppen gibt dieses Manual. Verhaltenstherapie und Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen werden mit Improvisationstheater verbunden. So bringen kreative Elemente Schwung und Leichtigkeit in die Therapie. Vielfältige emotionsaktivierende Übungen bilden die Grundlage für die ganzheitliche Auseinandersetzung mit Gefühlen, insbesondere Scham und Unsicherheit sowie Kontrollbedürfnisse. Die Therapieeinheiten sind detailliert beschrieben, frei kombinierbar und für Gruppen- und Einzeltherapie geeignet. Zudem werden Exkursionen (z. B. Kleidungsshopping, Schwimmbad) und jahreszeitliche Besonderheiten (z. B. Weihnachten, Ramadan) beschrieben. Arbeitsblätter zum Download unterstützen Patient:innen beim Alltagstransfer.

Dr. Reinhild Schwarte ist psychologische Psychotherapeutin (VT) für Erwachsene, Kinder und Jugendliche. Sie leitet in der Oberbergklinik Konraderhof bei Köln den FB Essstörungen und ist Mitgründerin des Netzwerkes für angewandtes Improvisationstheater in der Psychotherapie. Dr. Katharina Alexandridis ist Sport- und Bewegungstherapeutin an der Oberbergklinik Konraderhof bei Köln. Sie forscht und lehrt an der Deutschen Sporthochschule (u. a. zu Körperbilddiagnostik) und bietet tiergestützte Interventionen an.

1 Essstörungen: Störungsbilder und Behandlungsansätze

1.1 Erscheinungsbild und Klassifikation ICD-11

Die Beschreibung und Klassifikation psychischer Störungen erfolgt aktuell über das DSM-V (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen, 5. Revision der American Psychiatric Association) und über das ICD-10 (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten, 10. Revision der Weltgesundheitsorganisation). Beide Klassifikationssysteme haben eine lange Historie: Die erste Version des DSM gab es 1844, 1948 wurde die ICD zum ersten Mal herausgegeben.

Die 11. Revision der ICD (ICD-11) wurde im Mai 2019 von der WHO verabschiedet. Derzeit ist die ICD-10-GM aber nach wie vor die in Deutschland gültige Version. Wann die ICD-11 in Deutschland eingeführt wird, ist im Jahr 2023 zwar noch nicht absehbar, dennoch soll die hiesige Darstellung der Störungsbilder auf diesem, wohl fortschrittlichsten und zukunftsweisenden Klassifikationssystem basieren.

Die ICD-11 bietet mit der Darstellung der „drei großen Essstörungsdiagnosen“ (Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge Eating Disorder) eine praktisch sehr gut handhabbare Grundlage. Differentialdiagnostisch stellt die Erweiterung um die vermeidende / restriktive Essstörung (Avoidant Restrictive Food Intake Disorder; ARFID) eine hilfreiche Weiterentwicklung dar. Im Gegensatz zu den Betroffenengruppen der drei o. g. Diagnosen leiden ARFID-Patient:innen jedoch zumeist nicht unter einer besonders ausgeprägten Körperbildsymptomatik.

Das hiesige Manual zielt auf Behandelnde von Patient:innen mit Körperbildproblemen (zur näheren Begriffsdefinition Kap. 2). Neben den „großen drei“ Essstörungskategorien gehören hierzu zum einen Patient:innen mit depressiven und sozial-phobischen Störungen, die massive, auch körperbildbezogenen Selbstwertprobleme haben. Zum anderen gehören dazu auch Patient:innen mit körperbildbezogenen Störungen wie dem „Adonis-Komplex“ (Mangweth, 2004), einer von Harrison et al. (2001) beforschten Muskeldysmorphie. Hier handelt es sich um ein zumeist bei männlichen Patienten vorliegendes Bestreben zu sehr muskulösen Körpern, wobei es in der Selbstwahrnehmung zu Verzerrungen kommt. Auch Behandelnde von Patient:innen mit Essstörungen mit großen zwanghaften Anteilen wie der Orthorexie, dem zwanghaft „gesunden“ Essen, gehören zur Zielgruppe des Manuals.

Ausführlich dargestellt werden im Folgenden die Diagnosen der Essstörungen, die in der ICD-11 aufgeführt sind und klassischerweise mit Körperbildproblemen einhergehen: Anorexia nervosa, Bulimia nervosa und Binge Eating Disorder.

1.1.1 Anorexia nervosa

Charakteristisch für die Anorexia nervosa (AN) ist restriktives Essverhalten, das in Mangelernährung und schließlich in einen kachektischen Zustand, also einen Hungerzustand, mündet. Dabei unterscheidet man Patientinnen mit rein restriktivem Verhaltensmuster und Patientinnen, bei denen auch kompensative und dekompensative Verhaltensweisen auftreten, ähnlich der Bulimia nervosa (Kap. 1.1.2). Dabei tritt aber immer der oben erwähnte Hungerzustand durch Untergewicht oder raschen Gewichtsverlust auf.

In der ICD-11 wird die AN wie folgt definiert (und in der ICD-11 mit 6B80 verschlüsselt):

Für Körpergröße, Alter und Entwicklungsstand signifikant niedriges Körpergewicht, das nicht auf eine andere gesundheitliche Störung oder auf die Nichtverfügbarkeit von Nahrung zurückzuführen ist. Das bedeutet hier:

a BMI von weniger als 18,5 kg / m² bei Erwachsenen und ein BMI unter der 5. BMI-Altersperzentile für Kinder und Jugendliche oder

b rascher Gewichtsverlust (z. B. mehr als 20 % des Körpergewichts innerhalb von sechs Monaten) oder

c ausbleibende Gewichtszunahme bei Kindern und Jugendlichen wie es aufgrund des individuellen Entwicklungsverlaufs zu erwarten wäre.

