Lunapark (eBook)

Spiegel-Bestseller
Gereon Raths sechster Fall
eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
560 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-31582-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Lunapark -  Volker Kutscher
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Berlin, Ende Mai 1934. Die anfängliche Begeisterung für die Regierung Hitler schwindet, die unberechenbare SA macht vielen Bürgern Angst. Und Gereon Rath gerät bei seinen aktuellen Ermittlungen ausgerechnet mit den Braunhemden aneinander. Unter der Eisenbahnbrücke an der Liesenstraße, unter einer unvollendeten kommunistischen Parole, liegt ein SA-Mann, der scheinbar erschlagen wurde, tatsächlich aber an einem Glasauge erstickt ist. Am Tatort trifft Kommissar Rath auf seinen früheren Kollegen Reinhold Gräf, der nun für die Geheime Staatspolizei arbeitet. Während Gräf von einem politischen Mord ausgeht, ermittelt Rath in eine andere Richtung und entdeckt Verbindungen zum zerschlagenen Ringverein »Nordpiraten«, der seine kriminellen Aktivitäten als SA-Sturm getarnt fortsetzt. Als ein zweiter SA-Mann erschlagen aufgefunden wird, scheint alles auf eine Mordserie zu deuten. Eine Spur führt in den seit Kurzem geschlossenen Lunapark, einstmals Berlins berühmtester Rummel. Und Rath fragt sich, welche Rolle Unterweltboss Johann Marlow, ein Erzfeind der »Nordpiraten«, in diesem Fall spielt. Die politische Lage wird immer brisanter, Raths Frau Charly gerät in SA-Haft, und der Kommissar wird in einen Strudel sich überschlagender Ereignisse gezogen, an deren Ende er sogar einen unmissverständlichen Mordauftrag erhält. Wird er ihn ausführen? Volker Kutscher liefert atemlose Spannung und das packende Porträt politisch höchst unruhiger Zeiten.

Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte zunächst als Tageszeitungsredakteur, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier Autor in Köln. Mit dem Roman »Der nasse Fisch«, dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem bisher fünf weitere folgten. Die Reihe ist inzwischen in viele Sprachen übersetzt und durch Tom Tykwers Verfilmung Babylon Berlin international bekannt.

Volker Kutscher, geboren 1962, arbeitete nach dem Studium der Germanistik, Philosophie und Geschichte zunächst als Tageszeitungsredakteur, bevor er seinen ersten Kriminalroman schrieb. Heute lebt er als freier Autor in Köln. Mit dem Roman »Der nasse Fisch«, dem Auftakt seiner Krimiserie um Kommissar Rath im Berlin der Dreißigerjahre, gelang ihm auf Anhieb ein Bestseller, dem bisher fünf weitere folgten. Die Reihe ist inzwischen in viele Sprachen übersetzt und durch Tom Tykwers Verfilmung Babylon Berlin international bekannt.

1


Obwohl er sich gleich nach dem Anruf auf den Weg gemacht hatte, herrschte bereits Hochbetrieb. Im Schatten einer hohen Backsteinmauer standen zwei grüne Opel vom Präsidium, ein Überfallwagen der Schutzpolizei, der dunkelrote Horch von Doktor Karthaus und das schwarz glänzende Mordauto aufgereiht am Bordstein der Gartenstraße. Ein paar Meter weiter, im Halbdunkel unter der Bahnbrücke, waren so viele Schupos postiert, dass Rath vor lauter Uniformblau kaum etwas von dem erkennen konnte, was sich dahinter abspielte. Er parkte seinen Buick ganz hinten in der Reihe und stieg aus.

Der Morgen war nicht allzu freundlich, ein grauer Himmel hing über der Stadt. Rath holte sein Zigarettenetui aus der Manteltasche, zündete sich eine Overstolz an und schaute sich um. Rechts heruntergekommene Mietskasernen, links die Mauer, die das Betriebsgelände des Stettiner Bahnhofs vom Rest der Welt abschirmte. Und geradeaus versperrte eine monströse stählerne Eisenbahnbrücke den Blick auf den Horizont, die Liesenbrücke, so genannt wegen einer der Straßen, die sie überspannte, doch klang der Name eigentlich viel zu lieblich für den schwarzgrauen Koloss, der aussah, als habe ein schlecht gelaunter Gott ihn aus Wut mitten zwischen die Häuser geworfen. Alles in allem eine unwirtliche Gegend: unten Mietskasernen, Industrie und Friedhöfe, oben die Züge, die zum Stettiner Bahnhof ratterten und alle paar Minuten einen Höllenlärm machten.