Anhaltendes Verhaltensmuster, das die Wiederherstellung des Normalgewichts verhindern soll.

Niedriges Körpergewicht oder schlanke Körperform stehen im Mittelpunkt der Selbsteinschätzung der Person oder werden fälschlicherweise als normal empfunden.

Bei der Diagnostik kann auch das Körpergewicht verschlüsselt werden:

Anorexia nervosa mit signifikant erniedrigtem Körpergewicht (6B80.0): BMI zwischen 18,5 kg / m2 und 14,0 kg / m² für Erwachsene oder zwischen der 5. BMI-Altersperzentile und der 0,3-Perzentile bei Kindern und Jugendlichen.

Anorexia nervosa mit kritisch erniedrigtem Körpergewicht (6B80.1): BMI unter 14,0 kg / m² bei Erwachsenen oder unter der 0,3 BMI-Altersperzentile bei Kindern und Jugendlichen.

Gemäß ICD-11 werden die Klassifikationen 6B80.0 und 6B80.1 jeweils weiterführend differenziert in:

Anorexia nervosa mit restriktivem Verhaltensmuster (6B80.00 bzw. 6B80.10): Ausschließlich eingeschränkte Nahrungsaufnahme oder Fasten oder in Kombination mit einem erhöhten Energieverbrauch (z. B. durch exzessive körperliche Betätigung), d. h. keine Essanfälle oder Purging-Verhalten.

Anorexia nervosa mit Binge-Purging-Verhaltensmuster (6B80.01 bzw. 6B80.11): Vorliegen von Binge-Eating- oder Purging-Verhalten, d. h. entweder ausgeprägtes Abführverhalten (z. B. selbst herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln oder Einläufe) und / oder Essanfälle.

Anorexia nervosa, nicht näher bezeichnet (6B80.0Z bzw. 6B80.1Z): ergänzende Diagnosekategorie für ansonsten nicht klar zuzuordnende Bilder.

Weitere Kategorien sind folgende:

Anorexia nervosa in Remission mit normalem Körpergewicht (6B80.2): Zustand nach Gewichtsrehabilitation (z. B. für mindestens ein Jahr nach Absetzen der intensiven Behandlung).

Anorexia nervosa, sonstige näher bezeichnete (6B80.Y): ergänzende Diagnosekategorie für ansonsten nicht klar zuordbare Bilder, für die aber eine Bezeichnung, ein Konzept existiert.

Anorexia nervosa, nicht näher bezeichnet (6B80.Z): ergänzende Diagnosekategorie für ansonsten nicht klar zuordbare Bilder.

1.1.2 Bulimia nervosa

Bei der Bulimia nervosa (BN) wechseln sich restriktive, kompensierende Verhaltensweisen mit dekompensierenden ab. Patientinnen leiden einerseits unter Heißhungerattacken mit erlebtem Kontrollverlust, denen sie mit entgegengesetzten Maßnahmen wie Erbrechen, aber auch exzessiver körperlicher Aktivität, abführenden Maßnahmen oder Hungerperioden entgegenzutreten versuchen. Dabei kommt es zu keiner Mangelernährung, die für die Störung spezifisch wäre. Es können aber zahlreiche medizinische Konsequenzen, etwa Elektrolytverschiebungen im Blutbild, kardiologische Probleme, Probleme bei der Zahnhygiene, hormonelle Veränderungen etc. entstehen. Gewichtsschwankungen bestehen je nach Ausmaß der Symptomatik.

In der ICD-11 wird die BN (6B81) wie folgt definiert:

Häufige, wiederkehrende Essanfälle (z. B. einmal pro Woche oder öfter über einen Zeitraum von mindestens einem Monat).

Unangemessene kompensatorische Verhaltensweisen, die Gewichtszunahme verhindern sollen (z. B. selbst herbeigeführtes Erbrechen, Missbrauch von Abführmitteln oder Einläufen und anstrengendem Sport).

Gedanken über Körperform oder Gewicht, welche die Selbsteinschätzung stark beeinflussen.

Ausgeprägter Leidensdruck

a in Bezug auf Essverhalten und unangemessenes kompensatorisches Verhalten oder

b eine erhebliche Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

1.1.3 Binge Eating Disorder

Patientinnen mit Binge Eating Disorder (BED) leiden unter Essattacken mit erlebtem Kontrollverlust, führen jedoch keine kompensatorische Verhaltensweisen aus.

In der ICD-11 wird die BED (6B82) als Diagnosekategorie neu eingeführt und wie folgt definiert:

Häufige, wiederkehrende Episoden von Essanfällen (z. B. einmal pro Woche oder öfter über einen Zeitraum von mehreren Monaten).

Keine unangemessenen kompensatorischen Verhaltensweisen.

Ausgeprägter Leidensdruck:

a aufgrund der Essanfälle oder

b eine erhebliche Beeinträchtigung in persönlichen, familiären, sozialen, schulischen, beruflichen oder anderen wichtigen Bereichen.

1.2 Behandlungsansätze

In der Darstellung der Behandlungsansätze beschränken wir uns an dieser Stelle auf die...

Erscheint lt. Verlag 13.5.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
ISBN-10 3-497-61889-6 / 3497618896
ISBN-13 978-3-497-61889-7 / 9783497618897
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