Der Tatort schien sich genau unter der Brücke zu befinden, mehr als ein Dutzend Blaue hatten dort eine Kette gebildet. Zwei Männer in Zivil sprachen gerade mit einem Hauptwachtmeister, einer hatte einen altertümlichen Fotoapparat mitsamt Holzstativ geschultert, der andere einen Notizblock gezückt. Kriminalsekretär Paul Czerwinski und Kommissar z. A. Andreas Lange, seine beiden Männer für den heutigen Einsatz. Vergleichsweise wenig, wenn man bedachte, mit wie vielen Leuten der Erkennungsdienst und die Schutzpolizei angerückt waren.

Rath war müde. In der Nacht hatten ihn die Dämonen wieder besucht, die seine Albträume bevölkerten, die Menschen, deren Tod er verschuldet hatte, und die ihn nicht in Ruhe lassen wollten. Immer wieder in den Vollmondnächten krochen sie aus ihren Gräbern und hinein in seine Träume.

Er inhalierte den Zigarettenrauch zusammen mit der kühlen Morgenluft und ging hinüber. Lange hatte ihn bereits entdeckt und tippte mit zwei Fingern an die Hutkrempe. Woraufhin Czerwinski sich umdrehte und mit seinem Stativ beinahe einen der Schutzpolizisten gestreift hätte. Im letzten Moment duckte sich der Mann weg. Eine solche Szene hatte Rath zuletzt im Kino gesehen, in irgendeinem Dick-und-Doof-Film, Czerwinski jedoch passierte so etwas auch im richtigen Leben.

Unter der Bahnbrücke klebte noch immer die Nacht, es war duster und wurde auch ein paar Grad kälter, kaum war Rath in den Schatten des stählernen Gerüsts getreten.

»Was für ein Großaufgebot«, sagte er, als er die Kollegen erreicht hatte. »Man könnte ja fast meinen, der Kaiser von China sei gestorben.«

Niemand verzog eine Miene. Lange räusperte sich und schaute auf seine Schuhspitzen, Czerwinski grummelte etwas Unverständliches und stapfte weiter. Und der Blick des Uniformierten blitzte so böse, wie es der Rangunterschied zwischen Hauptwachtmeister und Kriminalkommissar gerade noch zuließ. Rath warf einen Blick über die blauen Schultern und verstand: Der Tote, der im Schatten der Bahnunterführung lag wie ein weggeworfener blutiger Sack, trug die braune Uniform der SA.

Rath zeigte dem Schupo seinen Dienstausweis. »Sie haben ja mächtig viel Männer im Einsatz«, sagte er.

»Man kann nie wissen, das hier ist immer noch ’ne rote Ecke. Die Lage hat sich zwar beruhigt seit der nationalen Revolution, aber wenn die Roten sich dann doch mal aus ihren Löchern wagen, gibt’s gleich Tote.«

»Hört sich an, als hätten Sie Erfahrung damit.«

»Dreiundfuffzichstes Revier«, sagte der Schupo, als erkläre das alles. »Drüben in der Voltastraße. Wir ham immer schon unseren Kopp hinhalten müssen.«

»Na, aber diesmal hat, wie es aussieht, jemand anderes seinen Kopf hingehalten«, meinte Rath mit Blick auf die Leiche.

Der tote SA-Mann lag mitten auf dem Gehweg im Schatten der Eisenbahnbrücke und war übel zugerichtet, die Gliedmaßen unnatürlich verbogen und verrenkt, als habe man dem armen Kerl sämtliche Knochen gebrochen. Sein Gesicht war entstellt von Platzwunden, die Nase gebrochen und blutig, die fleischige Oberlippe eingerissen, sodass man die lückenhafte Zahnreihe dahinter sehen konnte. Nur die weit aufgerissenen Augen, in deren Blick das schiere Entsetzen geschrieben stand, waren wie durch ein Wunder unversehrt geblieben, ebenso die SA-Kappe, die vom Sturmriemen unterm Kinn an ihrem Platz gehalten worden war und so akkurat saß, als gehe es gleich zum Uniformappell. Der Rest der Uniform war in weniger gutem Zustand, der braune Stoff mehrfach gerissen, Blut an vielen Stellen in das Gewebe gesickert. Im Schritt hatte sich ein dunkler Wasserrand gebildet. Der Mann musste sich im Todeskampf eingenässt haben.

Auf der Backsteinwand über der Leiche hatte jemand in Großbuchstaben und mit weißer Farbe geschrieben: ARBEITER WEHRT EUCH! TOD DEN HITLERFASCHI… Weiter war er mit seiner Botschaft an die Berliner Werktätigen nicht gekommen.

Einer dieser Werktätigen stand zwischen zwei Blauen, knetete seine Mütze und gab sich große Mühe, nicht auf die unvollendete Parole zu schauen und noch weniger auf die Leiche. Die Schupos hatten dem Mann Handschellen angelegt.

Rath passierte die Polizeikette und ging hinüber. Lange folgte ihm, während Czerwinski begann, den Fotoapparat in Stellung zu bringen.

»Unser Tatverdächtiger?«, fragte Rath die Blauen.

Bevor einer der Uniformierten etwas sagen konnte, begann der Arbeiter zu reden, die Worte sprudelten förmlich aus ihm heraus. »Ick schwör Ihnen, Herr Inspektor, ick hab damit nüscht zu tun! Sonst wär ick doch nich uff die Wache. Ick und die Kollejen ham ihn doch nur entdeckt … Da war er doch schon mausetot.«

»Sie haben den Leichenfund gemeldet?«

Der Arbeiter nickte.

»Der Mann ist ein Zeuge, warum trägt er dann Handfesseln?«, fragte Rath den Oberwachtmeister, der den Arbeiter am Arm hielt.

»Nummer sicher, Kommissar. Man weiß doch nie bei diesen Leuten.«

»Halten Sie jeden Arbeiter für einen Roten? Nehmen Sie dem Mann die Dinger ab.«

Der Oberwachtmeister wirkte nicht begeistert, doch er griff in seine Jackentasche und holte einen kleinen Schlüssel heraus.

»Wann haben Sie den Toten denn gefunden?«, fragte Rath den Arbeiter.

Der schüttelte seine Handgelenke, um die Durchblutung wieder in Gang zu bringen. »So gegen halb sechs. Wurde jerade hell.«

Rath machte eine Notiz. »Und wo sind die Kollegen, von denen Sie gesprochen haben?«

»Na, wo wohl? Arbeeten. Waren doch auf dem Weg zur Schicht.«

»Wo?«

Der Mann zeigte ostwärts. »Drüben. AEG. Und icke bin zur Wache.« Er zuckte die Achseln. »Haben jelost, wer dette da melden soll.«

»Gelost? Warum sind Sie denn nicht alle zur Wache? Ihre Kollegen sind ebenfalls Zeugen eines Mordfalls, da kann man sich doch nicht einfach so verdrücken. War Ihnen das nicht klar?«

»Meenen Se, unsereins kann sich erlauben, hier stundenlang rumzustehen statt zu malochen?« Der Arbeiter warf den Schupos einen bösen Blick zu. »Und wenn ick sehe, wie ein Volksjenosse behandelt wird, der nur seine Pflicht erfüllt, denn bedaure ick wirklich, det icke derjenige war, der den Kürzeren jezogen hat.«

»Ihren Arbeitgeber werden wir selbstverständlich informieren. Mit Ihren Kollegen müssten wir allerdings auch noch sprechen. Haben Sie die Namen? Und Adressen?«

»Können Se haben. Wir ham nüscht zu verberjen.«

»Gut.« Rath drehte sich um. »Lange?«

»Kommissar?«

»Lange, setzen Sie doch die Befragung von Herrn …«

»Egerland«, soufflierte der Arbeiter.

»… setzen Sie doch bitte die Befragung des Zeugen Egerland fort.«

Andreas Lange hatte seinen Block bereits gezückt, diensteifrig wie immer. Seit einem Jahr arbeitete Rath mit Lange zusammen, der als Kriminalassistent in der Burg angefangen und inzwischen Kommissar zur Anstellung war. Die Zusammenarbeit hatte sich bewährt, Langes Berufung zum Beamten auf Lebenszeit stand nichts im Wege. Würde das z. A. hinter seinem Dienstgrad erst einmal wegfallen, war es nur noch eine Frage der Zeit, bis er in ein anderes Büro umziehen würde und Rath sich wieder nach einem neuen Partner umschauen konnte. War Gereon Rath eigentlich der einzige Beamte im ganzen Präsidium, der niemals befördert wurde? Die Sozis hatten ihn schon geflissentlich übersehen, und seit der Nazi Magnus von Levetzow Polizeipräsident war, hatten sich Raths Aussichten auf Beförderung nicht gerade verbessert.

Würde es ihm ähnlich ergehen wie Paul Czerwinski, der seit Ewigkeiten auf der Stufe des Kriminalsekretärs stehen geblieben war? Doch Czerwinski, der sich gerade mit dem Fotoapparat abmühte, war kein Maßstab. Rath senior war der Maßstab, Kriminaldirektor Engelbert Rath, seinerzeit der jüngste Oberkommissar der Kölner Polizei, mit achtundzwanzig Jahren. Wobei der Stern seines Vaters im Kölner Polizeipräsidium im Sinken begriffen war....

Erscheint lt. Verlag 10.11.2016
Reihe/Serie Die Gereon-Rath-Romane
Die Gereon-Rath-Romane
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 30er Jahre • 6. Fall • Babylon Berlin • Band 6 • Berlin • Der nasse Fisch • Kommissar Gereon Rath • Kriminalroman • Krimi-Reihe • Marlow • Nationalsozialismus • Polizei-Ermittlung • Serie • Serie Babylon Berlin • Spannung • TV-Serie • Volker Kutscher • Zeit-Geschichte
ISBN-10 3-462-31582-X / 346231582X
ISBN-13 978-3-462-31582-0 / 9783462315820
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